Nicht nur die Elektronik wird in diesem Jahr 60 Jahre. Auch die Mercedes-SL-Baureihe, die so viele Traumautos hervorgebracht hat, feiert ihren 60. Geburtstag. Da die Elektronik aber kein Oldtimer-Blatt ist, beleuchtet dieser Artikel die Entwicklung der Elektrik und Elektronik dieser Autos in den letzten 60 Jahren.
Am Anfang stand der Motorsport. Mit dem Rennsportwagen 300 SL und seinen Erfolgen in internationalen Wettbewerben beginnt 1952 die Geschichte der Mercedes SL-Baureihe („Super-Leicht“). Zwei Jahre später - exakt dem Jahr des ersten eigenständigen Hefts der Elektronik - begründen die Typen 300 SL und 190 SL die Tradition der legendären Sportwagenfamilie als Flügeltüren-Coupé und Roadster.
Zu dieser Zeit steckte die Elektrik des Fahrzeugs noch in den Kinderschuhen, von Elektronik war noch keine Spur. Bis 1953 blieb der Stand der Fahrzeugelektrik im Wesentlichen auf Vorkriegsniveau und umfasste am Beispiel des Modells 170 V eine „vollständige elektrische Ausrüstung mit 75-Ah-Batterie, dreifacher Schaltung (0 = aus, 1 = Hupe und Winker, 2 = Licht an), Fußabblendung, elektrischen Doppelscheinwerfern, Fahrtrichtungsanzeigern mit Kontrolllampe, Signalring auf dem Lenkrad, Deckenbeleuchtung und Einbaumöglichkeit für Radio“, wie es im Verkaufsprospekt des Fahrzeugs hieß.
Mitte der 1950er Jahre erfolgte die generelle Umstellung der Bordnetze von 6 auf 12 V. Das Thema EMV tauchte erstmals im Jahr 1958 auf, als der Gesetzgeber eine Fernentstörung für alle Fahrzeuge mit Ottomotor vorschrieb. Ende der 1950er Jahre hielt mit Einführung der Variode beim Generatorregler einHalbleiterbauelement bei Daimler-Benz Einzug in die Automobilelektronik.
1959 führte Daimler-Benz den multifunktionalen Licht-Drehschalter ein, den es heute noch gibt. Außerdem setzte Mercedes anstelle von Schraubklemmen und Lötverbindungen den ersten Rundsteckverbinder ein. 1962 wurden die ersten Sitzheizungen eingeführt, allerdings noch ohne Schutzabschaltung. Die erste Drehstromlichtmaschine erlebte ihr Debut 1963 im Mercedes 230 SL (Pagode) und erzeugte mit 35 A eine Leistung von 420 W. 1965 ging der Kombischalter mit Blinkfunktion, Abblend-/Fernlichtumschaltung, Lichthupe sowie Wisch- und Waschfunktion in Serie.
Von der Elektrik zur Elektronik
Ab dem Jahr 1968 hielt endgültig die Elektronik Einzug ins Fahrzeug. Auf dem Pariser Automobilsalon wurde die erste elektronisch gesteuerte Benzineinspritzung, die D-Jetronic, vorgestellt. Das Steuergerät zeigte bald massive Zuverlässigkeitsprobleme, deren Gründe weniger in der Elektronik selbst als vielmehr in der Steckverbindung zum Steuergerät lagen. Als sich Ausfälle häuften, verloren die Motorenentwickler das Vertrauen in die Elektronik und setzten wieder auf mechanische Einspritzungen. Erst 1976 löste die K-Jetronic von Bosch dann die mechanischen Systeme endgültig ab.
Nicht nur bei der Einspritzung, sondern auch bei der Zündung begann 1968 das Elektronik-Zeitalter. Es sollten die bisher üblichen Unterbrecherkontakte, die häufig wegen Abbrands zu Zündungsausfällen führten, entlastet werden. Also schaltete man den Zündstrom durch einen Leistungstransistor. So muss der Unterbrecher nur noch den Steuerstrom für den Transistor aushalten. Wie bei der ersten elektronischen Einspritzung traten auch bei der elek-tronischen Zündung deutliche Zuverlässigkeitsprobleme auf.
Ab 1974 kommen auf Druck der amerikanischen Kundschaft die ersten elek-tronischen Geschwindigkeitsregelanlagen in die Fahrzeuge für den US-Markt, zunächst als Zukauf von Philco Ford. Erst ab 1975 werden eigene Geschwindigkeitsregler entwickelt.
Das erste ABS-System ging 1978 in Serie. Bereits in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wurden erste Untersuchungen dazu durchgeführt, allerdings mit unbefriedigendem Ausgang. 1963 startete Daimler-Benz erneut die ABS-Entwicklung und fand 1966 in der Firma Teldix, die später von Bosch übernommen wurde, einen Partner, der ein erfolgversprechendes System vorstellte. Die erste Generation mit analoger Elektronik ging nie in Serie. Erst mit digitaler Elektronik und einem Prozessor von Motorola kam der Serien-Durchbruch.
In den 1980er Jahren setzte sich dann die Elektronik auf breiter Front durch. 1982 kam die Zentralelektrik, die Sicherungen, Steuergeräte und Relais zusammenfasste. Der Reiserechner oder Bord-Computer folgte 1983. Die elektronische Zündanlage EZL ohne bewegliche Teile setzte 1985 mit dann mit einem 2 × 4 Zoll großen Keramik-Dickschicht-Hybridmodul neue Maßstäbe in der Integration.
Ab 1986 konnte man in allen Mercedes-Modellen eine elektronische Außentemperaturanzeige ordern. 1986 wurden auch die elektronischen Traktionssysteme ASD (Automatisches Sperr-Differenzial) und ASR (Anti-Schlupf-Regelung) eingeführt, die 1995 in das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) mündeten. Das erste Bord-Diagnose-System kam 1988 zunächst in die Fahrzeuge, die nach Kalifornien geliefert wurden. Die totale Elektronifizierung setzte 1989 mit dem Mercedes SL-Roadster (R129) ein. Unter Berücksichtigung aller Sonderausstattungen brachte es dieses Fahrzeug auf 58 Mikrocontroller.
Dieser Elektronik-Wildwuchs brachte erhebliche Probleme mit sich. Also machte man sich über eine einheitliche Vernetzung der Steuergeräte Gedanken und führte ab 1991 den CAN-Bus ein. Das erste Navigationssystem mit Satellitenunterstützung (GPS) kam 1995 in die Fahrzeuge und 1997 sorgte auch ein Gyro-Sensor für korrekte Daten über die Bewegungen des Fahrzeugs.
Ab 1997 setzte die vollständige Fahrzeugvernetzung ein, die weitere elektronische Funktionen wie Bremsassistenten, elektronischen Fahrzeugschlüssel, Notrufsystem und Sprachbedienung ermöglichten. Ab 1998 ging der Abstandregeltempomat (Distronic) in Serie. 2001 kam in der SL-Baureihe (R230) ein elektronisches Fahrdynamikregelungssystem hinzu, das die kontinuierliche Anpassung der Dämpfung an die jeweilige Fahrsituation erledigt. 2008 führte Mercedes dann die intelligente Fahrlichtregelung (Intelligent Light System) für den R230 ein, die für eine perfekte Ausleuchtung bei unterschiedlichen Straßen- und Sichtbedingungen sorgen soll.
Über die letzten 60 Jahre nahm die Wertschöpfung der Elektrik/Elektronik kontinuierlich zu und dürfte heute bei rund 40 Prozent liegen.