Wie ist bei Reichelt die Gewichtung zwischen B2B und B2C?
Timmermann: Über den Daumen gepeilt etwa fünfzig zu fünfzig, auch umsatzmäßig. Unser Consumer ist aber nicht der typische, Amazon-getriebene Endkunde. Ich sag immer: Das ist jemand, der den Schraubenzieher am richtigen Ende in die Hand nimmt. Er erwartet von uns mehr als von einem „Whole saler“ wie Amazon.
Stichwort Amazon: Können Sie sich vorstellen, in irgendeiner Form an einer femden Plattform bzw. einem Marketplace teilzunehmen? Vielleicht nicht bei Amazon, dafür aber bei Conrad?
Timmermann: Wir sind auf Plattformen tätig. Allerdings sind das beschaffungsgetriebene Plattformen. Amazon ist wirklich ein Sammelsurium. Ich glaube, dass die Kundschaft, die wir beliefern, eher in einer Nische unterwegs ist. Sie können einen Raspberry Pi an jeder Ecke kaufen, aber deutschlandweit kaufen die meisten Kunden bei uns. Das wird seinen Grund darin haben, dass wir eine gewisse Kompetenz haben und dabei noch den guten Preis.
Ich bin kein Fan der ganz großen Marktplätze und glaube, dass der Trend da eher wieder rückläufig ist, aber das ist eine reine Vermutung. Genau dasselbe ist es mit den großen Preisvergleichern. Die ganzen guten Firmen verlieren dabei komplett ihre Identität, sie sind nichts mehr wert. Das finde ich ziemlich beklagenswert und glaube, dass die Kunden das auch so langsam bemerken.
Ein weiterer Umstand ist, dass viele Händler die traurige Erfahrung gemacht haben, dass Amazon die gut laufenden Aritkel ins eigene Angebot übernimmt, weil die ja alles tracken – und der Händler verliert dann an Sortiment. Ich verfolge das ja nun schon ein paar Jahre und habe beobachtet, dass alle, die versucht haben, neben Amazon zu fliegen, verglüht sind. Wer sich also darauf einlassen will, dem kann ich nur den Rat geben, so einen Flug sehr gut vorzubereiten.
Wie steht es mit der Nutzung ihres Kataloges und seiner Zukunft? Benutzen Jüngere den Katalog überhaupt noch?
Timmermann: Wir können den Katalogabfluss genau messen. Das ist für uns ein Indikator dafür, ob er gewünscht wird. Wir haben eine große Anzahl von Kunden, die explizit den Katalog bestellen, durch alle Altersgruppen. Der Katalog ist ein Medium um zu blättern, er wird genutzt, um sich einen Produktüberblick zu verschaffen und er ist eine 1,3 kg schwere Visitenkarte. Wie wollen Sie sich heute von einer Garage differenzieren? – Die haben alle tolle Webseiten, aber wenn Sie die Leute besuchen würden, dann kämen Sie am Ende in einem Wohnzimmer an.
Wohlgemerkt: Das ist nicht schlechtes, wenn ich ein Wohnzimer bin und noch wachsen will. Aber die große Schwierigkeit ist doch der Schein und das Sein, die Frage: Wen habe ich eigentlich vor mir? Egal wo Sie hingehen, Sie bekommen heute einen „Trusted Shop“, ganz gleich wer Sie sind. Wenn ich aber mit so einem Katalog auftauche, habe ich die gesamte Aufmerksamkeit. Ich merke das auf Messen in Asien. Als Kunde wird man natürlich immer beachtet, aber wenn ich den Katalog raushole, dann lerne ich den Chef kennen. Das geht mir auf jedem Stand so.
Es ist also nicht sichtbar, dass das jüngere Publikum…
Timmermann: Doch! Es nutzen alle die Online-Plattform. Es gibt eine größere Gruppe, die keinen Katalog mehr wünscht. Das können Sie bei uns angeben, dann bekommen Sie eben keinen Katalog mehr. Aber ich glaube, dass der Katalog dazugehört.
Alle Distributen klagen über schwindende Margen. Sind Sie nicht auch zum Wachstum verdammt, um über die Menge das auszugleichen, was sich mit dem bisherigen Sortiment nicht mehr verdienen lässt?
Timmermann: Marge ist immer relativ. Das Betriebsergebnis entsteht sich ja nicht nur aus der Marge, die Sie am Artikel verdienen, sondern hat auch viel mit Kostenstruktur und Prozessen zu tun. Wir beeinflussen unser Ergebnis hauptsächlich durch eine sehr saubere Kostenstruktur. Natürlich müssen wir gegen den Wettbewerb antreten und natürlich gibt es Margen, die kleiner werden, je mehr Leute sich im Haifischbecken tummeln. Aber wir sind da gut gerüstet, weil wir sehr professionell sind und eine ausgezeichnete Logistik haben.