Bildverarbeitung: Krise stellt technische Trends in Frage

28. August 2009, 10:00 Uhr | Andreas Knoll, Markt&Technik
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Power over Ethernet


Keppler sieht hier allerdings Einschränkungen: »Solange man nur eine oder zwei Kameras hat – kein Thema, zumal Analogkameras ja auch vielfältige Triggermöglichkeiten bieten«, führt er aus. »Es ist aber sehr aufwändig, analoge Systeme mit den nötigen Kabeln und Triggern aufzubauen, sobald mehr als drei oder vier Kameras zu integrieren sind.« Darüber hinaus bieten Digitalkameras Funktionen, die mit Analoggeräten nicht möglich sind: »Mit Analogtechnik können Sie keine Defekte korrigieren und keine Bildspiegelung machen – all diese Dinge, die heutzutage von den Kameras zunehmend gefordert werden, sind der Ursprung des Trends zur Digitaltechnik«, erklärt Linkemann.

Power over Ethernet

Den Vorteil, dass Datenübertragung und Stromversorgung nur ein Kabel erfordern, hat die Analogtechnik mittlerweile gegenüber Gigabit Ethernet eingebüßt: Power over Ethernet (PoE) ermöglicht es auch in Bildverarbeitungs-Systemen mit Gigabit Ethernet, beides über ein Kabel laufen zu lassen. Leutron Vision gehört zu den Pionieren des Verfahrens: »Auch bei uns ist Gigabit Ethernet der am stärksten wachsende Produktbereich, und ich sehe durch PoE einen weiteren Schub«, formuliert Simnacher.

»Wir haben das bei Power over CameraLink (PoCL) gesehen, wo jahrelang die Spannungsversorgung über ein gemeinsames Daten- und Stromkabel gefehlt hat. Als wir die Funktion bieten konnten, gab es eindeutig noch mal einen Schub.« Und weil die Kunden dies von der Analogtechnik her gewohnt seien, werde es sich bei PoE ebenfalls zeigen, dass es akzeptiert werde.« Eine kleine Schwachstelle räumt er allerdings ein: »Die Triggerung ist bei Gigabit Ethernet nicht so gut gelöst wie bei CameraLink«, sagt er. »Wenn aber das Zeitverhalten von Gigabit Ethernet ausreicht, ist das integrierte Kabel für Daten und Strom ein starkes Argument.«



Als zweischneidiges Schwert betrachtet Keppler PoE: »Es gibt viele Applikationen, für die PoE unbestritten nützlich ist, und andere, bei denen es keinen echten Mehrwert hat«, führt er aus. »Wenn die Kamera auf einem Roboterarm befestigt ist, bin ich froh um jedes Kabel, das ich nicht dorthin verlegen muss. Für Kameras mit hoher IP-Schutzart, die entsprechend geschützte Kabeldurchführungen erfordern, gilt dasselbe.« Bei vielen Applikationen habe er, Keppler, aber eher Bedenken, vor allem wenn große Kabellängen nötig seien: »Funktioniert PoE wirklich über 100 Meter zuverlässig? Wie viele Kameras lassen sich über PoE versorgen?« Hier gelte es, Erfahrungen zu sammeln.

Aus Rauschers Sicht ist die PoE-Funktion stark vom Marketing getrieben: »Dass bei CameraLink ein separates Stromversorgungskabel vonnöten ist, war vor der Einführung von PoCL nie ein großes Diskussionsthema«, sagt er. »Aus meiner Sicht gehört PoCL deshalb zu den typischen Marketing-Features – wer es anbietet, kann auf dem Datenblatt das entsprechende Häkchen machen. Die weitaus meisten Kunden fragen nicht nach PoCL – und genauso verhält es sich bei PoE.«

Alles Megapixel oder was?

Wie auf dem Consumer-Markt werben Industriekamera-Hersteller mittlerweile mit Bildsensor-Auflösungen von 11 oder sogar 16 Megapixel. In bestimmten Anwendungen wie der Inspektion von Solarzellen-Wafern mögen derart hohe Auflösungen sinnvoll sein, aber für das Gros der Applikationen sind sie schlichtweg unnötig. »Die Masse der Bildverarbeitungs-Anwendungen in der Industrie hat nur einen relativ geringen Anspruch an hohe Bildqualität«, stellt Rauscher klar.

Linkemann pflichtet ihm bei: »Es gibt einen großen Trend bei den Bildsensoren, der in die falsche Richtung läuft und da lautet: Wie viele Megapixel sind geboten?«, führt er aus. »Es gibt Kunden, die eine 3-Megapixel-Kamera kaufen und ein 50-bis-80-Euro-Objektiv draufschrauben. Da hätten sie auch eine VGA-Kamera nehmen können und bekämen die gleiche Auflösung. Irgendwann werden die Leute merken, dass die Bildqualität von 11- oder gar 16-Megapixel-Kameras wegen Füllfaktor, Signal-Rausch-Verhältnis und Ähnlichem nicht unbedingt besser ist als die von Kameras mit deutlich geringeren Auflösungen.«

Und Rauscher wiederum: »Die meisten Kameras, die wir verkaufen, haben immer noch Auflösungen von VGA oder SVGA«, sagt er. »Wer bei uns Kameras mit 3 Megapixel erwirbt, hat Applikationen mit entsprechenden technischen Anforderungen.« Aus Linkemanns Sicht geht der Trend zwar zu höheren Auflösungen als VGA, aber nicht in den Multi-Megapixel-Bereich: »In der IBV wandern die Kunden von VGA weg und nehmen Auflösungen wie 1024 x 768 oder 1280 x 1024«, teilt er mit. »Dies sind günstige Größen, mit denen man scharf rechnen kann und auch die Daten, die in den PC gelangen, nicht so umfangreich werden, dass man sie nicht mehr wegspeichern kann.«


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