Welche Anwendungssegmente sind typische Dampfphasen-Kandidaten?
Typische Dampfhasenkunden kommen aus den Bereichen Leistungselektronik, erneuerbare Energien und Elektromobilität, Automotive, Netzwerktechnologie, Luft- und Raumfahrt und medizinische Geräte. Auch die LED-Fertigung ist ein wichtiges Anwendungsfeld. Darüber hinaus ist unsere Technologie für 3D-MID-Baugruppen sehr gut geeignet.
Kurzum: Überall dort, wo hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit des Endproduktes gefordert ist, kann die Dampfphase ihre Vorzüge ausspielen, weil sie ein weitgehend lunkerfreies Löten ermöglicht und die Baugruppe verfahrensbedingt nicht überhitzt werden kann. Der Kunde läuft also nicht Gefahr, dass teure Baugruppen beschädigt werden. Wir haben dazu in den Maschinen drei Standard-Programme hinterlegt, die auf umfangreichen Erfahrungen basieren und schon ein großes Produktspektrum universell abdecken.
Der Kunde kann aber auch weitere individuelle Lötprogramme erstellen. Die Sensorik in der Maschine stellt sicher, dass die Parameter eingehalten werden. Inzwischen ist die Anforderung des lunkerfreien Lötens aber auch in der Standard-Elektronik angekommen, nicht zuletzt weil es die Lebenszeit des Produktes verlängert und seine Leistungsfähigkeit erhöht.
Dampfphasenlöten wird gerne in der Auftragsfertigung – also bei EMS-Dienstleistern – eingesetzt. Warum?
Das Verfahren hat Vorteile, die in anderen Verfahren so nicht zu finden sind. Ein wichtiges Kriterium ist die hohe Flexibilität, die es bietet. Sie müssen einfach nur ein anderes Programm laden, dann ist die Maschine auf ein neues Produkt eingestellt. Wir haben im Gegensatz zum Konvektionslöten keine Prozess-Zonen, die wir aufwändig einstellen müssen. Bei uns ist die Prozesszone aufgrund des dort vorhandenen Dampfs kontinuierlich produktionsbereit, ohne dass es auf das jeweils zu lötende Produkt ankommt. Die Anlage ist daher schon produktionsbereit, wenn der Kunde im Zuge eines Produktwechsel die übrige Fertigungslinie umrüstet. Und das ab Losgröße 1.
Für den EMS kann die Dampfphasen-Technologie durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein, weil er sich damit neue Kundenzielgruppen mit sehr anspruchsvollen Baugruppen erschließen kann. Ein weiterer Vorteil der Dampfphase – natürlich nicht nur für den EMS – ist die Tatsache, dass Sie verfahrensbedingt ein Produkt in der Maschinen löten können, ohne vorher aufwändige Tests durchzuführen. Das spart natürlich enorm viel Zeit und Geld.
Im Vergleich mit der konventionellen Löttechnik ist die Dampfphase aber auch teurer – limitiert das die Einsatzmöglichkeiten im Feld?
Es kommt darauf an, wie und mit wem Sie unsere Technologie vergleichen. Wenn Sie uns mit einem deutschen Konvektionsanlagenhersteller vergleichen, der etwa auch mit Stickstoffmodulen arbeitet, sind wir keinesfalls teurer. Und wenn Sie es auf die TCO hin betrachten, dann sind die Betriebskosten bei der Dampfphase niedriger als bei einer Konvektionslötanlage, weil die Dampfphase viel weniger Energie benötigt. Unsere Technologie ist also auch umweltfreundlicher. Unser Betriebsmittel wird immer wieder in der Maschine gefiltert, so dass die Verluste auf ein Minimalmaß reduziert werden. Wir rechnen z.B. mit einem Verbrauch von 10 bis 20 Gramm pro Betriebsstunde bei einer Inlineanlage im Dauerbetrieb.
Wo stößt die Dampfphase an ihre Grenzen?
Die Dampfphase kommt an ein Durchsatz-Limit. Der Prozessraum wird gefüllt, und die Produkte bleiben für die Zeit der Lötung dort stehen. Die Technologie hat eine physikalisch bestimmte Zykluszeit, und die muss eingehalten werden. Eine kleine Leiterplatte ohne anspruchsvolle Elektronik, die bei der Konvektion etwa in 9 Sekunden gefahren wird, kann man in der Dampfphase so nicht realisieren. Hier müsste z.B. durch Verwendung von Nutzen ein entsprechender Füllgrad der Anlage hergestellt werden. Wenn der Kunde noch dazu die in der Dampfphase erreichbare Qualität der Lötstelle nicht zwingend benötigt, dann kommt die Dampfphase nicht zum Zug.
