Distribution im Jahre 2018

Der Markt im Wandel – oder Business as usual?

20. Juni 2018, 9:50 Uhr | Alfred Goldbacher

Falko Ladiges von WDI nimmt Stellung zu aktuellen Themen, welche die Distribution, Hersteller und Anwender beschäftigen. Besprochen werden aktuelle Trends und Innovationen im Bauteilebereich, Applikationsfokus sowie die momentane Situation der Bauteilebeschaffung.

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Das Kalenderjahr 2018 ist ein extrem spannendes Jahr und die Distribution mitten drin. Aufgrund der derzeitigen Wandlung vom Käufer- zum Verkäufermarkt und der allseits angespannten Liefersituation für bestimmte Bauteile ist die enge Verzahnung der Distribution als Bindeglied zwischen Hersteller und Endkunde im Moment ein Schlüssel zum Erfolg. Die lokalen Netzwerke haben sich mittlerweile zu globalen Netzwerken entwickelt.

Alles ist miteinander verbunden und eine weltweite Beschaffung, Logistik, Produktion und Kommunikation findet rund um die Uhr statt. Ein Rädchen muss perfekt ins andere greifen, um die immer komplexer gewordenen Abläufe reibungslos, schnell und termingerecht umsetzen zu können.

Elektronik: Wie sehen Sie den Wandel des Elektronikmarktes in der aktuellen Situation? Hat es schon länger Anzeichen für diese recht extreme Entwicklung gegeben?

Falko Ladiges: Der Markt hat sich in den letzten zwölf Monaten vom Käufer- zum Verkäufermarkt gewandelt. Über Jahre hinweg waren Bauteile im Übermaß vorhanden. Hersteller oder auch Distributoren haben Marktanteile gekauft, ohne wirklich neues Geschäft zu generieren. Dies zum Vorteil der Käufer, die letztlich den Preis diktieren konnten, der immer weiter in den Keller gedrückt wurde, und viele Hersteller und Distributoren nur noch über große Volumina im Ertragsbereich bleiben konnten. Kleine Bestellungen und individuell auf Kunden abgestimmte Konzepte waren kaum noch kostendeckend abzuwickeln. Viele Kunden und auch Hersteller haben sich abhängig gemacht: Kunden, weil Sie auf Zweit- oder Drittfreigaben beim Design-in verzichtet haben, und Hersteller, weil Sie Produkte geliefert haben, die sie nicht selbst gefertigt haben, weil sie in der jetzigen Situation bei der Belieferung ebenfalls hintenan stehen. Hersteller haben sich nicht unbedingt auf Ihre Kernkompetenzen und Key-Produkte konzentriert, sondern wollten alle ein Komplettpaket anbieten.

Elektronik: Und wie bewältigen Sie als Distributor nun die aktuelle Situation?

Falko-Ladiges vom WDI
Falko Ladiges, Leiter Produktmarketing PEMCO bei WDI.
© WDI

Falko Ladiges: Die Angebotssituation hat sich durch Konsolidierungen und Übernahmen in der Distribution, aber auch durch Zusammenschlüsse von Herstellern verschoben und so zu den jetzt vorhandenen Problemen geführt. Kunden bekommen bestimmte Bauteile nicht mehr, weil der „neue“ Distributor zum Beispiel den benötigten Hersteller aus dem Programm genommen hat oder der Kunde nicht mehr die Wertschätzung erfährt, weil er in der neuen Organisation kein A-Kunde mehr ist. Und es gibt noch viele andere Gründe: Weil zum Beispiel Betreuer wechseln oder bei der Fusion von Herstellern doppelte Produkte plötzlich abgekündigt werden, unrentable Linien und Fertigungsstandorte geschlossen werden und allein schon deshalb eine Verknappung entsteht. Über die letzten Jahre hinweg sind die Rohmaterialpreise zum Teil erheblich gestiegen, doch Verteuerungen bei den Bauteilen waren aus genannten Gründen nicht umsetzbar. Das heißt, die Verteuerungen gingen auf das Konto der Hersteller und/oder Distributoren, die über Ihre Margen die Kompensation zum Kunden aufgefangen haben. Dies funktioniert nun im aktuellen Markt nicht mehr. Er ist gekippt vom Käufer zum Verkäufermarkt. Zu spüren ist dies nicht nur durch schmerzliche Lieferengpässe bis hin zu allokativen Produkten, sondern auch durch Kostenweitergaben an die Kunden und die damit verbundenen Preisanpassungen nach oben, die nicht mehr weiter kompensiert werden konnten.

Elektronik: Gab es einen ungefähren Zeitpunkt, von dem an sich die beschriebenen Faktoren massiv ausgewirkt haben?

