Beste Stimmung, die Zukunft sieht für die Elektronikindustrie blendend aus: Dieser Eindruck musste sich den Besuchern der electronica 2010 geradezu aufdrängen.
Die gute Stimmung kommt nicht von ungefähr: Erstens ist der tiefe, durch die Finanzkrise ausgelöste Sturz überwunden (wenn auch lange noch nicht vergessen). Zweitens haben sich die Elektronikindustrie und insbesondere die Komponentenhersteller schneller erholt als erwartet. Das führt zum dritten Punkt, oft schon wiederholt, aber immer noch richtig: Der Bedarf an Elektronik wächst weiterhin stark. Sie dringt in alle Bereiche unseres Lebens vor, und viele neue Bereiche entstehen erst durch sie.
Allerdings zunehmend unsichtbar. Die Erfolgsgeschichten der Computer, der PCs und der Handys lässt sich noch einigermaßen greifen. Dass die »Computer« nun auch in alle Maschinen wandern, die uns umgeben, und dass sie untereinander noch munterer kommunizieren als wir Menschen, geht eher im Verborgenen vor sich. Weil diese Maschinen nicht nur riesige Stückzahlen an Komponenten fressen und dabei weiter in immer neue Anwendungen und Märkte hineinwachsen, wittern die Hersteller von Bauelementen gute Geschäfte. Deshalb geben sie viel Geld aus, um die Forschung weiter voran zu treiben und exorbitant teure neue Fabriken zu bauen, in denen die ICs gefertigt werden.
Gleichzeitig wandern viel mehr Funktionen als bisher auf die einzelnen Chips. Diese Chips plus Sensoren und Aktuatoren stecken in winzigen Gehäusen, die in aufwändigen Packaging-Techniken gefertigt werden. Zunehmend integrieren die Hersteller auch mechanische Funktionen, um winzige Kameras, Sensorknoten für drahtlose Netzwerke oder Eingabesysteme als Module anbieten zu können. Denn kein Anwender hat mehr die Zeit und die Ressourcen, sich Subsysteme aus zig verschiedenen Komponenten aufzubauen.
Viele Firmen haben deshalb die vergangenen zwei Jahre genutzt, um sich – oft durch Zukäufe – Know-how in ganz unterschiedlichen Gebieten zu verschaffen. Wer bisher nur im analogen Markt unterwegs war, verschafft sich Zugang zur Controller-Technik, Controller-Firmen dringen in die Analog- und die HF-Technik vor, und ohne ausgeklügeltes Power-Management funktioniert kein Subsystem.
Zugegeben: Dass IC-Hersteller sich um Systeme kümmern, ist keine neue Entwicklung. Aber jetzt geht es nicht nur mehr darum, möglichst viele Funktionen in Systems-on-Chip zu integrieren. Wer komplette und flexibel einsetzbare Subsysteme anbieten will, braucht Zugang zu einer großen Vielfalt ganz unterschiedlicher Techniken, entweder im eigenen Haus oder in einem verlässlichen Netzwerk. Viele Hersteller, die erfolgreich in einem Markt groß geworden sind, haben diese Richtung eingeschlagen und sich über die letzten Jahre tiefgreifend verändert.
Das war für mich einer der bleibenden Eindrücke der electronica 2010. Bedeutet dies nicht auch: Große Unternehmen, die über viele Techniken verfügen und sich interdisziplinäre Forschungseinrichtungen leisten können – in der Vergangenheit oft als Dinosaurier verspottet –, könnten eine neue Blüte erleben?
Sehen Sie eine Wiederauferstehung der Dinosaurier? Oder sollten wir froh sein, diese Stufe der Evolution endgültig überwunden zu haben? Schreiben Sie mir ein kurzes Email, wenn Ihnen Argumente dafür oder dagegen einfallen.
Ihr Heinz Arnold