Heute Nacht sind die EU-Zusatzzölle auf die Einfuhr von Elektroautos von China in Kraft getreten. Sie sollen fünf Jahre gelten. Was kommt jetzt?
Deutschland hatte zwar aus Sorge vor einem neuen großen Handelskonflikt und möglichen Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Hersteller dagegen votiert, aber eine ausreichend große Mehrheit der EU-Staaten hatte Anfang des Monats für die Strafzölle gestimmt.
Die Europäische Kommission hält die Ausgleichszölle für notwendig, um die Zukunft der Autoindustrie in der EU langfristig zu sichern. Eigene Untersuchungen hatten ergeben, dass chinesische Hersteller durch unfaire Subventionen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil auf dem europäischen Markt haben. Chinesische Elektroautos können dadurch etwa 20 Prozent günstiger angeboten werden als vergleichbare Modelle aus der EU. Bereits im Juli hatte die EU-Kommission daher vorläufige Ausgleichszölle eingeführt.
Bislang verliefen Verhandlungen über eine mögliche einvernehmliche Lösung des Handelsstreits ohne Ergebnisse. Als eine Option gilt, dass die E-Auto-Händler eine Preisobergrenze einhalten, um zu vermeiden, dass ihre Autos so günstig angeboten werden, dass dies als unlauterer Wettbewerb gewertet wird. Durch solche Preiszusagen könnten die Händler möglicherweise die verhängten Zölle abwenden.
Für E-Autos des Herstellers BYD gilt künftig eine Extra-Abgabe in Höhe von 17,0 Prozent, wie aus der Verordnung hervorgeht. Für Elektrofahrzeuge des Produzenten Geely sind demnach 18,8 Prozent fällig. Der Höchstsatz beträgt 35,3 Prozent. Die unternehmensspezifischen Zollsätze wurden der EU-Kommission zufolge auf Grundlage der von ihr durchgeführten Untersuchung festgesetzt und sollen die individuelle Lage der Firmen spiegeln. Die Zölle kommen auf einen bereits bestehenden Zollsatz von zehn Prozent hinzu.
Für die deutsche Industrie ist der Handelsstreit ein großes Thema, weil China der größte Automarkt der Welt ist und Unternehmen um einen ihrer wichtigsten Absatzmärkte fürchten. Deutsche Firmen wie VW, Mercedes und BMW produzieren dort nicht nur Wagen speziell für den chinesischen Markt, sondern auch für den Export.
Der Verband der Automobilindustrie mahnte, durch die Zölle wachse nicht nur das Risiko eines beiderseitigen Handelskonflikts weiter an, sondern die Fahrzeuge würden sich auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher verteuern. Außerdem werde der Ausbau der Elektromobilität und damit das Erreichen der Klimaziele in einer »besonders kritischen Phase« ausgebremst, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Auch der ADAC befürchtete Gegenreaktionen aus China mit negativen Folgen für Verbraucher. »Für den Hochlauf der Elektromobilität ist eine große Angebotsvielfalt auf dem Automobilmarkt, unabhängig von der Herkunft, wichtig. Strafzölle könnten dagegen dafür sorgen, dass einige Modelle vom Markt verschwinden«, sagte eine Sprecherin der dpa.
In Brüssel wiederum gibt es die Einschätzung, diese Position sei vor allem von Top-Managern der Autobauer geprägt. Ihnen wird vorgeworfen, vor allem kurz- und mittelfristig gute Zahlen erreichen zu wollen und nicht so sehr das langfristige Überleben der Autoindustrie im Blick zu haben.
Wie China auf die endgültige Einfuhr der Zölle reagieren wird, ist noch unklar. Die Regierung in Peking wirft der EU Protektionismus vor und drohte in der Vergangenheit vor allem mit höheren Zöllen bei der Einfuhr von Verbrennern mit großem Hubraum aus der EU in die Volksrepublik. Davon wären besonders deutsche Autobauer betroffen.
Als mögliche Vergeltungsmaßnahmen begann China zudem Zusatzabgaben auf den Import von Schweinefleisch und Milchprodukten zu prüfen. Eine Untersuchung gegen Branntwein, die hauptsächlich französische Hersteller trifft, führte bereits zu vorläufigen Maßnahmen. Firmen, die diesen nach China importieren, müssen eine Kaution in Höhe von 30,6 Prozent bis 39 Prozent des Warenwerts beim chinesischen Zoll hinterlegen.
Die Zusatzzölle treffen nicht nur chinesische Marken wie BYD oder Geely, sondern auch deutsche Hersteller. Die Maßnahme richtet sich nämlich nicht ausschließlich gegen chinesische E-Autos, sondern gegen in China hergestellte Fahrzeuge. Deutsche Firmen wie VW, Mercedes und BMW produzieren dort nicht nur Wagen speziell für den chinesischen Markt, sondern auch für den Export. Die Hersteller befürworten die Zölle nicht und fürchten ihrerseits Gegenmaßnahmen Chinas.
Trotz der Inkraftsetzung der EU-Zusatzzölle auf aus China importierte Elektroautos will Peking weiterhin mit Brüssel nach einer Verhandlungslösung suchen. Man hoffe, dass die EU mit China daran arbeiten werde, »schnell eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden, um eine Eskalation der Handelskonflikte zu vermeiden«, teilte das Pekinger Handelsministerium mit.
China habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die Anti-Subventionsuntersuchung »viele unfaire und unrechtmäßige Aspekte« aufweise. Man werde weiterhin alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen entschieden zu verteidigen. Gleichzeitig habe man bemerkt, dass die EU ihre Bereitschaft zu weiteren Verhandlungen signalisiert habe, so das Ministerium weiter.