Ein weiteres Gegenargument ist, dass ein Kunde für sein Produkt bereits die Konvektion qualifiziert hat und nun beim Umstieg aufwändig re-qualizieren müsste. Aber viele, die sich mit dem Löten beschäftigen, ziehen inzwischen die Dampfphase von Anfang an in Betracht. Unser Kundenfeld setzt sich zu etwa 50 Prozent aus Umsteigern und 50 Prozent aus „Beginnern“ mit Dampfphase zusammen. Und wir sehen, wie gesagt, dass sich immer mehr bestehende Elektronikfertigungen weltweit mit dem Dampfphasen-Verfahren beschäftigen.
Ist die Dampfphase also in Zukunft DAS Mittel der Wahl?
So pauschal lässt sich das nicht beantworten. Wir sehen uns als Hersteller eines unterstützenden Verfahrens, das die Konvektion aber nicht ersetzen soll. Das Dampfphasenlöten ist ein Verfahren, das zum Produkt passen muss. Es kann sein, das sich Produkte weiterentwickeln, so dass der Kunde sich dann irgendwann im Produktlebenszyklus für die Dampfphase entscheidet. Aber natürlich gibt es auch weiterhin Produkte, die eine Dampfphase nicht benötigen oder sehr hohe Taktzeiten erfordern, z.B. in einer High-Runner-Linie. Anders ist das beim Vakuumlöten, das wir ja auch anbieten. Dies kommt auch im Durchsatz durchaus an das Konvektionslöten heran. Aber wir haben auch Kunden, die ausschließlich auf Dampfphase setzen. Es kommt also immer auf das Kunden- bzw. Produktspektrum des Fertigers an.
Sie produzieren derzeit ausschließlich am Stammsitz in Königsbrunn bei Augsburg. Warum setzen Sie auf diese lokale Fertigung?
Wir setzen auf eine lokale Zulieferkette und pflegen sehr enge Kontakte zu unseren Lieferanten. Unsere Schlüssel-Zulieferer kommen alle aus der Umgebung.
Wie tief geht Ihre eigene Wertschöpfung?
Unsere Kernkompetenz liegt in der Entwicklung und Konstruktion der Maschinen und in der Maschinen-Fertigung. Die Anlagenverkleidungen etwa bekommen wir fertig zugeliefert. Eine besondere Stärke – oder auch USP – sehen wir in unserer hauseigenen Software-Abteilung. Die Software wird komplett inhouse entwickelt. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass das Know-how bei uns im Haus gehalten wird.
Wie stehen Sie dem Trendthema Industrie 4.0 gegenüber?
Wir haben Schnittstellen und können dem Kunden bereits Lösungen bieten. Aber es steht bei uns auf der Entwicklungsagenda, diesbezüglich weitere Innovationen auf den Markt zu bringen. Die Mensch-Maschine-Schnittstelle ist ein Thema, das immer wichtiger wird. Denn die Maschine muss dem Bediener immer mehr abnehmen.
Neueste Entwicklungen in der Steuerungstechnik könnten es im Zuge von Industrie 4.0 möglich machen, dass die Maschine sich selbst reguliert. Inwieweit ist das für Ihren Prozess relevant?
Die Dampfphase ist ein Prozess, in den der Anlagenbediener gar nicht eingreifen soll, denn die physikalischen Gegebenheiten sind von vorne herein gegeben und stellen einen zentralen Aspekt des eigensicheren Lötprozesses dar. Die Dampftemperatur entspricht der Siedetemperatur der Prozessflüssigkeit. Diese schließt die Baugruppen nach Kondensation vollständig und sauerstofffrei ein, und über den Flüssigkeitsfilm wird die Energie auf die Baugruppe übertragen. Die Menge an Dampfmolekülen definiert auf den Punkt genau, zu welchem Zeitpunkt die Baugruppe welche Energie abbekommt. Deshalb ist für uns die Frage, inwieweit von außen auf den Prozess zugegriffen werden kann, im Grunde kein Thema. Mit unserer Neuentwicklung, dem Dynamic Profiling, gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Eigenüberwachung der Maschine.
Was ist das genau?
