Haben Sie das Modell der Single-Distributoren-Strategie in allen Regionen ausgerollt?
Thomas Pavel: Nein, die Single-Strategie gilt aktuell für Nordamerika und Europa. Wir kooperieren in Europa und Nordamerika mit Avnet und in Asien mit mehreren Partnern. Auch hier ist Avnet aber mit im Boot.
Inwieweit unterstützten Sie auch das Volumengeschäft von Katalogdistributoren?
Thomas Pavel: Wir haben selbstverständlich Katalogdistributoren im Netzwerk. Beide Modelle bedienen aus unserer Sicht unterschiedliche Märkte und haben ihre Berechtigung. Überschneidungen mag es vielleicht bei Kleinserien geben. Für das Volumengeschäft unterstützen wir aber keine Katalogdistributoren, sondern arbeiten ausschließlich mit EBV zusammen.
Wie hoch ist Ihr Distributionsanteil derzeit insgesamt?
Thomas Pavel: In Europa ist unser Distributionsgeschäft das wertigste Segment und macht mit mehr als 50 Prozent und einigen hundert Millionen Dollar Geschäft den Schwerpunkt aus.
Rechnen Sie im Zuge Ihrer veränderten Distributionsstrategie mit einer Verschiebung “Ihres” DTAMs (DTAM = Distribu-tion Total Available Market)?
Thomas Pavel: Avago hatte von jeher ein prozentual größeres Distributionsgeschäft, weil deren Portfolio vor allem auf die Industrie ausgelegt ist. Broadcom hingegen ist Marktführer im Bereich Ethernet-Kommunikation und Wireless Communications und hatte traditionell einen sehr geringen Distributionsanteil. Das Portfolio von Broadcom findet aber auch sehr starken Anklang im Industrie-Sektor. Nur war Broadcom bisher nicht adäquat in der Lage, diese Nachfrage abzudecken und die Distributionskunden zu bedienen. In der neuen Struktur können wir nun diese Produkte auch im Industriemarkt anbieten. Hinzu kommt, dass wir mit unserem Distributionspartner wesentlich bessere logistische Modelle bieten können. Sobald eine Supply-Chain-Lösung gefordert ist, werden wir sowieso mit der Distribution zusammenarbeiten, auch wenn es um Direktgeschäft geht.
Zusammengefasst: Die Zielsetzung ist jetzt, mit unserem Distributionspartner enger und strategischer zusammezuarbeiten. Das heißt auch, dass wir uns gemeinsam auf bestimmte Verticals konzentrieren wollen.
Welche Verticals sind das?
Thomas Pavel: Wir wollen uns in der Zusammenarbeit mit EBV vorrangig den Bereichen Industrial, Automotive, Consumer und Electronic Signal & Signage widmen. Diese vier Bereiche harmonisieren auch sehr gut mit den vertikalen Segmenten von EBV.
Vor einigen Monaten hat Cypress das IoT-Portfolio von Broadcom gekauft. So zumindest war es in diversen Presseveröffentlichungen zu lesen. Wieso hat sich Broadcom von einem lukrativen oder zumindest viel versprechenden Bereich getrennt?
Thomas Pavel: Das ist etwas missverständlich. Veräußert wurde unser Portfolio an Bluetooth- und WiFi-Komponenten, die in IoT-Geräte einfließen. Aber diese Technologie ist natürlich auch in Wireless Communication und Mobile Phones notwendig. Diesen Markt bedienen wir nach wie vor. Es handelt sich also lediglich um einen bestimmten Applikationsbereich, den wir an Cypress veräußert haben. Die Formulierung “Broadcom hat sein ganzes IoT-Portfolio verkauft” ist also so nicht ganz richtig. Man versteht unter IoT allgemein erst mal die IoT-Geräte, aber die Kommunikation findet über Ethernet statt. Und hier ist Broadcom Marktführer. Die Mehrheit von IT-Traffics geht über Broadcom-Ethernet-Komponenten. In diesem Feld sind wir nach wie vor intensiv tätig und extrem stark positioniert.
EBV erwirtschaftet knapp 50 % des Umsatzes in Zentraleuropa. Wie hoch ist der Umsatz von Broadcom, über alle Produktbereiche betrachtet, in Zentraleuropa?
Thomas Pavel: Das verhält sich bei uns ähnlich. Zentraleuropa macht bei uns etwa 45 Prozent von Gesamteuropa aus. Sie sehen, auch das harmoniert sehr gut zwischen uns und EBV.
Inwieweit wird EBV jetzt weitere Ressourcen für die Broadcom-Linie aufbauen?
Slobodan Puljarevic: Wir haben den Vorteil, dass wir schon seit über 40 Jahren mit Avago zusammenarbeiten und auch mit Broadcom bereits auf eine lange Zusammenarbeit blicken. Das heißt unsere Mitarbeiter sind schon auf die Produkte trainiert, werden aber durch die neue Konstellation noch intensiver geschult. Wir haben zusätzliches Geschäft von Avago bzw. Broadcom bekommen, mit dem Ausblick zu investieren. Im Zuge dessen stellen wir zusätzliches Personal ein und haben auch einige Broadcom-Mitarbeiter übernommen. Darüber hinaus investieren wir intensiv in dedizierte Trainings, z.B. RF- oder Wireless. Natürlich nutzen wir auch unsere vorhandene Infrastruktur und wollen das mit unseren vertikalen Segmenten matchen. Wir werden also auch unser Know-how aus diesen Segmenten wie Industrial, Lighting und Automotive zur Verfügung stellen.
Welches Ziel hat sich EBV gesetzt in Bezug auf die erweiterte Broadcom-Zusammenarbeit?
Slobodan Puljarevic: Für uns ist das natürlich eine Herausforderung, mit so einem Umsatzriesen wie Broadcom als Exklusiv-Distributor zusammenzuarbeiten. Das ist ein neues Terrain für uns und für Broadcom, weil Broadcom, wie von Herrn Pavel erklärt, bisher nicht sehr distributionsaffin war. Das heißt wir konnten die Broadcom-Standard-Produkte bisher nicht breit in den Markt bringen. Das wird jetzt unser Hauptziel für die nächsten Jahre sein. Im ersten Schritt geht es darum, “To keep what you have” – also das bestehende Geschäft von Broadcom zu halten. Mittelfristig wollen wir aber gemeinsam überproportional wachsen.
Und welche Umsatzgröße erwarten Sie für EBV von Broadcom?
Slobodan Puljarevic: Wenn wir es schaffen, alles zu halten, was Broadcom in der Vergangenheit an Distributionsvolumen hatte, sollte sich unser gemeinsamer Umsatz verdoppeln. Für uns ist Broadcom dann, vom Umsatz her betrachtet, der zweitgrößte Hersteller auf der Linecard nach Texas Instruments, was auch dafür spricht, dass wir mehr Investitionen für den Hersteller tätigen können als bisher.