Energy Harvesting eingebaut

Evaluation Kit RE01 im Praxistest

28. März 2022, 6:00 Uhr | Von Klaus Dembowski
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Energy Harvesting mit dem Mikrocontroller RE01

Wie erwähnt, ist die im Mikrocontroller integrierte Energy Harvesting Control Unit (EHC) zurzeit ein Alleinstellungsmerkmal und bedarf deshalb einer genaueren Betrachtung. Zunächst sind die richtigen Einstellungen der Jumper und Schalter auf dem Entwicklungsmodul für den Energy-Harvesting-Betrieb (EH) von Bedeutung, die sich von den Einstellungen im Normal- oder auch Download-Betrieb, bei dem das Modul per USB mit dem PC verbunden ist, unterscheidet. Diese Kabelverbindung ist für den EH-Betrieb zu entfernen, was auch sicherstellt, dass die einzige Energiequelle dann die angeschlossene Solarzelle ist.

Die beiden auf dem Modul dominierenden Schiebeschalter SW5 und SW6 werden als Power Line Switches bezeichnet und schalten verschiedene Spannungssignale zwischen dem Normal- und dem EH-Modus um sowie J-Link-Emulatorsignale ab.

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 Die wichtigen Einstellungen auf dem RE01-Entwicklungsmodul für den EHC-Betrieb mit der Solarzelle als Energiequelle
Bild 3. Die wichtigen Einstellungen auf dem RE01-Entwicklungsmodul für den EHC-Betrieb mit der Solarzelle als Energiequelle.
© Dembowsk

Das Signal der Solarzelle wird mit SW5 auf VSC_VCC geschaltet (Bild 3), was direkt an den Mikrocontroller (Pin 40) führt. Ein weiterer Kontakt von SW5 verbindet VBAT_EHC des Controllers (Pin 39) mit dem Anschluss RE-Battery-VCC der Platine, wo entweder der Supercap (SCAP: 0,22 F) oder optional eine zusätzliche Spannungsquelle (max. 3 V) verbunden wird. Die Auswahl zwischen beiden erfolgt mit dem Jumper J1, der standardmäßig den Supercap als Quelle selektiert. Außerdem wird mit einem weiteren Kontakt von SW5 die Verbindung eines Speicherkondensators (C8: 100 µF/10 V) mit dem VCC_SU (Pin 38) des Mikrocontrollers hergestellt.

Die wichtigen Spannungen auf dem Evaluation Board im EH-Betrieb ohne Jumper und Schalter.
Bild 4. Die wichtigen Spannungen auf dem Evaluation Board im EH-Betrieb ohne Jumper und Schalter.
© Dembowsk

Dieser Kondensator (C8) bildet gewissermaßen die zweite Stufe des Energiemanagements, und wenn er ausreichend von der Solarzelle geladen worden ist, wird zunächst der Supercap geladen, der den Mikrocontroller dann über VBAT_EHC (Pin 39) mit Spannung versorgt, was als dritte Stufe interpretiert werden kann (Bild 4). Die erste Stufe wird mit dem Kondensator (C17: 10 µF) gebildet, wie noch erläutert wird.
Der Schiebeschalter SW6 deaktiviert im EH-Modus die Signale für die auf dem Entwicklungsmodul vorhandene Segger-Debugger-Schaltung (J-Link), die auch für die Programmierung zum Einsatz kommt.

Ein Jumper J5, der die Auswahl zwischen UC_VCC und VCC (External Power) für den VCC/IOVCC-Anschluss des Mikrocontrollers (Pin 20) erlaubt, ist nicht zu stecken. Wenn die geerntete Energie bereits ausreicht, wird von der EHC-Einheit über diesen Pin 20 stattdessen die Spannung VCC_MCU ausgegeben, die in einem Kondensator (C17: 10 µF) gespeichert wird. Für Testzwecke ist parallel dazu ein Discharge-Taster (SW9) angebracht, der diesen Kondensator bei Betätigung entlädt. Die gleiche Funktion hat der auf der Leiterplatte direkt daneben platzierte Taster SW8, mit dem der Kondensator C8 (100 µF/10 V) entladen wird.

Die Spannung VCC_MCU wird auf zwei Schalter-ICs (TCK107AF) der Firma Toshiba geführt. Damit dies im EH-Modus funktioniert, ist der Jumper J23 in die Position 1–2 zu setzen, in der Position 2–3 würde dieser Jumper stattdessen die Spannung zu den Schalter-ICs leiten, die mit dem Jumper J1 (s. o.) festgelegt wurde. J23 ist für den EH-Betrieb demnach ein wichtiger Jumper, der bei dem Bild über die Board Settings in der Renesas-Dokumentation (RE01 Maintenance Free Power Management) leider nicht auftaucht – im Bild 3 ist er aber eingezeichnet.

