Bordnetz

Evolution der Bordnetzarchitektur durch 48-V-Versorgungsbus

9. Juli 2013, 10:16 Uhr | Von Dr. Henning M. Hauenstein
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Einführung der 48-V-Bordnetzspannung

Mittlerweile ist erneut der Punkt erreicht, an dem OEMs und Systemzulieferer über eine Erhöhung der Bordnetzspannung nachdenken. Ein 48-V-Versorgungsbus (Power-Bus) steht zur Diskussion, um sehr leistungshungrige Applikationen und Systeme so zu unterstützen, dass die Strompegel gesenkt und stattdessen die Spannung erhöht wird. Doch warum soll nun das 48-V-Konzept erfolgreich sein, wenn die 42-V-Architektur versagt hat? Es gibt signifikante Unterschiede zwischen den 48-V-Konzepten und den 42-V-Aktivitäten Anfang 2000. Ein entscheidender Unterschied liegt darin, dass das 42-V-Konzept auf einem revolutionären Ersatz des 14-V-Systems beruhte.

Es handelte sich mehr oder weniger um ein System mit höherer Spannung, das die 12-V-Batterie und den zugehörigen 14-V-Versorgungsbus verdrängte. Das 48-V-Konzept hingegen ist ein „Add-on“ und kein Ersatz. Selbstverständlich wird der Erfolg von 48 V stark von der Art der Einführung und Implementierung abhängen. Doch mit Sicherheit haben die OEMs ihre Lektion aus dem 42-V-Unterfangen gelernt. Aus diesem Grund werden die 48 V als zweiter Versorgungsbus betrachtet, während die 12-V-Batterie und der zugehörige 14-V-Power-Bus parallel zu den 48 V erhalten bleiben. Der 48-V-Versorgungsbus soll die Anwendungen unterstützen, die auf höheren Leistungspegeln arbeiten müssen oder deren Effizienz beispielsweise über umrichterbetriebene drehzahlgeregelte Motoren zur Verbesserung des Treibstoffverbrauchs des Autos sowie zur Senkung der Abgase beiträgt. Andererseits können alle anderen Applikationen und Systeme am 14-V-Bus bleiben, der die weitere Verwendung von vorhandenen, kostengünstigen Produkten erlaubt, die etabliert sind, für 14 V entwickelt wurden und die grundsätzlich überhaupt nicht von den 48-V-Anforderungen betroffen sind. Das ist eine Haupt-Kostenersparnis im Vergleich zur einer vollständigen Anpassung sämtlicher Bauelemente in einem Fahrzeug an einen Bus mit höherer Spannung.

Das 48-V-Konzept steht für einen Versorgungsbus, dessen Spannung über einen Abwärts-/Aufwärts-Spannungsregler vom 12-V-Blei-Akku erzeugt wird. Zumindest in der Anfangsphase sind keine 48-V-Batterien eingeplant, doch könnte in einem zweiten Schritt eine 48-V-Lithium-Ionen-Batterie ein vorteilhaftes Energiespeicher- und Stromversorgungselement in Koexistenz mit der Standard-12-V-Batterie darstellen. Dabei sind 48 V niedrig genug, um unter der Sicherheitsgrenze von 60 V zu bleiben. Jenseits der 60 V müssten teure Isolations- und Sicherheitsmaßnahmen zwingend eingeführt werden, um Personen vor tödlichen Unfällen bei Berührung der elektrischen Schaltungen im Auto zu schützen.

Etablierte Architekturen

Ein weiterer Erfolgsfaktor liegt darin, dass viele Automobilhersteller zunehmend Erfahrung mit dualen Bordnetzspannungen sowie mit Anwendungen höherer Spannung im Auto gesammelt haben. Mehrere Architekturen gelten im Auto nicht mehr als unvorstellbar, sondern sind mittlerweile gut etablierte Lösungen in einer Domänen-basierten Bordnetzarchitektur.

Typische Hochspannungsanwendungen, die bereits heute in Fahrzeugen vorhanden sind. Sowohl mehrere Spannungspegel als auch höhere Spannungen wurden in Autos mit 12-V-Batterie implementiert
Bild 3. Typische Hochspannungs- anwendungen, die bereits heute in Fahrzeugen vorhanden sind. Sowohl mehrere Spannungspegel als auch höhere Spannungen wurden in Autos mit 12-V-Batterie implementiert; deshalb fügt sich ein 48-V-Power-Bus gut in die gesamte, Domänen-basierte Infrastruktur des Fahrzeugs ein.
© International Rectifier

Wie in Bild 3 dargestellt, beherbergt eine moderne Fahrzeugarchitektur bereits heute zahlreiche Domänen höherer Spannung wie die HID-Beleuchtung, die Hochspannungs-Piezo-Direkteinspritzung sowie viele Systeme in Hybrid-Elektrofahrzeugen (HEVs) wie etwa eine Start-Stopp-Funktion. Das Bordnetz wird durch DC/DC-Wandler stabilisiert, oder es gibt Versorgungsbusse mit mehreren Hundert Volt für die Elektrifizierung des HEV-Antriebsstrangs. Bei allen diesen Konzepten existieren 12-V-Batterie oder 14-V-Bus gemeinsam mit Bussen mit viel höherer Spannung, die gut gegeneinander isoliert sind und verschiedene Hoch- oder Niedervolt-Domänen mit Energie versorgen.

