Infotainment-Systeme

Optik erweitert Touch

7. November 2013, 10:22 Uhr | von Kristof Lieben

Fahrzeughersteller und ihre Systemintegratoren entwickeln immer »intelligentere« und intuitivere Mensch-Maschine-Schnittstellen, meist in Form von Touch-basierten Systemen. Doch diese stellen wegen der möglichen Ablenkung des Fahrers ein großes Risiko dar. Optische Techniken könnten einen Ausweg schaffen.

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Melexis
Die Bedienung eines Touch-Bildschirms kann den Fahrer ablenken
© Melexis

Beim Kauf neuer Autos wollen die Käufer begeistert werden, unter anderem durch die Vielfalt an modernen Funktionen, die über die Mittelkonsole zur Verfügung stehen. Doch die zunehmende Funktionsvielfalt in unseren Autos sorgt dafür, dass Armaturenbretter und Mittelkonsolen, die nur aus mechanischen Schaltern bestehen, nicht länger machbar sind: Zu viele Schalter würden den Fahrer und die Insassen nur verwirren. Aus Herstellersicht wäre dies ebenfalls problematisch, da Schalter zu viel Platz im Bereich des Armaturenbretts und der Mittelkonsole einnehmen und die gesamte Ästhetik ruinieren würden. Schalter sind also nicht die ideale Lösung für eine Aufrüstung, denn sie erschweren das Hinzufügen neuer Funktionen in ein Fahrzeugdesign.

Doch die Benutzererfahrung gleicht sich den Gewohnheiten an, wie sie aus dem täglichen Leben bekannt sind. Wie in anderen Märkten wird die Einführung von Touchscreens auch im Automobilbereich immer beliebter. Im Jahr 2019 sollen weltweit jährlich an die 35,7 Millionen Touchscreens in Fahrzeuge verbaut werden. Obwohl diese zu sehr intuitiven HMIs beitragen, stellen sich die Fragen, wie geeignet sie für bestimmte Aufgaben im Umfeld des Fahrzeuginnenraums sind und ob ein zusätzliches Erkennungssystem erforderlich ist. Der Sicherheitsaspekt spielt bei berührungsbasierten Steuerungen eine wichtige Rolle. Für bestimmte Fahrzeugbereiche wird daher eine Reihe alternativer Methoden in Betracht gezogen, wie sich Fahrzeug-HMIs besser implementieren lassen.

In den USA führt die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) Untersuchungen durch, die sich auf die Ablenkung des Fahrers konzentrieren. Zwei wesentliche Ursachen tragen zur Ablenkung bei:

  • der Grad an Aufmerksamkeit, die ein Fahrer visuell, kognitiv und manuell für das Erledigen einer Aufgabe aufwenden muss, und 
  • wie der Fahrer diese Aufgabe während der Fahrt ausführt. 

Die Allianz der Automobilhersteller hat Richtlinien verabschiedet, wonach Systeme mit optischen Anzeigen so zu gestalten sind, dass der Fahrer
die gewünschte Aufgabe mit gelegentlichen Blicken ausführen kann. Diese Augenblicke sollten so kurz sein, dass sie das Fahrverhalten nicht beeinträchtigen. Ein berührungsbasierter Ansatz mag zwar im Bereich tragbarer Unterhaltungselektronik, zum Beispiel bei Tablets, geeignet erscheinen - im Fahrzeug kann die Bedienung eines Touchscreens jedoch die Konzentration beim Fahren beeinträchtigen. Die großen Fahrzeughersteller wollen daher berührungsbasierte Eingabesysteme im Fahrzeug derart erweitern, dass das Ablenkungsrisiko minimiert wird.
Spracherkennung ist dabei eine Möglichkeit, die aber ihre Tücken hat. Obwohl solche Systeme in den letzten Jahren immer besser wurden, können sie immer noch Fehler verursachen, die den Anwender unzufrieden stimmen. Wie häufig Fehler auftreten, hängt eng mit der Hintergrundgeräuschkulisse zusammen. So entsteht im Innenraum eines Fahrzeugs beispielsweise durch Radio und Unterhaltungen der Insassen eine beträchtliche Geräuschkulisse. Auch regionale Akzente und Sprachabweichungen spielen bei der Spracherkennung eine Rolle.
Optisch basierte Näherungssensorik bietet den Fahrzeugherstellern jedoch eine Möglichkeit, Touchscreen-HMIs und Infotainment-Bedienelemente zu kombinieren. Die Technik erkennt einfache Gesten und verhindert die Ablenkung des Fahrers. Damit lassen sich während der Fahrt bestimmte Elemente bedienen, ohne die Fahrsicherheit aufs Spiel zu setzen.