Geschaltet werden die beiden Schalter-ICs, die die Spannung VCC_MCU weiterleiten sollen, über zwei I/O-Pins vom Mikrocontroller, sobald die gesammelte Energie ausreicht. Die Ausgänge der Schalter-ICs sind mit drei Auf-/Abwärtswandlern (2 × ISL9123, 1 × ISL9122) von Renesas verbunden. Der ISL9122 liefert die Spannung UC_VCC und bildet damit quasi die Hauptstromversorgung (3,3 V), sie wird über den Jumper J22 geführt. In der anderen Stellung des Jumpers J22 (1–2) wird die Spannungsversorgung nicht per Energy Harvesting, sondern von einem der üblichen Modulanschlüsse (5 V Power, USB, J-Link) zur Verfügung gestellt. Hier wandelt dann ein dritter ISL9123 die 5 V in die 3,3 V (UC_VCC) um.

Um die Stromaufnahme während des Betriebs messen zu können, sind in der UC_VCC-Verbindung ein Strommesswiderstand sowie ein Jumper J20 vorhanden. Nach dem Ziehen dieses Jumpers kann an den Kontakten ein Strommessgerät angeschlossen werden. Eigene Messungen zeigen, dass im Durchschnitt lediglich 9 µA und beim Schreiben des Renesas-Logos auf das Display, bei dem alle Pixel angesteuert werden, auch nur 40 µA fließen. Im EH-Mode werden allerdings nicht sämtliche Peripherieeinheiten auf dem Entwicklungsmodul mit Strom versorgt, z. B. sind die USB-Schaltungen deaktiviert, gleichwohl sind dies beeindruckend niedrige Messwerte.

Die beiden ISL9123, auf die die Eingangsspannung über den anderen TCK107AF-Schalter-IC geschaltet wird, liefern die Spannungen von 0,85 V (VCL1) und 1,25 V (VCL2) für den Mikrocontroller.

Die Schalter SW4 und SW7 bestimmen den Start-up Mode: EHC, normal, Flash oder USB. Um das Entwicklungsmodul auf Energy Harvesting festzulegen sind beide Schalter in die linke Stellung zu schieben (Bild 3). Beide Schalter schalten GND oder VCC an die beiden Signalleitungen MD und EHMD, die direkt an den Mikrocontroller (Pin 30, 35) geführt werden und somit für den entsprechenden Start des Mikrocontrollers sorgen.

Großes Entwicklungsmodul mit vielen Möglichkeiten

Das Evaluation Kit RE01 von Renesas erlaubt aufgrund der sehr umfangreichen Schaltung des Entwicklungsmoduls eine Vielzahl von Anwendungen, was den Preis von circa 460 Euro auch rechtfertigt. Durch die vielen Möglichkeiten des Entwicklungsmoduls scheint es unvermeidlich, dass zahlreiche Jumper und Schalter für die korrekte Einstellung notwendig sind, was zunächst etwas unübersichtlich wirkt. Hierfür wäre eine eindeutige und bessere Dokumentation wünschenswert. An den Beispielprogrammen gibt es nichts auszusetzen, sie funktionieren genau wie beschrieben.

Der RE01-Mikrocontroller mit Cortex-M0+-Kern verfügt als Besonderheit über eine integrierte Energy Harvesting Control Unit (EHC), die das Energiemanagement durchführt und an die sich beispielsweise eine Solarzelle direkt anschließen lässt. Sie vereinfacht den Aufbau von Energy-Harvesting-Applikationen und hilft Entwicklern sehr energieeffiziente Anwendungen zu realisieren.

 

Literatur

[1] RTK70E015DS00000BE – RE01 1500KB MCU Evaluation Kit. Renesas, Website, www.renesas.com/eu/en/products/microcontrollers-microprocessors/re-cortex-m-ultra-low-power-sotb-mcus/rtk70e015ds00000be-re01-1500kb-mcu-evaluation-kit.

[2] Amorton for the indoor environment. Panasonic Industry, Website, https://industry.panasonic.eu/products/energy-building/amorphous-solar-cells/amorton-indoor-environment.

[3] Memory-In-Pixel Technology. Kyocera Display, Website, www.kyocera-display.com/products/mip.asp.

[4] IAR Embedded Workbench for Arm. IAR Systems, Website, www.iar.com/products/architectures/arm/iar-embedded-workbench-for-arm.

[5] Dembowski, K.: Energy Harvesting für die Mikroelektronik. VDE-Verlag, ISBN 978-3-8007-3234-0.

 

Der Autor

 

Klaus Dembowski ist Entwicklungsingenieur für Low-Power und Energy-Harvesting-Systeme
© Dembowsk

Klaus Dembowski

ist Entwicklungsingenieur für Low-Power- und Energy-Harvesting-Systeme. Er wurde 2011 und 2017 von der Redaktion der Elektronik für seine Fachaufsätze »Sensornetze mit energiesparender Funktechnik« und »Funkelektroden zur Messung bioelektrischer Signale: EKG ohne Kabel« als »Autor des Jahres« ausgezeichnet. Sein Fachaufsatz »Raspberry Pi: Unterschätzte One-Wire-Schnittstelle« war 2021 der meistgelesene Fachaufsatz auf elektroniknet.de.

dembowski@tuhh.de


  1. Evaluation Kit RE01 im Praxistest
  2. Energy Harvesting mit dem Mikrocontroller RE01

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