Abgesehen vom Megatrend „Industrial Ethernet“ gibt es viele weitere Marktströmungen in Bezug auf die industrielle Verbindungstechnik. An einer Schnittstelle kommt die Industrie aber definitiv nicht vorbei: am Steckverbinder-Typ M12 in all seinen Ausprägungen. Er erfüllt die Kundenanforderungen nach Reduzierung von Kosten – Stichwort Standardisierung –, Miniaturisierung und verbesserte Handhabung. Und auch übertragungstechnisch hat sich diese bewährte Schnittstelle in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt. Möglich ist beispielsweise mit dem M12-X-kodiert eine High-Speed-Datenübertragung bis 10 GBit/s in industrietauglichem Design. Das Konzept ist sogar so gut, dass auch eine spätere 100-GBit/s-Variante denkbar ist.
Der M12 liegt wieder voll im Trend
»Der Steckverbinder M12 ist ein gutes Beispiel für ein Produkt, das seit Jahrzehnten auf dem Markt ist und dennoch immer wieder großes Entwicklungspotenzial aufweist«, veranschaulicht Manuela Gutmann von Yamaichi Electronics. »Es ist erstaunlich, wie viel Know-how in dieser einen Schnittstelle steckt! Der M12 ist ein absolutes Erfolgsmodell«, freut sich die Expertin. Er ist der verbreitetste Steckverbinder in industrieller Umgebung – und dennoch weiter auf dem Vormarsch, sowohl im Bereich der Datenübertragung bis 10 GBit/s sowie neuerdings auch in der Leistungsversorgung.
Alle namhaften Hersteller von Rundsteckverbindern bieten mittlerweile M12-Stecker für die Leistungsübertragung an, die schnell vom Markt angenommen werden. Treiber sind einmal mehr die Miniaturisierung und Standardisierung. Auf kompakter Fläche kann man mit dem M12 genug Leistung übertragen, um selbst kleine Servomotoren betreiben zu können. Dass der so genannte „M12 Power“ ein innovativer Steckverbinder ist, veranschaulicht Michael Lüdke von Phoenix Contact: »Der kompakte Steckverbinder bietet eine Stromtragfähigkeit bis 16 A. Er ist physikalisch bis an die Grenzen des Machbaren ausgereizt – viel mehr geht einfach nicht.« Der M12-Leistungssteckverbinder kann zum Beispiel die 7/8-Zoll-Anschlusstechnnik ersetzen oder den wesentlich größeren M23-Stecker. Das bedeutet, dass der Kunde mit einem Standard-Produkt nun seine Anschlusstechnik und zum Teil ganze Geräte miniaturisieren kann.
Eine weitere interessante Entwicklung bei den metrischen Steckverbindern ist der Y-codierte M12-Stecker, der für eine hybride Übertragung von Daten und Leistung ausgelegt ist. Phoenix Contact hat diesen Steckverbinder bereits vor knapp sechs Jahren auf den Markt eingeführt, »allerdings war das Interesse in den ersten Jahren sehr verhalten«, räumt Michael Lüdke ein. »Aber das ändert sich nun allmählich, zumal auch andere Steckverbinder-Hersteller den hybriden Typen in ihr Programm aufgenommen haben. Auch die Kabelhersteller stehen mit den Kunden im Gespräch, so dass die Preise für die erforderlichen Kabel fallen. Das ist der Vorteil der Standardisierung«, sagt Michael Lüdke, der davon ausgeht, dass nun die hybride Übertragung einen weiteren Schub bekommt. Der hybride M12-Gerätesteckverbinder kann Daten bis 100 MBit/s und Leistungen bis 6 A über nur eine Schnittstelle übertragen.
Geht’s noch kleiner?
