Kommentar

Trumpfkarte Entwicklungskompetenz

15. November 2010, 9:18 Uhr | Engelbert Hopf
Engelbert Hopf, Chefreporter Markt&Technik
© Markt&Technik

Umsatz und Export fast wieder auf Vorkrisen-Niveau, die deutsche Wirtschaft in ihrer Paraderolle als Wirtschaftslokomotive Europas! Es hat sich als richtig erwiesen, in der größten konjunkturellen Talfahrt der letzten Jahrzehnte die Nerven zu behalten und statt auf rigiden Personalabbau auf Kurzarbeit zu setzen.

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In einem wettbewerbsintensiven Umfeld wie der Elektronikbranche ist Fachexpertise ein wertvolles Gut, das gilt in ganz speziellem Maße für die Entwicklung. Auch wenn es heute den breit aufgestellten Entwickler kaum noch gibt, so gilt doch nach wie vor: Produktion und Vertrieb sichern das Heute, über den Erfolg in der Zukunft entscheidet jedoch die Leistungsfähigkeit der R&D-Abteilung.

In der deutschen Elektroindustrie mit ihren mehr als 810.000 Beschäftigten arbeiten über 75.000 Mitarbeiter im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Eine Konzentration, die sich auszahlt. Gut 40 Prozent des Branchenumsatzes, so der Fachverband ZVEI, werden hierzulande mit neuen Produkten erzielt. Dieses hohe Niveau gilt es zu halten, will man nicht riskieren, dass weiter wichtige Wertschöpfung nach China abwandert. Die Unternehmensberatung Booz & Company ist optimistisch: Die Berater attestieren dem Forschungsstandort Deutschland eine Position der Stärke. Da die Unternehmensgewinne schon fast wieder das Vorkrisenniveau erreicht hätten, kommt es jetzt darauf an, die Innovationsaktivitäten kräftig hochzufahren.

Wer das nicht schon im Vorjahr getan hat, sollte sich bei der Forcierung der R&D-Aktivitäten jedoch nicht verzetteln. Einen direkten Zusammenhang zwischen Forschungsausgaben und finanziellem Erfolg, so die jüngste Booz-Studie, gibt es nicht. Wirklich innovativ, so die Berater, seien die Firmen, die in den richtigen Dingen gut sind, nicht in allen.

Als aktuelles Beispiel für die unterschiedliche Herangehensweise sei »E-Mobility« genannt. Obwohl deutsche Hersteller sich frühzeitig um die Entwicklung stromgetriebener Serien-Elektroautos bemüht haben, wird dieser Pokal wohl an Nissan gehen. In Deutschland sehen die Entwickler derweil ihren Fokus darin, den neuen Antrieb so alltagstauglich wie nur irgend möglich zu machen.

Auch wenn Asien und speziell China die höchsten Wachstumsraten versprechen: Überlegungen, nach der Produktionsverlagerung auch die Entwicklung nach Fernost zu verlagern, werden heute nicht mehr so häufig artikuliert wie noch vor ein paar Jahren. Mag sein, dass Negativbeispiele amerikanischer Unternehmen abschreckend gewirkt haben. Zu hoch fiel dort in manchen Fällen der Know-how- und Technologieverlust nach der Verlagerung nach China aus.

Es dürfte sich inzwischen aber auch herumgesprochen haben, dass Entwickler in China inzwischen dasselbe kosten wie in Europa oder den USA. Natürlich gilt das nur für Positionen wie Entwicklungsleiter, doch wer will schon das Risiko eingehen, die zukünftige Produktentwicklung seines Unternehmens fast ausschließlich in die Hände hoch motivierter Universitätsabsolventen zu legen? Erfahrung und Know-how kosten Geld, unabhängig davon, ob sie nun in Europa oder China am Unternehmenserfolg von Morgen arbeitet.

Ihr

Engelbert Hopf


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