Das Dynamic Profiling stellt während des Prozesses eine Eigenüberwachung sicher. Das funktioniert so: Das Regelsystem Dynamic Profiling erlaubt die Echtzeitmessung jedes Lötvorgangs auf Produktebene und die automatische Erstellung und Regelung des Lötprofils. Zu diesem Zweck kommt ein Messnormal zum Einsatz, das zusammen mit dem Lötgut in der Anlage erwärmt wird. Die Temperaturprofile von Messnormal und Produkt sind nahezu identisch. So lässt sich zerstörungsfrei das Temperatur- und Aufwärmverhalten des Produkts ermitteln und protokollieren. Vor jedem Lötvorgang wird die Temperatur des Messnormals durch aktive Kühlung an die Temperatur des Produkts – Raumtemperatur – angeglichen. Das Verhalten des Messnormals wird als Stellgröße zur aktiven Profilregelung während des gesamten Lötvorgangs verwendet. Damit lassen sich Einflüsse auf den Prozess ausgleichen, die beispielsweise durch unterschiedliche Beladung oder durch unterschiedliche Temperatur bei Verwendung eines Werkstückträgers verursacht werden.
Dynamic Profiling ist für uns ein weiteres Feature, um Fehleranfälligkeit zu vermeiden und es für den Anwender leicht zu machen, diese Technologie einzusetzen.
Eine weitere Innovation aus Ihrem Haus ist das Multi-Vakuum, um auf bestimmte Anforderungen der Baugruppen zu reagieren. Was kann diese Technologie?
Wir haben kürzlich auf der productronica unser Multi-Vakuum-Inline-Lötsystem VP7000 vorgestellt. Diese Anlage ist die einzige auf dem Markt verfügbare werkstückträgerlose Inline-Anlage für das Dampfphasenvakuumlöten. Durch das Multi-Vakuum lassen sich bei besonders massereichen Baugruppen noch bessere Ergebnisse erzielen. Im Multi-Vakuum-Lötprozess wird eine Baugruppe während eines Lötvorgangs mehreren Vakuum-Anwendungen unterzogen. Dabei bietet das Multi-Vakuum-Verfahren die Möglichkeit, Vakuumprozesse sowohl vor als auch während des Aufschmelzens der Lotpaste auszuführen.
Vakuumprozesse vor Erreichen der Liquidustemperatur eignen sich besonders, um beim Fügen der Lötpartner entstandene Lufteinschlüsse z.B. infolge Ausschöpfens der Lotpaste beim Rakelvorgang schon vor dem Aufschmelzen der Lotpaste zu entfernen. Auf diese Weise wird dieses Lunkerpotential schon vor Beginn des Erwärmungsprozesses eliminiert. Im weiteren Fertigungsprozess verbleiben damit als Hauptursache für gasförmige Lunker in der Lötstelle im Wesentlichen Ausgasungen aus Bauteilen, Leiterplatten und Basismaterialien sowie reaktives Gas, das während des Entfernens der Oxydschichten durch das Flussmittel freigesetzt wird. Um diese Lunker aus der noch flüssigen Lötstelle effektiv zu entfernen, kann durch das Multi-Vakuum-Verfahren eine Baugruppe in kurzfristiger Abfolge mehreren unabhängig steuerbaren Vakuumprozessen unterzogen werden. Durch ein mehrfaches aufeinanderfolgendes Evakuieren werden Lufteinschlüsse in der Lötstelle so bewegt, dass sie in die Randbereiche der Lötstelle gelangen und sich dort sehr effektiv entfernen lassen. Vor allem bei großflächigen Lötverbindungen können damit signifikant mehr Lufteinschlüsse entfernt werden als mit lediglich einem einzelnen Vakuumschritt. Die Qualität der Lötung erreicht also ein bisher unerreicht hohes Niveau.
Sie arbeiten weltweit mit Vertriebs- bzw. Handelspartnern. Ihre Anlagen sind inzwischen sogar bis nach Australien vorgedrungen. Gibt es spezielle Länder, wo Sie noch besonderen Nachholbedarf bei der Verbreitung der Dampfphasen-Technologie sehen?
In Afrika und Indien ist beispielsweise die Dampfphasen-Technologie noch nicht weit verbreitet, hier haben wir aber in den letzten Jahren verstärkt das Interesse an dieser Technologie festgestellt.
Wie würden Sie Ihre strategischen Ziele für dieses Jahr zusammenfassen?
Wir sind ein Familienunternehmen und 100 Prozent in Privatbesitz, sind also nicht durch äußere Zwänge wie den Shareholder Value getrieben. Wir wollen weiterhin ein kontinuierliches Wachstum erreichen, was uns in den letzten Jahren gut gelungen ist. Innovative Produkte zum Nutzen unserer Kunden bleiben dabei mit unser wichtigstes Ziel.