Vorteil: Kosteneffizienz

Erfolgsfaktor Nummer 3: der offensichtliche Wert der 48-V-tauglichen Systeme, der für den Nutzer deutlich offenkundiger ist als der der 42-V-Systeme. Beispielsweise kann die Start-Stopp-Funktion in starkem Stadtverkehr zu einem um bis zu 15 bis 20 Prozent verbesserten Treibstoffverbrauch führen. Damit wirkt sich diese Funktion erheblich mehr auf die Treibstoffeinsparung für den Fahrzeugeigner aus, als es eine 42-V-Bordnetzarchitektur geschafft hätte.

Dadurch, dass sich der Motor an Verkehrsampeln komplett ausschalten lässt, wird es praktisch unumgänglich, riemengetriebene Systeme durch umrichtergesteuerte Elek-tromotoren zu ersetzen, um Systeme wie Kühlsysteme, Klimaanlage oder Heizung bei stillstehendem Motor eingeschaltet zu halten. Deshalb wird der Fahrer den Vorteil von 48 V unmittelbar an der Tankstelle in seinem Geldbeutel ebenso spüren wie am Fahrverhalten sowie an den Leistungsmerkmalen des Autos. Vor allem anderen jedoch werden Umweltvorschriften und Regeln des Flottenverbrauchs die Notwendigkeit vorantreiben, diese Funktionen trotz eines Kostenaufschlags zu implementieren. Im Vergleich zu Hochspannungssystemen in Mild- oder Full-HEVs mit ihren mehreren 100 Volt wird dieser gering ausfallen.

Entwicklung neuer Bauelemente

Auf Seiten der Bauelemente und Halbleiter wird das nach wie vor nicht unbeträchtliche Investitionen in Kfz-Produkte und Geräte bedeuten, die dieser höheren Bordnetzspannung standhalten müssen. Insbesondere auf Seiten des Power-Managements müssen unbedingt MOSFETs entwickelt werden, die mit der 48-V-Architektur im Wagen konform sind. Das bedeutet: Effiziente 75-V- und noch wahrscheinlicher 100-V- bis 150-V-MOSFETs werden zu einem wichtigen Erfolgsfaktor für die 48-V-Systemarchitektur. Die Leitungs- und Schaltverluste von Halbleiterbausteinen sind im Laufe der letzten 20 Jahre deutlich zurückgegangen, und der Trend geht nach wie vor zu besseren Silizium-basierten MOSFETs. International Rectifiers derzeitige und kommende MOSFET-Plattformen werden OEMs und Zulieferer mit den passenden Power-Management-Bausteinen unterstützen, die eine effizientere Energieumwandlung und verlustarme Umrichter für den Einsatz in Antrieben garantieren. Die Roadmap für IRs proprietäre GaN-on-Silicon-Schalter zur schnellen Energieumwandlung im Kraftfahrzeug bei niedrigen Leistungsverlusten sieht weitere Verbesserungsschritte im Vergleich zu modernen Siliziumbausteinen.

Mehrphasiges Power-Management-Konzept auf Basis von IRs proprietären digitalen Mehrphasen-AU-ControllIR- sowie dazu passenden Mehrphasen-AU-ConvertIR-Modulen, die speziell auf die Unterstützung der verschiedenen Anforderungen und die Energieumwandlun
Bild 4. Mehrphasiges Power-Management-Konzept auf Basis von IRs proprietären digitalen Mehrphasen-AU-ControllIR- sowie dazu passenden Mehrphasen-AU-ConvertIR-Modulen, die speziell auf die Unterstützung der verschiedenen Anforderungen und die Energieumwandlung eines 48-V-Versorgungsbusses zugeschnitten sind.
© International Rectifier

Energieumwandlung

Die duale 12-V-Batterie-/48-V-Bus-Bordnetzarchitektur wird großen Wert auf die effiziente und verlustarme Energieumwandlung zwischen diesen beiden Spannungspegeln legen. Dadurch wird vor allem die Nachfrage nach 12-V-zu-48-V-Abwärts/Aufwärtsreglern, 12-V-Bordnetz-Stabilisatoren sowie höchstwahrscheinlich Mehrphasenwandlern gesteigert, wie Bild 4 verdeutlicht.

Eine bestmögliche Effizienz ist entscheidend, und aus diesem Grunde hat sich IR auf eine absolute Spitzen-Leistungsfähigkeit der Schalter konzen-triert, die eine Miniaturisierung der Energiewandler mit hohem Wirkungsgrad gewährleisten. Freilich ist die Energieumwandlung nicht nur eine Frage von effizienten Analog-Leistungsstufen mit verlustarmen MOSFETs, die von einem hochspannungsfesten IC angesteuert werden. Das digitale Power-Management ist ein weiterer Schlüssel zum Erfolg. Es wurde bereits mit großem Erfolg im Computerbereich für die hoch effiziente Mehrphasen-DC/DC-Umwandlung implementiert, wobei beispielsweise IRs proprietäre CHIL-basierte digitale Leistungs-Controller verwendet werden. Der Zauber der digitalen Energieumwandlung und deren ungeheures Leistungspotenzial wird durch IRs Leistungsstufe AU ConvertIR in Verbindung mit den AU-ControllIR-Produkten Einzug in die Kraftfahrzeugwelt halten. Diese befinden sich derzeit in Entwicklung.

 

Der Autor

 

Dr. Henning M. Hauenstein

ist Vice President und General Manager des Geschäftsbereichs Automotive Products von International Rectifier. Er begann 2004 beim Unternehmen als Programm-Manager für die Automotive Systems Group; er leitete dabei die Entwicklung von IR’s HEV-Produkten und Technologien. Von 1999 bis 2004 war Dr. Hauenstein in der Produkt- und Technologieentwicklung von Automobilzulieferer Robert Bosch tätig.


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