Der ZVEI-Chefvolkswirt im Gespräch mit Markt&Technik

Nach einer fulminanten Aufholjagd normalisiert sich das Wachstum

11. April 2012, 10:47 Uhr | Karin Zühlke
Dr. Andreas Gontermann, ZVEI: »Strukturell wie auch betriebswirtschaftlich sind wir in der Elektroindustrie sehr gut aufgestellt. Unsere Firmen haben im Durchschnitt eine Eigenkapitalquote von 40 Prozent, das sind 10 Prozentpunkte mehr als im Schnitt des Verarbeitenden Gewerbes insgesamt.«

Von der getrübten Stimmung zu Jahresanfang ist nur noch wenig zu spüren. Die Quartalsbilanzen der Elektrotechnik und Elektronikunternehmen verheißen in diesem Jahr wieder ein ganz normales Wachstum. »Die Stimmungsindikatoren signalisieren derzeit wieder Expansion«, erklärt ZVEI-Chefvolkswirt Dr. Andreas Gontermann und prognostiziert für dieses Jahr ein Plus von 5 Prozent

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Markt&Technik: Wie beurteilen Sie die Lage der Elektrobranche* derzeit?

Dr. Andreas Gontermann: Wir haben zwei sehr starke Jahre hinter uns, 2010 ist die Elektroproduktion um 14 Prozent gestiegen, letztes Jahr noch mal um 13 Prozent. Vor allem das erste Halbjahr 2011 war sehr stark, fast so schwungvoll wie 2010. 2010 und 2011 haben wir den drastischen Einbruch des Jahres 2009 so gut wie wettgemacht und so die Krisenverluste in nur zwei Jahren aufgeholt. Alles zusammengenommen normalisiert und verlangsamt sich das Wachstumstempo derzeit. Das war aber auch nicht anders zu erwarten nach dieser äußerst dynamischen Aufholjagd.

Wie ist die Stimmungslage bei den Unternehmen?

Die Stimmungsindikatoren hatten sich im zweiten Halbjahr 2011 eingetrübt: Exporterwartungen, Produktionspläne, Lagebeurteilung, allgemeine Geschäftserwartungen und das Geschäftsklima insgesamt waren insbesondere im Verlauf des 2. Halbjahres 2011 rückläufig. Aber spätestens seit Anfang dieses Jahres haben alle Indizes wieder ins Plus gedreht und nun mehrere Monate in Folge zugelegt. Die Zeichen stehen damit weiter auf Expansion.

Anfang des Jahres gab es viel Unsicherheit bzgl. der weiteren konjunkturellen Entwicklung: Wie ist die Situation aus Sicht Ihrer Mitglieder jetzt nach dem ersten Quartal?

Unseren eigenen Umfragen zufolge erwarten die Elektrounternehmen auch dieses Jahr weiteres Wachstum. Zwischen Januar und Februar 2012hat die Produktion im Jahresvergleich um 5 Prozent zugelegt, der Umsatz um 4 Prozent. Zwar sind die Auftragseingänge um dreieinhalb Prozent gesunken. Das ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass wir hier vor einem Jahr sehr hohe Zuwächse von einem Fünftel und mehr hatten.

Wie stark beeinflusst die Euro-Schuldenkrise unsere Industrie nach wie vor?

Der Fall Griechenland war immerhin der erste Zahlungsausfall eines Industrielandes seit 60 Jahren. Die Entwicklungen in Europa sind nicht ohne Spuren geblieben. Wir setzen nach wie vor zwei Drittel unserer Ausfuhren in Europa ab, ein Drittel geht unmittelbar in die Eurozone. Insoweit hat Europa als Absatzmarkt ein sehr hohes Gewicht. Die Exporte in den Euroraum waren insgesamt gesehen letztes Jahr nur leicht - um ein Prozent - rückläufig. Betrachtet man aber einzelne Länder näher, zeigen sich doch deutlichere Differenzen: Unsere Ausfuhren nach Italien und Spanien zum Beispiel haben deutlich verloren: Die Exporte nach Italien gingen um 4 Prozent zurück, die nach Spanien um 9 Prozent. Kompensiert wurde das im letzten Jahr durch überdurchschnittliche Export-Zuwächse etwa in den BRICS-Staaten oder den USA.

Nun geht es ja nicht nur um den Exportrückgang, als unmittelbar messbaren Indikator, sondern damit einher geht auch eine generelle Verunsicherung – wie wirkt sich nun der Schuldenschnitt für Griechenland aus?  

Der direkte Einfluss von Griechenland auf unser Exportgeschäft ist vernachlässigbar. Wir setzen nur ein halbes Prozent unserer Exporte in Griechenland ab. Griechenland spielt für die unmittelbare Entwicklung der Elektroausfuhren also keine Rolle. Der entscheidende Punkt ist aber doch, dass sich am Beispiel von Griechenland entscheidet, ob ein Euroland Pleite gehen kann oder nicht. Daraus könnten »Ansteckungseffekte« für andere defizitäre Euro-Länder entstehen.

Sie halten den Fiskalpakt also für gelungen?

Der Fiskalpakt ist grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung, um die grundlegenden Probleme anzugehen, nämlich die mangelnde Tragfähigkeit der Schulden und die  verloren gegangene internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit.

Was meinen Sie damit konkret? 

Ein Beispiel: Zwischen 1995 und 2010 ist die deutsche Elektroindustrie gemessen anhand der Erzeugerpreise um 22 Prozent preiswerter geworden. Gleichzeitig sind unsere Schwesterbranchen in Spanien und Italien um 18 und 12 Prozent teuerer geworden. Deutschland hat damit auch seine Wettbewerbsfähigkeit weiter gestärkt, während andere Länder an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben.
Deutschland hat mit seinen hohen Exportüberschüssen die Defizite der anderen mit finanziert und tut es weiter. Über Jahre hinweg wurden und werden also Ansprüche angehäuft. Wenn man diese Ansprüche allerdings nie wieder eingelöst bekommt, dann hat man ein schlechtes Geschäft gemacht.

Sie bezifferten in unserem letzten Interview im Herbst 2011 das voraussichtliche Wachstum für 2012 etwa mit 5 Prozent. Bleiben Sie bei dieser Prognose?

Ja - dieser Ausblick ist nach wie vor aktuell und bezieht sich auf die preisbereinigte Produktion.




*Unter dem Begriff »Elektro« fasst der ZVEI die beiden Segmente Elektronik und Elektrotechnik zusammen. 


  1. Nach einer fulminanten Aufholjagd normalisiert sich das Wachstum
  2. Risikofaktoren bleiben ...

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