Herausforderungen für optische Systeme

Bei der Entwicklung solcher Systeme müssen einige Herausforderungen bewältigt werden. Eine optisch basierte HMI-Lösung muss folgende Leistungsmerkmale bieten:

  • zuverlässige Funktion bei sehr unterschiedlicher Hintergrundbeleuchtung, 
  • hohe Widerstandsfähigkeit gegen elektro-magnetische Störungen (EMI), 
  • Support für mehrere OEM-Konfigurationen, 
  • eine kurze Stückliste, 
  • minimaler Platzbedarf für die Leiterplatte und 
  • anpassbar an mechanische Einschränkungen bei der Integration. 

Mit Blick auf diese Kundenanforderungen hat das Entwicklerteam von Melexis robuste Sensor-Schnittstellen-ICs entwickelt. Die in CMOS-Prozesstechnik gefertigten Näherungs- und Gestenerkennungs-ICs »MLX75030« und »MLX75031« besitzen jeweils zwei unabhängige, gleichzeitig arbeitende Lichtmesskanäle. Über sie lässt sich die aktive optische Reflektion eines Objekts (z.B. einer Hand) erkennen. Der integrierte Umgebungslicht-Unterdrückungsmechanismus macht die Kanäle unempfindlichen gegen anderweitige Lichteinflüsse. Hinzu kommt eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen elektromagnetische Störungen sowie eine kleine Stellfläche, womit sich platzsparende Benutzerschnittstellen entwickeln lassen.

Bild 1: Grundlegende Struktur für Automotive-HMIs mit dem »MLX7503x« von Melexis
Bild 1: Grundlegende Struktur für Automotive-HMIs mit dem »MLX7503x« von Melexis
© Melexis

Bild 1 zeigt den Aufbau einer HMI auf Basis des MLX7503x. Die LEDs strahlen eine kurze Pulsfolge aus; eine Fotodiode erkennt das von der Hand reflektierte Licht. Die Hardware unterdrückt das Hintergrundlicht, und der Stromfluss von der Fotodiode wird in ein 16 Bit breites Digitalsignal umgewandelt. Der mechanische Einbau soll einfach vonstattengehen, da die erforderliche Elektronik das Konsolendesign nicht beeinträchtigt. Nur die LEDs und die Fotodioden müssen auf der Konsolenoberfläche aufgebracht werden, alle anderen Komponenten lassen sich hinter der Konsole anbringen.
Der MLX75030 ermöglicht externen Schaltern, die LEDs mit einem Spitzenstrom von bis zu 1 A anzusteuern. Der MLX75031 bietet einen integrierten LED-Treiber, um die Anzahl zusätzlicher Bauteile zu verringern und die Stückliste zu reduzieren. Integrierte Steuerlogik, konfigurierbare Register und eine SPI-Schnittstelle sollen einen einfachen, voll programmierbaren Betrieb ermöglichen. Durch einen integrierten 16-Bit-A/D-Wandler können beide Bausteine die gemessenen Aktiv- und Umgebungslichtwerte als digitale Signale ausgeben. Diese Daten können an den System-Mikrocontroller weitergeleitet werden, der sie dann weiterverarbeitet.
Eine Messrate von bis zu 700 Hz pro Messkanal ermöglicht nahtlose Reaktionszeiten der HMI. Mithilfe eines Softwarealgorithmus‘ in einem externen Mikrocontroller kann das System zwischen verschiedenen Gesten unterscheiden (z.B. links, rechts, nach oben oder nach unten Wischen; Kreisbewegungen). Da das Umgebungslicht durch das Schnittstellen-IC bereits herausgerechnet ist, lassen sich die Rechenressourcen des Mikrocontrollers für andere Aufgaben nutzen. 
Doch die Kombination aus Touchscreen-HMIs und optischer Näherungssensorik könnte nur ein Anfang sein. Haben sich die Anwender an diese Technik gewöhnt, wäre in Zukunft sogar denkbar, dass Fahrzeughersteller einen komplett optischen Ansatz für HMIs in Fahrzeuge integrieren.
Diese hochleistungsfähigen optischen Lösungen würden dann die relativ kostspieligen Multitouch-Berührungsbildschirme ersetzen.

Über den Autor:

Kristof Lieben ist Applications Engineer bei Melexis.


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