Ruwel-Rettung: »Es war dramatisch!«

24. September 2009, 13:38 Uhr | Corinna Puhlmann, Markt&Technik

Die Rettung von Ruwel hätte dramatischer nicht sein können: Bis zur letzten Minute hat die Belegschaft von Ruwel um den Erhalt des Standortes Geldern gekämpft – und letztendlich gewonnen.

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Jubel bei Ruwel: Die Lichter im Hauptwerk in Geldern bleiben an. Der Investor BlueBay, bereits seit 2006 einer von drei Gesellschaftern bei Ruwel, und ein asiatischer Co-Investor übernehmen den Leiterplattenhersteller aus der Insolvenz. Das neue Engagement von BlueBay ist nachvollziehbar, da sich die Situation für Ruwel in den vergangenen Monaten zum Positiven geändert hat:

Mit ausschlaggebend für die Übernahme war, dass bereits für das Ruwel-Werk in Pfullingen durch den Einstieg des Ex-Ruwel-Eigentümers Bernd Zevens eine eigene Zukunftslösung gefunden war. Auch hat sich die Auftragslage in Geldern verändert, weil das Unternehmen trotz Insolvenz und Wirtschaftskrise einen neuen Großkunden gewinnen konnte. Und entscheidend war letztendlich auch, dass man einen strategischen Co-Investor aus Asien gefunden hat, der über Produktionskapazitäten in seiner Heimatregion verfügt und der neuen »Ruwel International GmbH« nun auch die Möglichkeit eröffnen wird, als »Global Player« am Leiterplattenmarkt aufzutreten.

Ruwel erhält eine neue Chance, die es jetzt zu nutzen gilt. Dass Ruwel überhaupt gerettet werden konnte, kommt für viele Mitarbeiter einem Wunder in letzter Minute gleich. Bereits im August war die Rettung zwar in greifbare Nähe gerückt, rund 180 verbliebene Kündigungsschutzklagen verhinderten jedoch die Zukunftslösung. Der Investor wandte sich ab. Gläubigerversammlung und Gericht beschlossen die Schließung und Restabwicklung des Unternehmens. Ab diesem Zeitpunkt haben sich die Ereignisse überschlagen. »Wir waren kurz davor, zur ‘Last Buy Oder’ aufzurufen«, sagt Ruwel-Sprecher Frank Hoiboom. »Allen verbliebenen Mitarbeitern war klar, wie Ernst die Lage ist.« Dennoch oder gerade deswegen kämpfte man weiter für die Rettung:

Die Belegschaft ergriff die Initiative und informierte in einer spontanen Aktion die freigestellten Kollegen daheim über die aussichtslose Situation. »Wir haben sogar Aufrufe im Lokalradio gestartet, um alle Kollegen zu erreichen, weil die Zeit so drängte«, sagt Hoiboom. Außerdem sammelte die Belegschaft unter Einkommensverzicht etwa eine halbe Million Euro für einen Solidarfond, um die Abfindung für die freigestellten Kollegen aufzustocken. Diese Solidarität motivierte den größten Teil der Klagenden, die Abfindungen anzunehmen. Die Rettung rückte wieder in Reichweite.

Bei vermittelnden Gesprächen mit NRW-Finanzminister Dr. Helmut Linssen und dem NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann fand man schließlich den Kompromiss: Mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat wurde ein Haustarifvertrag für Ruwel ausgehandelt, der unter anderem das bereits im vergangenen Jahr vereinbarte Entgeltniveau auch künftig absichert, sowie künftige Einkommenszuwächse und Prämien basierend auf dem Unternehmenserfolg. Ferner bleiben den Mitarbeitern die aus der bisherigen Tätigkeit bei Ruwel erworbene Ansprüche wie Kündigungsfristen und Betriebszugehörigkeitsjahre erhalten. In einer Betriebsvereinbarung wurde festgelegt, dass die geplanten Personalaufstockungen in absehbarer Zukunft bei entsprechender Qualifikation bevorrechtigt aus der Gruppe der freigestellten Mitarbeiter erfolgen sollen. Gemeinsam mit dem Betriebsrat werden dabei zusätzlich Kriterien der Sozialauswahl zugrunde gelegt.

Die neue »Ruwel International GmbH« mit 220 Mitarbeitern kann jetzt – mit einer Auftragsreichweite bis Ende Februar – in eine neue Zukunft starten. Die Resonanz auf das Überleben des traditionsreichen europäischen Leiterplattenherstellers fällt nahezu in der gesamten Branche äußerst positiv aus.


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