Zehn Monate nach der Übernahme: Wie sieht Ihr Fazit bislang aus?
Gilles Benhamou: Die ersten sechs Monate waren wir damit beschäftigt, das Unternehmen und die Kultur zu verstehen und in unsere Organisation zu integrieren. Wir wollen natürlich nicht die Kultur verändern, sondern die neuen Gesellschaften schrittweise an unsere Prozesse und Systeme gewöhnen. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang unser Asteelflash Excellence System: AES beinhaltet Methoden, auf deren Basis wir Kundenzufriedenheit sicherstellen und ausbauen werden.
Was ist damit genau gemeint?
Hans Magon: Dieses Management-System besteht aus mehreren Bestandteilen, mit denen wir die Zufriedenheit unserer Kunden nachhaltig sichern werden. Zum einen sind das Lean Management und Qualität: EN war sehr darauf bedacht, ISO-Normen einzuhalten; die Asteelflash Gruppe ist sehr erfahren im Automotive-Sektor und pflegt die Kaizen-Mentalität der kontinuierlichen Verbesserungen. Hinzu kommt das strategische Personalmanagement, außerdem Technology und Design: Darunter verstehen wir, DFX als Standard-Prozesse und Dienstleistung für unsere Kunden zu implementieren und Produktions- und Testprozesse auf den Kundenbedarf anzupassen. Ein weiterer Baustein ist das Global Material Supply Chain Management: Dabei geht es darum, unsere Einkaufsstellung als Konzern für unsere Kunden optimal nutzen zu können. Das alles sind nicht nur Prozesse, sondern entsprechen einer Kultur, die von jedem Mitarbeiter getragen werden muss.
Inwieweit agiert die deutsche Gesellschaft weiter selbständig?
Gilles Benhamou: Lokale Manager haben bei uns die volle Verantwortung für ihre Länder, aber natürlich müssen wir gemeinsam als Team unsere Strategie verfolgen. Wir geben dem Management alle Tools an die Hand, so dass der Kunde weltweit dieselben Standards und dieselben Systeme bei uns vorfindet.
Hans Magon: »Business is local« - dieser Satz ist in der Gruppe voll verstanden. Die Verantwortung für den Kunden besteht lokal. Wir haben eine Corporate-Struktur, die sehr »lean« organisiert ist, die Regionen unterstützt und dabei hilft, globale Strategien umzusetzen. Ein weiterer wertvoller Beitrag liegt im Benchmarking der nationalen und regionalen »Best Practices«. Corporate unterstützt die jeweiligen Regionen dabei, von den Besten zu lernen und erprobte Produkte und Prozesse einzuführen.
Die Vereinheitlichung der Systeme in den neuen Asteelflash-Gesellschaften geht aber doch nicht von heute auf morgen?
Hans Magon: Die Systemvereinheitlichung wird bis 2015 komplett umgesetzt sein. Aber auch wenn wir zum Teil mit unterschiedlichen ERP-Systemen arbeiten, so erbringen wir unsere Dienstleistungen auf der Basis von standardisierten, auf die jeweiligen Kunden angepassten Prozessen.
Der Trend im EMS-Segment geht immer weiter in Richtung tiefere Wertschöpfung und mehr Dienstleistung aus einer Hand: Wo liegen die Schwerpunkte von Asteelflash?
Gilles Benhamou: Ganz klar im Engineering und der Produktion. Baugruppen-Fertigung kann jeder. Der Unterschied liegt in den Engineering-Fähigkeiten und unserem Elektronik-Wissen, mit dem wir den Kunden dabei unterstützen, sein Produkt DFM-fähig zu entwickeln. Das ist unsere Kernaufgabe. Wir sind nicht nur ein Subcontractor, der seinen Job macht, sondern wir konzentrieren uns wirklich auf die Partnerschaft. Das spiegelt sich auch in unserem Kunden-Portfolio wider: Wir planen neben unseren nationalen Kunden 50 bis 200+ international agierende, strategische Kunden als Maximum. Uns geht es nicht darum, möglichst viele Kunden zu haben, sondern einem begrenzten Kundenkreis die größtmögliche Unterstützung zu bieten. Das geht bis zur kompletten Produktintegration des Kunden und bis hin zur Auslieferung an die Kunden unserer Kunden.
50 bis 200 Kunden sind aber nicht viel.
Hans Magon: Das täuscht. Viele unsere Kunden sind international agierende Konzerne, die in der eigenen Firmengruppe eine Vielzahl Firmen, Marken, Industriesegmente oder auch Joint Ventures betreiben.
Heißt das für Sie in Deutschland, dass die typischen Industrie-Startups nicht zur Zielgruppe gehören?
Hans Magon: Nein, das heißt es nicht. Auch Startups können für uns sehr interessant sein. B2C bzw. High Volume / Low Mix ist ein Bereich, in dem wir uns nicht positionieren können. Einen wesentlichen Benefit aber bieten wir international agierenden Unternehmen, denen wir unser gesamtes Produktions- und Service-Spektrum lokal bieten können.
Wie viele Kunden haben Sie derzeit in Ihrer Division?
Hans Magon: Der Hauptumsatz, den wir in der Deutschland- und Osteuropa-Division generieren, basiert auf 20 Kunden. Wir betreuen aber etwa 70 weitere Kunden.
Gibt es eine Mindestproduktionsstückzahl?
Hans Magon: Das lässt sich so nicht sagen und kommt auf das Produkt an. Wir haben zum Beispiel sehr komplexe Einzelproduktionen, die in der Herstellung eine Mann-Woche beanspruchen können.
Wie weit geht die Entwicklungsunterstützung von Asteelflash?
Gilles Benhamou: Wir unterstützen die Kunden natürlich mit Engineering-Kompetenz voll umfänglich dabei, ihre Designs nach den DFX-Grundprinzipien auszulegen. Wenn es um die Entwicklung an sich geht, so verfolgen wir aber die Strategie, dass wir weltweit mit Partnern zusammenarbeiten, die jeweils Spezialisten in den vertikalen Märkten sind. Designs im Sektor Defense, Security und Aerospace decken wir mit unserem Joint Venture Adetel ab, die entwickeln aber ausschließlich für die genannten Bereiche.
Hans Magon: Hinzu kommt die EN-Entwicklungsgesellschaft, die vor allem im Industriebereich Kompetenzen hat, die wir weiter ausbauen wollen. Wenn man den gesamten potenziellen Bedarf unserer Kunden betrachtet, dann können wir diese Bandbreite nicht ausschließlich über eine eigene Entwicklungskompetenz abdecken. Hier greift dann, wie Herr Benhamou schon erklärt hat, unsere Partnerstrategie.