Keine Angst vor Kurzschluss

Kompakte Sicherungen für DC-Anwendungen

6. Juni 2024, 15:00 Uhr | Von Laurent Milliere & Jean-Francois de Palma, Mersen
Ladesäulen für E-Autos können durch Kurzschlüsse oder Überlasten leicht beschädigt werden.
© Summit Art Creations/Adobe Stock

Gleichstromanwendungen erfordern Schutz gegen Überlast und Kurzschluss. Einen Fehlerstrom in einem Gleichstromkreis zu beseitigen ist jedoch schwieriger als in einem Wechselstromkreis. Mersen hat dazu ein völlig neues Sicherungsdesign entwickelt.

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In den kommenden Jahren werden Tausende von neuen Ladestationen, elektrischen Energiespeichern und Gleichstromverteilungssystemen in Betrieb genommen werden. Diese Systeme sind gewissermaßen das Rückgrat der Energiewende. Mit dem Ausbau der Lade- und Speicherkapazitäten sind jedoch zahlreiche Herausforderungen verbunden. Eine davon ist der wirksame Schutz der Infrastruktur vor Schäden durch Kurzschlüsse. Nur so kann die ständige Verfügbarkeit der Anlagen und Geräte gewährleistet werden.

Derzeit werden Infrastrukturen durch Standardsicherungen geschützt. Diese werden in der Regel in einem externen Stromkreis installiert und benötigen daher einen gewissen Einbauraum sowie eigene elektrische Anschlüsse. Zusätzlich zu den elektrischen Eigenschaften erfordern neu entstehende Gleichstromanwendungen kompakte und leichtere Sicherungen, einen einfachen Anschluss sowie eine minimale Wärmeentwicklung im Schrank, in dem die Sicherungen installiert sind.

Standardsicherungen sind also nicht der optimale Ansatz, um DC-Speicher- und Verteilsysteme vor Schäden durch Kurzschlüsse zu bewahren. Mersen hat deshalb ein Sicherungskonzept für Gleichstromanwendungen mit bis zu 1000 V entwickelt, das einen deutlich besseren Schutz für leistungselektronische Bauelemente bietet.

Dazu hat Mersen neue Gleichstromsicherungen bis zu 1500 V auf den Markt gebracht, die die elektrischen und mechanischen Anforderungen künftiger DC-Anwendungen erfüllen. Die neueste Entwicklung ist ein kompaktes DC-Sicherungskonzept (PowerPack-Sicherung) für Anwendungen bis zu 1000 V.

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Simulation des Wärmemanagements der gekühlten Kompaktsicherung bei 1000 A auf einer Kühlplatte mit einer Temperatur von 65 °C.
© Mersen

Bei einer Standardsicherung wird die Wärme des Sicherungseinsatzes größtenteils über seine Anschlüsse, Stäbe und Kabel sowie den Sicherungskörper abgeleitet. Diese Wärmeleitpfade befinden sich jedoch außerhalb der Zone mit ohmschem Widerstand. Um die Strombelastbarkeit der Sicherungen zu erhöhen und dennoch einen niedrigen I2t-Wert beizubehalten, wurde eine neue Kühlmethode erforscht.

Neues Konzept für die Entwärmung

Mersen hat ein völlig neuartiges Wärmemanagement für die neuen Sicherungen entwickelt. Dabei stützt sich das Unternehmen auf sein Wissen über die Kühlung von Leistungshalbleitermodulen. Durch eine DCB- und Grundplattenschicht sind die Sicherungselemente so nah wie möglich an einem Kühlkörper positioniert, was eine effiziente Wärmeübertragung ermöglicht. Da die von den PowerPack-Sicherungselementen erzeugte Wärme im Vergleich zu einer Standardsicherung effizient gehandhabt wird, kann mit diesem neuen Design mehr Strom übertragen werden, wobei der I2t-Wert deutlich niedriger bleibt.

Der Gewinn beträgt schätzungsweise 30 Prozent beim Nennstrom, 50 Prozent beim Spitzen-Durchlassstrom und zehnmal weniger I2t im Vergleich zu einer Standardsicherung. Die PowerPack-Nennströme der kompakten gekühlten Sicherungen reichen von 330 A bis 1000 A bei einer Kühlplatte von 65 °C. Wichtig ist dieses innovative Kühlkonzept der Sicherungen vor allem im Hinblick auf die zunehmende Leistungsdichte elektronischer Komponenten.

