»Fangen Sie ruhig auch am falschen Ende an!«

Traceability einzuführen, ist nicht immer einfach - der ZVEI-Leitfaden hilft

10. November 2011, 10:17 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Knackpunkt »Anlagenschnittstelle«

Bei all den Vorteilen - dass die Traceability auch einen enormen Kostenaufwand nach sich zieht, ist unbestritten: Traceability erfordert zuerst einmal ein adäquate Software-Landschaft, meist in Form eines ERP- und MES-Systems und eine entsprechende Hardware-IT-Infrastruktur und schließlich die Anbindung an die SMT-Maschinen, ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor, der sich schnell im sechsstelligen Bereich bewegen kann. Vor allem kleine und mittelständische Firmen scheuen die Einführung der Traceability nicht zuletzt aufgrund solcher Einstiegshürden. Kann der Leifaden solchen Firmen helfen? »Ein kleines Unternehmen hat hier eben auch keine kleineren Anforderungen als ein großes, der Leitfaden hilft aber auf alle Fälle, um  Prozesse schneller und mit weniger Ressourcen zum Ziel zu führen«, ist Erhard sicher.

Die Einstiegshürden so niedrig wie möglich zu halten, dafür sollen unter anderem standardisierte Maschinenschnittstellen sorgen - ein solcher Vorschlag findet sich auch in Kapitel 7 des Traceability-Leitfadens. »Denn«, so Erhard »je mehr die Standardisierung unterstützt wird, umso niedriger ist die Hemmschwelle für die Kunden. Eine Standard-Schnittstelle würde jedenfalls viel weniger Schmerzen bei der Implementierung verursachen.«

Dass in den Traceability-Leitfaden die Maschinenschnittstelle von Kratzer Automation als Standard-Vorschlag eingeflossen ist, die aber mittlerweile bekanntlich vom Unternehmen aufgrund einer Strategieänderung nicht mehr weiterentwickelt wird, ist nach Ansicht der meisten Round Table Teilnehmer aber kein Problem, weil es sich schließlich um eine offene Schnittstelle handle. Das Problem ist nach Ansicht von Dieter Meuser, CTO von itac Software, aber dass bislang keiner der großen Maschinenhersteller die Schnittstelle nach Kapitel 7 des ZVEI implementiert hat. »Die Hersteller haben alle proprietäre Schnittstellen, die sie auch laut ihrer Roadmap weiter beibehalten wollen«, gibt Meuser zu bedenken.

Allerdings äußert Meuser auch technische Bedenken im Hinblick auf die Kratzer-Schnittstelle: Denn auf Basis der im ZVEI-Leitfaden beschriebenen Schnittstellentechnologie ist keine vom Markt geforderte synchrone bidirektionale Anlagenschnittstelle mit maximalen Antwortzeiten von 500 ms - ab einer Antwortzeit von 500 ms ist ein Traceability-System »Taktzeitbeeinflussend« - realisierbar.

Nicht zuletzt das könnte nach Ansicht von Meuser der Grund sein, warum die ZVEI-Schnittstellenempfehlung bislang nicht von den SMT-Anlagenherstellern übernommen wurde und weiterhin proprietäre Schnittstellen existieren. Allerdings sind nicht nur die Maschinenschnittstellen proprietär, sondern auch die Schnittstellen zum ERP-System und der Datenübertragung. »Man müsste zumindest Technologien anbieten, die trotz proprietären Schnittstellen die Implementierungsaufwand reduzieren und eine Schnittstelle nicht 150.000 Euro kosten lassen«, fordert Meuser.

»Wir kämpfen auch gerade mit einem Maschinenhersteller, aber wir haben uns doch in einem Jahr schon ein Stück weit angenähert. Das wäre früher gar nicht möglich gewesen. Und das ist genau der Punkt: Der Hunger kommt beim Essen, man muss erst einmal anfangen, sonst diskutiert man in 5 Jahren noch darüber, was man alles machen hätte können«, so  Petermann. »Wir haben in so einem Kreis die Chance, auch Standards durchzusetzen.«

Allerdings wird hier noch viel Diskussions- und Überzeugungsaufwand nötig sein, denn es sieht momentan überhaupt nicht danach aus, als wenn ein Standard bei den Maschinenschnittstellen auch nur entfernt am Horizont sichtbar wäre, wie Dorwarth auch bestätigt. Er sieht sowohl das Thema Schnittstellen als im Übrigen auch das Thema »Label« noch nicht als standardfähig an. Aber es sei immerhin gelungen, eine Diskussion anzustoßen.  Eine Lösung wird aber allenfalls erst in mehreren Jahre gefunden werden. Aber Zeit ist ein wertvolles Gut, das viele Unternehmen nicht haben. Sie müssen entweder weiterhin in die teuren proprietären Schnittstellen investieren oder auf ein Traceability-System und damit auf wichtige Marktbereiche wie die Automobilindustrie verzichten.      
Und wie geht es weiter mit dem Traceability Leitfaden? Ab 2012 will die Arbeitsgruppe wieder aktiv daran weiterarbeiten. Dann sollen die Praxiseinfahrungen der letzten Jahren mit einfließen. Man wolle Analysieren und Weiterentwickeln: Aber, so Dorwarth, »wir werden nicht von heute auf morgen Fliegen lernen können.« 


  1. Traceability einzuführen, ist nicht immer einfach - der ZVEI-Leitfaden hilft
  2. Auch für »alte Traceability Hasen« ist der Leitfaden sinnvoll
  3. Hilfreich auch für das Materialmanagement
  4. Knackpunkt »Anlagenschnittstelle«

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