Im ÖPNV ist automatisiertes Fahren besonders sinnvoll – ökologisch wie ökonomisch. Das KIT entwickelt deshalb mit den Stadtwerken München und dem Fahrzeughersteller Ebusco elektrische Busse, die einem Lead-Fahrzeug automatisiert folgen. Erste Prototypen sind bereits im Münchner Norden unterwegs.
»Herkömmliche Gelenkbusse oder solche mit Personenanhänger brauchen zu viel Energie und sind nicht flexibel genug einsetzbar, um auf stark schwankende Fahrgastzahlen reagieren zu können«, sagt Professor Eric Sax, Leiter des Instituts für Technik der Informationsverarbeitung (ITIV) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Die Lösung heißt »Platooning«. Dabei fahren mehrere Fahrzeuge mittels elektronischer Steuerung in engem Abstand hintereinander. Diese Kolonnen können beliebig an den jeweiligen Bedarf angepasst werden. Beim Platooning muss nur das vorderste Fahrzeug durch eine Fahrerin oder einen Fahrer gesteuert werden, alle weiteren folgen automatisiert.
Verbunden sind die Fahrzeuge der Formation dabei nicht physisch, sondern nur informationstechnisch. Die »elektronische Deichsel« kann leicht entkoppelt und die Bus-Platoons dadurch umstandslos geteilt und wieder verbunden werden.
»Durch Platooning kann man den Busbetrieb optimal an den Bedarf je nach Tageszeit oder Linie anpassen – besonders im städtischen Umland«, sagt Nicole Kechler vom ITIV. Neben der Flexibilität gibt es weitere Vorteile für die städtischen Busbetriebe: Einheitsgrößen und Standards für die Fahrzeuge machen Entwicklung, Herstellung und Betrieb der Busse effizienter und somit den gesamten Prozess der Elektrifizierung des Stadtbusverkehrs viel preiswerter. Außerdem erlaubt ein elektrisches Fahrzeug eine deutlich einfachere Umsetzung der automatisierten Lenkung, Verzögerung und Beschleunigung als ein vergleichbares Dieselfahrzeug.
Für das Platooning sind noch einige technische Herausforderungen zu lösen: Etwa darf der Abstand zwischen den Bussen nicht zu groß sein, damit keine anderen Fahrzeuge dazwischen einscheren. Darüber hinaus muss das System erkennen, wenn Fußgängerinnen oder Fußgänger zwischen die Busse treten. Ebenso muss der Einfluss von Eis, Staub und Schnee beachtet werden.
Für Sicherheit sorgen dabei Sensoren: Lidar-, Radar- und Kamerasysteme überwachen Abstand und Zwischenraum. Fahrzeugdaten wie Position, Lenkwinkel und Geschwindigkeit werden per Funk an das folgende Fahrzeug übertragen. So wird beispielsweise ein Bremsmanöver des vorderen Busses vom Folgefahrzeug zum einen durch ein durch die Luft übertragenes Signal und zusätzlich durch das Aufleuchten des Bremslichtes erkannt.
»Wir haben zunächst die Konzepte für das Platooning von Stadtbussen und anschließend die entsprechenden Algorithmen für die Automatisierung entwickelt«, sagt Kechler. Diese werden in einem Bus-Prototyp verwendet, den die Forschenden des KIT gemeinsam mit den SWM und dem niederländischen Elektrobushersteller Ebusco bereits verwirklicht haben. Dieser wird auf dem Testfeld für elektrifizierte und automatisierte Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr im Norden der bayerischen Landeshauptstadt im kommenden Jahr getestet. »Unser Ziel ist es, die neuen Fahrzeuge ab Mitte des Jahrzehnts im Regelbetrieb auf die Straße zu bringen.«
Das Projekt TEMPUS »Testfeld München – Pilotversuch Urbaner automatisierter Straßenverkehr« unter anderem mit den Projektpartnern KIT, SWM und Ebusco startete Anfang 2021 und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMDV) für die Laufzeit von zweieinhalb Jahren mit rund 12 Millionen Euro gefördert. Die Federführung liegt beim Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München.
Für die realitätsnahe Erprobung von automatisierten und vernetzten Fahrzeugen im realen Verkehrsgeschehen errichten und betreiben die Landeshauptstadt München und der Freistaat Bayern ein urbanes Testfeld für automatisierte und vernetzte Fahrzeuge im Norden von München.