Aber was haben nun Fälschungen eigentlich mit Obsolescence-Management zu tun? Die Antwort von Ulrich Ermel, Vorsitzender der COG Deutschland, bringt es auf den Punkt: »Abgekündigte Bauteile, für die es noch einen Bedarf im Markt gibt, heizen das Geschäft der Fälscher erst so richtig an.« Denn die Piraterie kommt schließlich erst dazu Bauteile zu fälschen, wenn sie sich einen Gewinn erwartet und dieser Gewinn ist eben am höchsten, wenn die Bauteile auf dem Markt nicht mehr verfügbar sind, weil dann auch die Preise in die Höhe getrieben werden.
Also: Keine Abkündigungen, keine Fälschungen? Nun - ganz so einfach ist die Schlussfolgerung natürlich nicht. Auch sehr begehrte Bauteile, Allokationen oder auch unvorhergesehene Ereignisse wie Naturkatastrophen – Fukushima ist hier ein erschreckendes Beispiel - sind ein Eldorado für den Grau-Markt. Aber auch Broker haben dann Hochkonjunktur wie Björn Bartels weiß, Senior Consultant und Obsolescence Management Lead bei der Unternehmensberatung ABSC: »Gerade in solchen Zeiten machen Broker ihr bestes Geschäft.« Broker und Produktfälscher in einen Topf zu werfen, wäre allerdings zu weit gegriffen. Denn es gibt natürlich auch freie Bauteilehändler, die weitgehend seriös agieren.
Hat der Hersteller einen Einfluss darauf, ob seine Produkte gefälscht werden? »Wenn ein Hersteller von vorne herein langfristig liefert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Produkte gefälscht werden zumindest deutlich geringer«, bekräftigt Rainer Flattich, Sales Director EMEA von Spansion. Überdies sieht er bei Speichern kein Problem, weil diese technisch so komplex sind, dass sie nicht einfach zu fälschen sind.
Fakt ist – und darin ist sich die Teilnehmer der Runde einig - durch proaktives Obsolescence-Management lassen sich zwar Fälschungen nicht vermeiden, aber viele Probleme umschiffen: »Ich kann Alternativen eindesignen und anhand von entsprechenden Software-Tools relativ gut vorhersagen, wann das Bauteil obsolet wird, kann einlagern, usw. Sicher lässt sich damit nicht jeder Einzelfall abdecken, aber eine Vielzahl schon«, fasst Bartels zusammen.
Richtig schwierig wird es dann, wenn ein Design zum Beispiel in Asien entwickelt wurde und - etwa aufgrund einer Produktionsrückverlagerung - zu einem deutschen Fertigungsdienstleister kommt. »Da sind dann oft haufenweise abgekündigte Komponenten im Design und die »passende« Ware ist dann auch nur aus unsicheren Quellen aus Asien beziehbar«, weiß Ermel.