Kompakte Bauform für schnelles Auslösen

Doch das innovative PowerPack-Wärmemanagement ist nicht der einzige Vorteil der neuen Sicherungen. So trägt das bessere Wärmemanagement der Sicherungselemente dazu bei, deren Größe zu reduzieren, was im Falle eines Kurzschlusses zu einem schnelleren Auslösen führt. Fehlerströme werden deshalb viel schneller unterbrochen. Ein weiteres Merkmal ist die kompakte Größe, die dreimal kleiner ist als bei Standardsicherungen.

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Die Grafik zeigt den Strom- und Spannungsbereich der gekühlten Kompaktsicherung während eines Kurzschlusstests bei 3660 A beziehungsweise 1000 A.
© Mersen

Durch das Design des PowerPacks ist es möglich, die Wärmeentwicklung im Schaltschrank zu eliminieren. Wie bei Halbleitermodulen (SiC oder Si) ermöglicht das PowerPack-Sicherungsmodul die Ableitung der von den Sicherungselementen erzeugten Wärme durch die Grundplatte des Moduls zu einem Kühlkörper. So wird die im Schaltschrank erzeugte Wärme eliminiert. Damit spart das Design nicht nur Platz, sondern bietet auch weitere Vorteile wie etwa eine bessere Zykluszeit.

Einfache Installation dank genormter Abmessungen

Um eine schnelle Integration der Sicherungen in Stromverteilungs- und Speichersysteme zu ermöglichen, hat Mersen die Sicherungen mit denselben Abmessungen versehen, wie sie für Halbleitermodule typisch sind. Auch die Installation wird durch das Design der Sicherungsmodule vereinfacht. Die Verbindung mit einer lamellierten Stromschiene wird einfacher, was auch zu einer geringeren Streuinduktivität führt. Darüber hinaus haben die neuen Sicherungsmodule nur ein Drittel des Gewichts, das Standardsicherungen aufweisen. Das macht es den Herstellern leicht, sie in ihre Anwendungen zu integrieren.

Neuartige Simulationsverfahren kamen zum Einsatz

Der Entwicklungsprozess für das neue Sicherungskonzept dauerte etwas mehr als ein Jahr. Bei der Entwicklung wurden innovative numerische Werkzeuge eingesetzt, die mit multiphysikalischen Simulationsverfahren modelliert wurden. Es zeigte sich, dass ein kompaktes Sicherungsdesign mit Kühlfunktion nicht nur zu einem niedrigeren l2t-Wert, sondern auch zu einem geringeren Spitzenstrom als bei Standardsicherungen führt.

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Mersen hat eine völlig neue Kompaktsicherung entwickelt, die direkt mit einer Kühlplatte verschweißt werden kann.
© Mersen

Durch die thermische Simulation wurde auch deutlich, dass das neue Konzept die Leitfähigkeit der Sicherung um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu einer ungekühlten Sicherung erhöht, wenn sie auf einer Kühlplatte mit einer Temperatur von 65 °C montiert wird. Darüber hinaus bestätigten Kurzschlusstests die hervorragende Leistung der gekühlten Kompaktsicherung gemäß den Normen für Gleichstromsicherungen. Bei einer Nennspannung von 1000 A wurde beispielsweise ein Mindestausschaltvermögen von 3600 A gemessen – das entspricht dem 3,6-Fachen des Nennstroms. Das maximale Ausschaltvermögen der Kompaktsicherung wurde bis zu 30 kA getestet, was nicht der maximalen IR dieser Sicherung entspricht.

Weiterentwicklung

Mit den neuen gekühlten Kompaktsicherungen bietet Mersen ein leistungsstarkes elektrisches Schutzkonzept für Gleichstromanwendungen bis 1000 V an. Inzwischen arbeitet das Forschungs- und Entwicklungsteam von Mersen bereits an der Verbesserung des Sicherungsdesigns. In der nächsten Version wird es auch für DC-Anwendungen bis zu 1500 V geeignet sein.


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