Falko Ladiges: Abzusehen war das Ganze schon ab Mitte 2017; doch dort, wo genügend Bauteile irgendwie und irgendwo beschaffbar waren, wurden die frühzeitigen Anzeichen meist nicht beachtet. Andere hofften darauf, dass diese Delle schnell wieder vorüber gehen würde. Es wurde auch keine Panik verbreitet. Auch wurde von vielen Herstellern keine Allokation ausgerufen, sondern nur für bestimmte Produkte oder Baugrößen die Lieferzeit zum Teil deutlich verlängert.

Elektronik: Stecken Sie als WDI ebenso in derselben Liefernot wie all die übrigen Distributoren?

Falko Ladiges: Die aktuelle Situation betrifft uns natürlich auch – wenn auch nicht so massiv wie andere Mitbewerber. Aufgrund unserer Ausrichtung liefern wir viele Bauteile, die nicht von der allokativen Situation betroffen sind. Zudem haben wir Hersteller im Lieferprogramm, die trotzdem lieferfähig sind. Das heißt, wir können im Moment vielen unserer Kunden helfen, sofern Sie jetzt bereit sind weitere Hersteller freizugeben, die Ihre aktuellen Lieferengpässe überbrücken könnten.

Elektronik: Gibt es Anzeichen, dass sich die aktuell angespannte Situation bei der Bauteileversorgung kurzfristig wieder entspannt?

Falko Ladiges: Da über die letzten Jahre die Lagerhaltung bei den Kunden auf kleinstmöglichem Niveau gehalten wurde, wird jetzt natürlich von der Hand in den Mund gelebt. Jegliche Mengen, die zu bekommen sind, werden für die aktuellen Produktionen verwendet. Für weitere Dispositionen sind viele Kunden gezwungen, bereits bis Ende 2019 zu planen – schon aufgrund der Umstände, dass bestimmte Bauteile 50 oder sogar bis zu 100 Wochen Lieferzeit haben. Solange diese Bedarfe nicht realistisch planbar abgedeckt werden können, zeichnet sich auch keine Entspannung der Situation ab.

Elektronik: Welche Trends erkennen Sie bei Bauteilentwicklungen und welche Applikationen stehen derzeit in besonderem Fokus bei Herstellern und Kunden? Was wird vom Markt verlangt?

Falko Ladiges: Immer kleiner und leistungsfähiger sollen Bauteile sein; also möglichst kleine Abmessungen bei Verwendung in erweiterten Temperaturbereichen sowie höhere Leistungen im gleichen oder kleineren Package. Bei Quarz-/Oszillatorprodukten geht der Trend dahin, möglichst kleine Bauformen einzusetzen: Bauteile in der Größe 5 × 7 mm² waren vor kurzem noch Standard und gelten heute bereits als überholt. Bei Oszillatoren beispielsweise werden schon Bauformen von 1,5 × 0,8 mm² angeboten. Bei Induktivitäten geht der Trend ebenfalls in Richtung kleinerer Bauformen bei erhöhter Leistung und erweitertem Temperaturbereich. Erreicht wird diese Verkleinerung beispielsweise durch besondere Produktionsverfahren und durch Verwendung spezieller Metalllegierungen.

Elektronik: Gibt es noch weitere Forderungen von seiten Ihrer Kunden?

Falko Ladiges: Von vielen Kunden häufig gefordert sind Temperaturbereiche beziehungsweise Spezifikationen nach Automotive-Standards; also Kennwerte, die von -55 bis +125°C oder sogar bis +155 °C eingehalten werden – selbst dann, wenn der Kunde gar kein Automotive-Kunde ist und seine Produkte rein für den industriellen Einsatz gedacht sind. Bauteile die den geforderten Spezifikationen entsprechen, vermitteln dem Anwender eine gewisse Sicherheit, das sie ja nach strengen Automotive-Vorgaben getestet oder danach gefertigt wurden und demnach auch unter widrigen Bedingungen voll einsetzbar sind sowie zudem noch über eine bessere Langzeitstabilität verfügen.

Elektronik: Gilt dies für bestimmte Anwendersegmente im Besonderen oder werden diese Verbesserungen von allen Branchen geäußert?

Falko Ladiges: Der Automotive-Sektor ist bekanntlich einer der am meisten wachsenden Bereiche in der Elektronik. Doch auch Systemhersteller aus den Bereichen IoT, Industrie 4.0, Wearables, Home Security, Smart Home sowie Vernetzung von Produkten fordern, dass die Komponentenhersteller ständig weitere Produktinnovationen auf den Markt bringen.


  1. Der Markt im Wandel – oder Business as usual?
  2. Marktstrategie und Innovationen

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