Parylene-Beschichtung vom EMS

»Die Kunst liegt im Prozess«

22. Januar 2018, 13:04 Uhr | Karin Zühlke
Parylene-Beschichtungen erfüllen zentrale Anforderungen, insbesondere bei der chemischen Beständigkeit gegenüber aggressiven Medien und flüssigen Kohlenwasserstoffen (Benzin, Diesel, Glykol)...
© Heicks

Baugruppen für die Luftfahrt sind das Spezialgebiet von Heicks Industrieelektronik. Als Alleinstellungsmerkmal kann der EMS-Dienstleister ein „Zertifizierungs-Doppel“ nach DIN EN ISO 9001:2008 und EN 9100:2009 vorweisen.

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Sowohl die EMS-Dienstleistung als auch die hauseigene Parylene-Beschichtung sind nach diesen Qualitätsnormen zertifiziert.

Mit rund 120 Mitarbeitern gehört Heicks zum EMS-Mittelstand in Deutschland und hat in den letzten Jahren sein Geschäft aufgrund der kontinuierlich steigenden Umsätze weiter ausgebaut. Der EMS-Experte bietet einen Rundum-Service an: Materialbeschaffung, Fertigung, Prüfung, das Reinigen bzw. Waschen von Baugruppen, Lackieren und Vergießen. Zum Portfolio gehören sämtliche Standard-Beschichtungsverfahren – insbesondere auch der Parylene-Prozess. Alle genannten Services gibt es in Kombination, aber auch einzeln. Die für kritische Applikationen wie Luftfahrt geforderte Traceability stellt Heicks mittels eines ERP-Systems sicher, das jeden einzelnen Produktionsschritt nachvollziehbar macht bis hin zur eindeutigen Chargen-Rückverfolgbarkeit auf Bauteileebene. Heicks fertigt Prototypen, Vorserien bis hin zu Low-Volume-High-Mix-Serien.

Besonders gut kommt die Kombination aus Luftfahrt-Zertifizierung für EMS und Parylene an, erklärt Geschäftsführer Rudolf Heicks. »Parylene und benachbarte Prozesse haben uns geholfen, auch neue Kunden im EMS-Segment zu gewinnen.« Wer den Parylene-Prozess beherrscht, ist sehr gefragt hierzulande und darüber hinaus. Um das große Interesse zu decken, hat Heicks im vergangenen Jahr eine weitere Parylene-Maschine hinzugekauft. »Je nachdem, wie groß die Baugruppen sind, können wir einige tausend Baugruppen in Serie beschichten«, so Heicks. Mit der Parylene-Beschichtung beschäftigt sich neben dem Geschäftsführer Rudolf Heicks ein eigenes Spezialisten-Team. »Wir wurden von der IHK als Europa-Marktführer ausgezeichnet, weil kein anderer Dienstleister die Kombination aus Luftfahrtfertigung, Parylene-Beschichtung nach der Luftfahrtnorm und die selektive, prozesssichere Entfernung mittels Laser bieten kann«, berichtet Heicks stolz.

Mysterium Parylene

Der Einsatz von Parylene erstreckt sich auf hochwertige Baugruppen aus Luftfahrt, Bahntechnik, Bergbau, Elektromobiliät oder auch eBikes. »Dadurch, dass Parylene teurer ist als herkömmliche Beschichtung, ist der Einsatz auf höherwertige Elektroniken begrenzt. Durch NDAs bedingt können wir aber leider keine detaillierten Auskünfte über Baugruppen von Kunden geben«, erläutert Heicks.

Heicks beschäftigt sich seit etwa zwölf Jahren mit Parylene und ist damit einer von wenigen Anbietern in Deutschland. Wer sich die Expertise erarbeitet hat, hütet sie wie einen Schatz. »Die Zahl derer, die Parylene einsetzen, ist seit zwei Jahren gestiegen, nicht zuletzt auch durch unsere Aufklärungskampagnen über Vorträge. Auf einer Fertigungsmesse wurde der Begriff Parylenebeschichtung sogar als neue Nomenklatur in den Messekatalog aufgenommen«, erinnert sich Rudolf Heicks. »Aber wir sehen noch viel Luft nach oben.«

Das Verfahren gibt es bis heute nicht als Standard-Prozess, der in einem „Kochbuch“ nachzulesen ist. Die öffentlich zugänglichen Informationen sind rar gesät. Wer sich auf dieses Terrain vorwagt, muss sich das Wissen im Wesentlichen selbst erarbeiten und als Betriebsgeheimnis hüten.

Üblicherweise werden Flachbaugruppen mit epoxid-, urethan-, silikon- und acrylhaltigen Lacksystemen vor Umwelteinflüssen geschützt. Oft reicht die Schutzwirkung bei hohen Beanspruchungen jedoch nicht aus. Was macht nun Parylene so interessant für die Elektronikindustrie? Viele gängige Oberflächenbeschichtungen haben ein hohes Gewicht oder lassen sich nicht einheitlich und frei von Fehlstellen auftragen. Parylene-Beschichtungen hingegen wiegen fast nichts, bilden eine homogene Schichtdicke und sind trotzdem äußerst robust gegen raue Umwelteinflüsse – sogar gegen Salzwasser. Dabei ist das Material absolut biokompatibel: Es enthält weder Lösungsmittel noch Weichmacher.

Parylene lässt sich auch über einen bestehenden Verguss ziehen oder umgekehrt als Fundament für den Verguss verwenden. Parylene hat keine stützende Wirkung und ist nicht dauerhaft UV-beständig. Insofern empfiehlt sich bisweilen auch eine Kombination aus mehreren Beschichtungsverfahren.

Das geringe Gewicht macht Parylene besonders interessant für den Luftfahrt-Bereich: »Wenn so eine Baugruppe 18 Stunden pro Tag 30 Jahre lang in der Luft ist, dann fällt die Beschichtung buchstäblich ins Gewicht«, schildert Heicks. »Wir stellen daher fest, dass die Luftfahrt-Industrie zunehmend auf Parylene setzt.« Parylene hilft zudem dabei, die Whiskerbildung auf Baugruppen zu unterdrücken: Sie dringt durch kleine Ritzen, Spalten und Vias. Deshalb ist allerdings auch der Aufwand des Maskierens sehr hoch und bestimmt einen Großteil des Preises.

Warum ist Parylene besser als Lackieren? »BGAs lassen sich mit Lacken nicht vollständig benetzen, sprich ein Lack wird nicht jeden einzelnen Ball beschichten. Dadurch, dass Parylene ein Kunststoffgas ist, lässt sich mit Parylene auch ein BGA prozesssicher komplett beschichten – also auch unterhalb des BGA. Die Parylene wird nahezu gleichmäßig abgeschieden«, erläutert Heicks. Auch ein Lackierroboter ist laut Heicks nicht in der Lage, Lacke so gleichmäßig aufzutragen, dass keine minimal unterschiedliche Schichtdicke entsteht und Kantenfluchten vermieden werden.

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Rudolf Heicks, Heicks Industrieelektronik: »Parylene und benachbarte Prozesse haben uns geholfen, auch neue Kunden im EMS-Segment zu gewinnen.«
© Heicks

  1. »Die Kunst liegt im Prozess«
  2. Beschichtung im Vakuum

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