»In fast allen Bereichen setzt sich der Trend zur Miniaturisierung weiter fort«, betont Joachim Pfleiderer von Amphenol Tuchel Industrial. »Schaltschränke werden kleiner, die Energieversorgung erfolgt oft dezentral. Das hat zur Folge, dass zwangsweise die Schnittstellen kompakter werden müssen! Den Trend zur Miniaturisierung sehe ich derzeit zum Beispiel auch stark im Bereich der Bahntechnik. Diese Branche will nicht nur kleinere Steckverbinder einsetzen, sondern auch Gewicht einsparen.« Der Industrie-Markt stelle in manchen Bereichen mittlerweile ähnliche Anforderungen wie die Automobil-Industrie, so Joachim Pfleiderer. Ein weiteres Beispiel für die fortschreitende Miniaturisierung der Verbindungstechnik nennt Manuela Gutmann von Yamaichi Electronics: »Im Bereich der Servomotoren – bei denen die Steckverbinder manchmal beinahe größer als die Applikation selbst sind – findet ein Umstieg von M23-Steckverbindern auf M17 und mittlerweile sogar M12 statt.«
In anderen Applikationen, etwa dem Anschluss von Sensoren, gewinnt die noch kleinere M8-Schnittstelle an Bedeutung. »Der M8 erfüllt den Wunsch nach Miniaturisierung, bietet aber dennoch die geforderte Robustheit, die man in industriellen Applikationen keinesfalls vernachlässigen darf«, erläutert Michael Lüdke von Phoenix Contact. Für den Anwender ist die Handhabbarkeit, also wie schnell und sicher sich ein Steckverbinder stecken lässt, von großer Bedeutung. Der M8 erfülle diese Anforderungen noch. Zwar bieten Phoenix Contact und auch andere Steckverbinder-Hersteller noch kleinere metrische Steckverbinder an, sprich M5-Komponenten, allerdings sei der Bedarf am Markt für diese Steckverbinder derzeit eher gering. Und auf Seiten der Leiterplatten muss die »wirtschaftliche Verarbeitbarkeit gewährleistet bleiben«, wie Michael Singer von Erni anmerkt. »Wir könnten durchaus noch kleinere Steckverbinder entwerfen. Allerdings ist es fraglich, ob wir damit den industriellen Applikationen gerecht werden, die oft eine hohe Schock- und Vibrationsfestigkeit erfordern.«
Design und Ästhetik
»Ein Grund für den Umstieg auf neue Steckverbinder ist mittlerweile sehr oft das Design«, erweitert Bernhard Säckl von ODU die Diskussion um einen weiteren für den Kunden wichtigen Aspekt. Sein Unternehmen fokussiert sich nicht nur auf die klassischen Industrie-Applikationen, sondern auch auf Märkte wie die Sicherheitstechnik und die Medizinelektronik, die hier eine Vorreiterrolle einnehmen. »Der Kunde will einfach nicht mehr die großen, klobigen Rechteck-Steckverbinder einsetzen – die Ästhetik ist bereits seit einiger Zeit ein wichtiger Treiber, mittlerweile auch im typischen Industrie-Umfeld«, berichtet Bernhard Säckl. Als Antwort auf diesen allgemeinen Trend hat ODU zum Beispiel die robusten Miniatur-Rundsteckverbinder der Serie „ODU AMC High Density“ entwickelt. Dabei handelt es sich um Abreiß-Steckverbinder mit einem Durchmesser von kleiner 10 mm bis 18,5 mm und einer Poldichte von bis zu 40 Kontakten. Mit den Bauelementen ist zum Beispiel neben der Leistungsversorgung auch eine Datenübertragung gemäß USB 3.1 (mit 5 A Power) auf äußerst kompakten Bauraum möglich.
Auch Gijs Werner von TE Connectivity stellt fest, dass der Kunde insgesamt mehr Wert auf das Produkt-Design legt, einschließlich der Verbindungstechnik. »Früher hat die Ästhetik bei Steckverbindern für unsere Kunden kaum eine Rolle gespielt, heute wird sie immer wichtiger. Der Kunde will einen Steckverbinder beziehen, der sich exakt in seine Applikation einfügt – und auch die Optik muss Teil dieser Lösung sein.«