Mensch-Maschine-Schnittstellen

Bedienkonzepte für weniger Ablenkung im Cockpit

19. Mai 2014, 14:37 Uhr | Von Ronald Schaare
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Touchpads auf dem Vormarsch

Die Idee, ein Touchpad für das Fahrzeug­interieur mit haptischem Feedback zu versehen, wurde von Preh erstmals 2007 bei einem Mittelkonsolen-Konzept gezeigt. Damals lag der Clou in einer Kombination aus Telefontastatur und Touchpad. Bei der Ziffernauswahl diente das gesamte Touchpad sozusagen als Taste. Zwar wurde keine systematische Studie durchgeführt, aber es lässt sich sagen, dass die Reaktion sämtlicher Probanden auf das haptische Feedback immer gleich war: Ausnahmslos wurde beschrieben, dass man gespürt habe, wie sich das Touchpad nach unten bewegt. Auch bei konkreter Nachfrage, in welche Richtung sich das Touchpad bewegt habe, kam einheitlich die Antwort „senkrecht nach unten“. Tatsächlich wurde das Touchpad aber um wenige zehntel Millimeter seitwärts gelenkt. Die Prägung durch Erfahrungswerte sorgte dafür, dass die Benutzer dem – von einem Klickgeräusch begleiteten – haptischen Feedback diejenige Bewegungsrichtung zuschreiben, die ihnen von der Tastenbedienung her geläufig ist.

Mit dem Audi-A8-„Multi Media Interface“ (MMI) ging im Jahr 2010 das erste Touchpad im Automobilinterieur in Serie. Seither haben sich Touchpads als gute Möglichkeit erwiesen, die im Umgang mit Smartphones gebräuchlichen Gesten sowie die Schrifterkennung ins Automobil zu bringen.

Während die Funktionsauswahl auf dem Touchpad selbst passiert, wird die dazugehörige Anzeige im zentralen Display dargestellt. So können Gesten wie „swipe to scroll“ oder „pinch to zoom“ ausgeführt werden, ohne dass man auf das Touchpad hinabschauen muss. Ist das Zentraldisplay in der Cockpitmitte auf Höhe des Kombiinstruments oder höher positioniert, sind sehr kurze Kontrollblicke auf die Anzeige machbar, da man den Kopf nur leicht seitwärts wenden muss. Aus ergonomischer Sicht macht eine Positionierung des Touchpad direkt vor der Mittelarmlehne Sinn, weil der Arm während des Bedienvorgangs bequem und stabil ruhen kann. So bleiben die Relativbewegungen von Arm, Hand und Finger auch während der Fahrt gering.

Diesem Prinzip einer möglichst idealen Anzeigeposition bei gleichzeitig optimaler ergonomischer Positionierung des Bedienmoduls folgen diverse Fahrzeughersteller mit zentralen Bediensystemen, wie Audi mit dem MMI und BMW mit dem iDrive Controller. Andere Hersteller, beispielsweise Ford und VW, setzen dagegen auf Touchscreens. Weil der Touchscreen Anzeige- und Eingabeelement zugleich ist, entsteht allerdings ein Konflikt zwischen idealer Bedienposition und Anzeigeposition. Die Lösung ist ein Kompromiss: Das Display kann nur so weit oben positioniert werden, wie es die Erreichung der Funktionsauswahl zulässt. Eine Abstützung des Arms ist nicht gegeben. Somit entstehen bei der Touchscreen-Bedienung während der Fahrt größere Relativbewegungen von Hand und Finger.

Das HMI Usability Lab von Volvo hat im Simulator die Bedienung eines Touchscreen mit der Kombination aus Anzeigedisplay und zentralem Bedienelement auf der Mittelkonsole verglichen [3]. Dabei wurde jeweils die Bedienung von MP3, Radio, Navigation, Telefon sowie von Einstellungen verglichen. Sowohl die Standardabweichung von der Fahrspur als auch die Rate der Gegenlenkbewegungen waren bei der Touchscreen-Bedienung durchweg höher. Für Navigation, Telefon und Einstellungen war beim Touchscreen auch die Dauer der Blickabwendung höher, bei Radio gleich lang und bei MP3 geringer. Die zur Funktionsauswahl benötigte Zeit war beim Touchscreen für MP3, Radio und Einstellungen jeweils länger, und auch die Anzahl der notwenigen Einzelblicke war hier höher.

Ganz anders waren die Ergebnisse für die Funktionen Navigation und Telefon: Hier brauchte man mit dem Touchscreen etwa nur halb so lange und nur halb so viele Einzelblicke wie bei der Kombination aus Anzeigedisplay und Zentralcontroller. Auf diese Zusammenhänge haben die OEMs verschieden reagiert. So setzt zum Beispiel Mazda auf eine Mischform und hat zusätzlich zum Touchscreen auch ein zentrales Bedienelement auf der Mittelkonsole platziert, während BMW beispielsweise ein Touchpad in den iDrive Controller integriert hat. Head-up Displays wiederum vermeiden nicht nur die Blickabwendung, sondern auch eine ständige Änderung der Blickfokussierung.

Die Generation Facebook mag durch die Touchscreen-Bedienung vergleichsweise weniger abgelenkt sein als ein älterer Fahrer, der einen zentralen Controller bedient – oder auch nicht. Denn welche Prägung seiner Bediengewohnheiten ein Fahrer letztlich wirklich mitbringt, ist ungewiss. Zumal neben altersbedingten Unterschieden auch starke regionale Präferenzen existieren – wie beispielsweise eine ausgesprochene Touchscreen-Affinität in Amerika. Studien über diese Aspekte werden künftig sicherlich neue Erkenntnisse bringen. Und so entstehen weiter optimierte Lösungen zur Vermeidung von Ablenkung. Eine für alle Autofahrer ideale Lösung wird es aber auch in Zukunft nicht geben. Um eine reduzierte Ablenkung für alle zu erreichen, braucht es multimodale Bedienmöglichkeiten. So bleibt es letztlich den Fahrern überlassen, sich für die individuell geläufigste Art der Bedienung zu entscheiden – egal wie alt und auf welchem Kontinent sie zuhause sind.


  1. Bedienkonzepte für weniger Ablenkung im Cockpit
  2. Lösungsansatz Multimodalität
  3. Touchpads auf dem Vormarsch
  4. Literatur und Autor

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