Müssen die Maschinentechniker anders ausgebildet werden - sprich programmieren können?
Es geht für diese Unternehmen nicht darum, IT-Lösungen zu entwickeln. In den angebotenen IT-Lösungen steckt die eigentliche Intelligenz nicht drin, diese steckt im Anwenderwissen. Wir wissen unglaublich viel über unser Produkte und wie der Kunde sie nutzt. Da brauche ich erst einmal gar keinen Algorithmus.
Die IT-Kompetenz muss sicher weiter ausgeprägt werden, aber in welche Richtung, darauf habe auch ich noch keine abschließende Antwort. IT-Kompetenz ist nicht gleich IT-Kompetenz. Wir haben es sicher ein Stück weit verpasst, den Bereich Produktion für IT-affine Menschen spannend zu machen, obwohl er spannend ist. Das Bild des produzierenden Unternehmen gilt in IT-Kreisen oft etwas als "angestaubt" und das wollen wir hier etwas gerade rücken.
Können Sie uns ein Praxisbeispiel nennen, wo ein Start-Up oder KMU eine von einem größeren Unternehmen entwickelte Technologie für sich weiterentwickelt hat?
Wir haben mit der Firma TopoCare, die die Technologie von Claas einsetzt, ein prominentes Beispiel im letzten Jahr auf der Hannover Messe vorgestellt: Topocare hat eine intelligente Deichbaumaschine für den Hochwasserschutz entwickelt. Mit einer weltweit einzigartigen Wickeltechnik lassen sich Endlosschläuche für den Deichbau herstellen - direkt vor Ort an Flussufern und Küstenabschnitten, die von Überflutung bedroht sind. So richtig smart wird diese Art des Hochwasserschutzes aber erst durch eine Prozessmodellierung, die einzelne Arbeitsschritte und Akteure aufeinander abstimmt, um im Katastrophenfall schnell und effizient reagieren zu können. Den Grundstein dafür legte die Technologie von Claas, die bereits beim "Smart Farming", also in der Landwirtschaft eingesetzt wird.
Wie sieht das wirtschaftliche Modell hinter den Technologietransfers aus - erwirbt der KMU die Technologie der Großen in Lizenz oder Ähnliches?
IP-Management ist in einem Cluster sicher eines der schwierigsten Punkte. Wir haben im Cluster eine standardisierte Kooperationsvereinbarung zwischen dem Technologienehmer und dem Technologiegeber. Die Zusammenarbeit erfolgt eng mit den Forschungsinstituten, die eine Lösung für ein größeres Unternehmen im Rahmen des Cluster entwickelt haben. Hieraus werden teilweise "Bausteine" herausgezogen und mit den Unternehmen werden Technologien entwickelt und vor die Klammer gezogen, wie wir das nennen. Diese legen wir gedanklich in eine unternehmensneutrale Technologieplattform. Die Schutzrechte klären die Unternehmen jeweils direkt unter sich.
Was muss ein Unternehmen tun, um Partner bei it´s OWL zu werden oder um eine Technologie nutzen zu können?
Im Prinzip muss man bereit sein, ein Projekt durchzuführen, bei dem man sich monetär beteiligt. Denn wir wollen hier nicht nur ein Netzwerk zum Austausch haben, sondern konkret Technologie-Projekte vorwärts bringen. Das ist also die erste Voraussetzung. Die zweite Voraussetzung derzeit ist noch, dass das Unternehmen aus der Region kommt. Wir sind momentan in Diskussion, uns weiter zu öffnen, aber das muss man sehen. Wir haben bereits Partner, die nicht aus der Region kommen, wir schotten uns also nicht ab. Aber natürlich wollten wir die Region nach vorne bringen, insofern ist das ein Für und Wider. Daneben gibt es außerdem noch die formale Mitgliedschaft in unserem Verein.
Gibt es internationale Kooperationen zwischen it´s OWL und anderen Ländern mit Industrie 4.0 "Bestrebungen" z. B. China?
Die europäischen Kooperationen sind bei uns sehr ausgeprägt, weil man Themen wie Standardisierungen und Zertifizierungen europäisch treiben muss. Wir müssen hier Position beziehen und sind auch sehr aktiv, zum Teil auf Partner- und Clusterebenen.
In China waren wir schon zwei Mal zu Besuch. - Begleitend führen wir auch ganz bewusste Benchmarks durch, wo andere Länder stehen. China ist sehr wissbegierig und möchte Wissen abgreifen. Wir wollen international kooperieren, das ist keine Frage Aber wir müssen auch erst einmal unsere Unternehmen hierzulande befähigen, bevor wir international befähigen.
Die jüngste Neuigkeit in punkto Industrie 4.0 ist sicher die Kooperationsvereinbarung zwischen der Plattform Industrie 4.0 und dem IIC - hat das auch Auswirkungen auf Ihre Arbeit? Müssen neue Anforderungen berücksichtigt werden?
Die Kooperation wird erst einmal bei den Referenzarchitekturen stattfinden und das ist sehr begrüßenswert. Denn diese Thematik ist sehr komplex. Wir sind der Ansicht, dass es eine Referenzarchitektur geben sollte, an der man sich ausrichten kann. Insofern unterstützen wir die Kooperation mit Nachdruck. Aber nichtsdestotrotz ist das ein strategisches Thema, das im Tagesgeschäft eher weniger Einfluss hat.
Industrie 4.0 wird oft auch kontrovers diskutiert, weil man befürchtet, dass durch die Automatisierung Arbeitsplätze verloren gehen - was sagen Sie zu solchen Vorbehalten?
Wir untersuchen derzeit, was an Industrie 4.0 förderlich ist, um neue Arbeitsplätze zu schaffen bzw. wie sich Arbeitsbilder verändern werden. Ich sehe Industrie 4.0 extrem positiv. Wenn wir sie mitgestalten, können wir sie um den Menschen herum gestalten. Wenn wir nicht mitbestimmen, bekommen wir Technologien aufgedrückt. Wir sollten versuchen, möglichst viel Technologie in die Fabriken hierzulande hineinzubekommen, denn das wiederum schmälert die Gefahr, dass große Firmen ihre Produktion aus Deutschland abziehen. Arbeitsbilder werden sich sicher ändern, aber ich bin überzeugt davon, dass auch in Zukunft nicht alles "Remote" ablaufen wird und ein Bediener nicht mehrere verschiedene Linien remote bedienen wird. Die Komplexität unserer Produktionsprozesse hilft uns dabei, dass auch in Zukunft nicht alles durch IT-Systeme "erschlagen" wird.