Gegen Produktpiraterie

Warum Infineon Bauteile verschrottet

29. April 2013, 8:16 Uhr | Karin Zühlke
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Strenge Auflagen und genaue Rückverfolgung

Konrad Bechler, Infineon: »Mindestens zwei Zeugen müssen die Verschrottung überwachen und sicherstellen, dass das Critical Scrap Material vollständig zerstört wurde.«

Dass das Scrap-Management bei Infineon einen so hohen Stellenwert hat, liegt, auch an den Kundenanforderungen in einigen Bereichen: Halbleiterprodukte von Infineon kommen im öffentlichen Sektor, u. a. für behördliche Ausweisdokumente, in etwa einem Drittel der 192 UN-Mitgliedsstaaten zum Einsatz. »Hier sind die Sicherheitsanforderungen für ausrangierte Bauteile besonders streng. Wenn solche Bauteile nicht mehr eingesetzt werden, dürfen sie nur in einem zutrittsbeschränkten und überwachten Lager aufbewahrt werden. Außerdem gelten besondere Vorschriften, wie diese Bauteile zu verschrotten sind, ob sie beispielsweise geschreddert, zermahlen oder verbrannt werden müssen«, erläutert Bechler.

Zu einem ordentlichen Scrapping-Prozess gehört laut Bechler die Auswahl der richtigen Entsorgungsfirma. Auf welche Weise die Bauteile vernichtet werden, hängt vom Produkt und den jeweiligen (Kunden-)Anforderungen ab: Die üblichen Methoden sind Verbrennen, Zermahlen oder Schreddern. Verbrannt werden Bauteile nur auf ausdrücklichen Kundenwunsch. Die meisten Bauteile lässt Infineon schreddern oder zermahlen. Alles, was verbrannt werden muss, sammelt Infineon weltweit zentral ein, denn verbrannt wird nur in Deutschland in einem eigens auditierten Betrieb. Das ist zwar ein enormer Aufwand, aber unumgänglich. »Bisher haben wir noch keine Verbrennungsanlage in Asien gefunden, die unseren hohen Anforderungen entspricht«, so Bechler. Die technischen Auflagen für die Verbrennung sind beträchtlich: Weil Silizium an sich sehr robust ist und bei der Verarbeitung schon sehr hohen Temperaturen von mehreren hundert Grad standhält, müssen die Bauteile bei einer Temperatur von mindestens 1050° C rund zweieinhalb Stunden in der Anlagen »schmoren«, damit die Silizium-Strukturen irreversibel zerstört sind. Bis ins kleinste Detail geregelt ist aber nicht nur, wie die Verbrennung abzulaufen hat, sondern auch der Anlieferprozess des Bauteile-Schrotts, um jegliche Lücken in der Entsorgungskette zu vermeiden: »Der LKW wird unmittelbar nach Ankunft im Entsorgungsbetrieb entladen und die Ladung muss direkt in die Verbrennungsanlage gelangen. « Außerdem dürfen während dieser Zeit laut Bechler unmittelbar an der Anlage nur bestimmte Mitarbeiter anwesend sein. Bei kritischem Schrott gilt außerdem das 4-Augen-Prinzip. »Mindestens zwei Zeugen müssen die Verschrottung überwachen und sicherstellen, dass das Critical Scrap Material vollständig zerstört wurde«, schildert der Experte. Der Betreiber der Verbrennungsanlage kümmert sich um das Recycling der Schlacke; Metalle wie z.B. Gold, Silber oder Kupfer werden wiedergewonnen.
Nicht ganz so aufwendig und auch technisch einfacher sind die Entsorgungsmethoden Schreddern oder Zermahlen. Nach diesen Verfahren verschrottet Infineon den größten Teil seiner Bauteile und Module. Auch hier gilt die interne Richtlinie, die Produkte so zu zerkleinern, dass danach keine Rückschlüsse auf Unternehmens-IP mehr möglich sind. Auch hier sind von Fall zu Fall bestimmte Kundenanforderungen an das Scrap-Ergebnis zu berücksichtigen: Als Beispiel nennt Bechler eine Vorgabe von 0,8 Millimeter Korngröße und eine dreimal gebrochenen Kante.

»Fürs Schreddern und Zermahlen finden sich rund um den Globus geeignete Entsorgungsbetriebe. Daher können wir diese Methoden überall einsetzen, wo wir Fertigungen haben«, so Bechler. Zwar ist auch hier der organisatorische Aufwand hoch, aber die Kosten für die Entsorgung amortisieren sich weitgehend durch das Recycling der Rohstoffe in den Bauteilen. Bevor verschrottet wird, wird das Material in verschiedene Hüttenfraktionen - Aluminium, Kupfer, Plastik und Sonstige - aufgeteilt. So hat IGBT-Schrott beispielsweise einen hohen Kupferanteil, der beim Schreddern und dem anschließenden Recycling entsprechend berücksichtigt werden muss. Je nach Metallanteil wählt das Infineon-Team daher den passenden Entsorger aus. Wie stellt Infineon nun sicher, dass das asiatische Entsorgungspersonal beim Schreddern keine Ware in graue Kanäle »abzweigt«? Nach Aussage von Bechler sei eine hundertprozentige Traceability auch in Asien gegeben: »Wir führen zudem vor Ort regelmäßig unangemeldete Audits durch.«

Das Bauteile-Scrapping gehört bei Infineon zum »Daily Business«. Dabei setzt der Halbleiter-Hersteller laut Bechler auf umfassende Aufklärung innerhalb des Unternehmens: »Bei uns sind nicht nur die Spezialisten mit dem Thema vertraut, auch alle Kollegen, die mit Kunden in Kontakt stehen, schulen wir regelmäßig«, so Bechler.


  1. Warum Infineon Bauteile verschrottet
  2. Strenge Auflagen und genaue Rückverfolgung

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu INFINEON Technologies AG Neubiberg