Sie haben letztes in Ihrer Rolle als ZVEI-Fachverbandsvorsitzender angedeutet, dass Sie der Ansicht sind, die Branche habe die Talsohle durchschritten. Woran machen Sie das fest?
Ich stütze mich zu einen auf viele nationale und internationale Prognosen. Zum anderen habe ich unzählige Gespräche mit Kunden sowie Lieferanten und Verbänden geführt.
Diese Dialoggespräche in meinem umfangreichen Netzwerk haben mich in meiner persönlichen Einschätzung bestärkt, die auf meiner Erfahrung aus über vier Jahrzehnten in der Elektronik- und EMS-Branche beruht. Erfreulicherweise legt seit Juli 2020 die Automotive-Branche wieder zu.
Eines Ihrer prägnantesten Zitate lautet „Der Markt gibt den Takt vor“ – hat sich dieser Takt in Anbetracht der Corona-Krise aus Ihrer Sicht verändert?
Im Jahr 2020 hat uns allen ein Virus den Takt vorgegeben. Das war nicht vorherzusehen und hat uns mal wieder gezeigt, dass wir die Zukunft einfach nicht voraussagen können. Es hat uns aber auch gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung ist. Die Zukunft voraussagen müssen wir auch nicht, aber wir müssen gut vorbereitet sein, so zum Beispiel auf die digitale Transformation. Dann können wir uns schnell auf Herausforderungen einstellen. Ich sage auch oft: „Den Wind werden wir nicht ändern, aber es ist unsere Aufgabe, die Segel richtig zu setzen.“ So müssen wir uns auch weiterhin auf Forderungen des Marktes einlassen: die richtige Richtung einschlagen, um die Dynamik zu nutzen und unsere Kunden zu begeistern.
Welche Lehren ziehen Sie bzw. Zollner Elektronik aus der Coronakrise?
Wir sind in der Krise der Maxime „Agieren ist besser als reagieren“ gefolgt und haben damit gute Erfahrungen gemacht. Es war sehr wichtig, ein bereichsübergreifendes Team zu organisieren – unsere Corona-Taskforce –, das sich konkret mit diesem Thema befasst. Obwohl sich die Ereignisse weltweit überstürzt haben, ist es der Taskforce gelungen, über das unmittelbar Notwendige hinauszudenken und einen Notfallplan zu entwickeln und übers Jahr weiterzuentwickeln.
Die Pandemie hat auch gezeigt, wie wichtig offene Kommunikation ist – intern wie extern. Viele der Notfallmaßnahmen haben Einschränkungen für unsere Mitarbeiter mit sich gebracht. Wir waren in der Pflicht, ihnen zu erklären, weshalb wir das tun. Ich bin der Meinung: Transparenz schafft Vertrauen. Das gilt auch für den Austausch mit Geschäftspartnern, insbesondere Kunden und der ganzen Branche. Für mich waren diese Gespräche innerhalb der Elektronik- und EMS-Branche sehr lehrreich. Sie haben zudem die Bindung und das Vertrauen in dem umfangreichen Netzwerk untereinander gestärkt.
Unsere globale Aufstellung hat sich in der Pandemie bezahlt gemacht. Außerdem hat uns dieses Jahr gezeigt, dass wir mit der Digitalisierung unserer Geschäftsprozesse, die wir schon vor längerer Zeit eingeleitet haben, auf einem guten Weg sind. Wir sollten die Digitalisierung weiter forcieren, um unsere Supply Chain und unsere Produktion widerstandsfähiger gegen Einflüsse von außen zu machen. Das schließt auch die Digitalisierung unserer Kommunikation und unserer Arbeit ein: Mobiles Arbeiten und Homeoffice haben es uns erlaubt, unseren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Wir haben wie in einem großen Feldversuch gesehen, dass es funktioniert, und unsere Mitarbeiter haben großartig mitgemacht und für sich ebenfalls Vorzüge entdeckt.
Sie haben nicht nur das Unternehmen Zollner, sondern die ganze EMS-Branche geprägt. Was würden Sie als Ihre größten Meilensteine bezeichnen?
Dazu fallen mir sehr viele Ereignisse und Themen ein, ich denke wichtig ist hier vielmehr meine Grundhaltung, für Verlässlichkeit und Kontinuität zu stehen und gleichzeitig stets offen für Neues zu bleiben. So konnte ich das Vertrauen der Kunden gewinnen und ihnen einen Mehrwert bieten. Meine größte Motivation war es die ganze Zeit hindurch, mit bestehenden Kunden zu wachsen und neue Kunden zu gewinnen sowie mit unseren Dienstleistungen zu begeistern.
Ein wichtiges Anliegen ist mir zudem Industrie 4.0 in der Elektronikindustrie. Wir haben die digitale Transformation bei Zollner Elektronik früh vorangetrieben, weil sie für den zukünftigen Erfolg eines Unternehmens in unserer Branche essenziell ist. Die Digitalisierung ist bei uns in vollem Gange und wird nach und nach sämtliche Geschäftsprozesse bei Zollner erfassen. Einen Aspekt dabei möchte ich herausgreifen: die gesamtheitliche Traceability.
Bereits im Jahre 2004 haben wir bei Zollner begonnen, die gesamtheitliche Traceability in die Supply Chain zu integrieren und weltweit an allen Produktionsstandorten auszurollen, um bei unseren Produkten und Prozessen eine lückenlose Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten und die Vorteile zu generieren und das Risiko zu minimieren.
Der Bedeutung der Traceability trägt auch ein Leitfaden Rechnung, den ich vor 16 Jahren initiiert habe und der ZVEI herausgegeben hat. Es ist nach wie vor der einzige Leitfaden weltweit, der sich dem Thema Traceability widmet. Im Dezember 2020 wird eine Ergänzung zu diesem ZVEI-Traceability-Leitfaden veröffentlicht, der die Details in 4 Level beschreibt.
»Ein Verband gibt mehr zurück, als man gibt.«
Apropos ZVEI – als Vorsitzender des ZVEI-Fachverband PCB&Electronic Systems waren Sie seit 2017 ja sozusagen an vorderster Front. Was bedeutet Verbandsarbeit für Sie?
Die Verbandsarbeit war mir eine Herzensangelegenheit. Ich bin überzeugt, dass durch den regelmäßigen Austausch und aktive Mitarbeit in den Arbeitskreisen alle profitieren, die einzelnen Unternehmen ebenso wie die gesamte Branche. Der Aufbau eines überregionalen Netzwerks war mir eine große Freude und hat für alle einen Mehrwert generiert.