Pauschal zu sagen, der Raum für intelligente Kameras auf dem Markt werde kleiner oder größer, ist aus Kepplers Sicht ohnehin heikel: »Weil der Begriff nicht sauber definiert ist und eigentlich jeder über etwas anderes spricht, entstehen viele Missverständnisse am Markt, was die Zukunft intelligenter Kameras betrifft«, sagt er. »Ein Trend bei intelligenten Kameras geht zu kleinen, kompakten Systemen mit Da-Vinci-, ARM- oder DSP-Prozessoren. Es gibt am Markt aber auch intelligente Kameras, die letztlich PC-Systemen gleichkommen – die Begriffe ›intelligente Kamera‹ und ›PC-System‹ verschmelzen immer mehr.«
Bei Anwendungen mit mehreren Kameras sei es natürlich am sinnvollsten, einen PC und die entsprechende Zahl von Kameras zu nehmen – eine Aussage, die Ernst Rauscher, Geschäftsführer der Rauscher GmbH, bejaht: »Für größere Applikationen mit beispielsweise vier Kameras empfehle ich den Kunden nicht die intelligente Kamera ›Iris GT‹ von Matrox, die wir vertreiben, sondern schlicht und einfach vier Kameras und einen PC«, führt er aus.
Vision-Sensoren dringen weiter vor
Am unteren Ende des Markts für IBV-Technik angesiedelt sind Vision-Sensoren. Vor ein paar Jahren erstmals auf den Markt gekommen, umfassen sie ein komplettes Bildverarbeitungs-System in einem kompakten Gehäuse und sind für eine bestimmte Anwendung wie Code-Lesen oder Anwesenheitskontrolle konzipiert. Nach wie vor verzeichnen sie hohe Wachstumsraten: Ihr Umsatzwert stieg 2008 laut Erhebungen des VDMA in der deutschen IBV-Branche gegenüber dem Vorjahr um 33 Prozent. Neuere Daten sind bisher nicht verfügbar.
»Im unteren Marktsegment werden Vision-Sensoren tatsächlich sehr stark werden«, kommentiert Rauscher. »Sobald es aber komplexer wird, werden PC-Systeme weiterhin gefragt sein, zumal deren Komponenten wie etwa Kameras billiger werden. Es liegt dann nahe, sich eine Lösung mit dem PC aufzubauen.« Auch die Abwärtstendenz bei den Preisen für Standard-Industriekameras dürfte also der Renaissance der PC-Bildverarbeitungssysteme Vorschub leisten.
Im Aufwind sieht die Vision-Sensoren auch Schmidgall: »Sie sind der Appetitmacher für Firmen, die mit Bildverarbeitung bisher nicht viel zu tun hatten«, sagt er. »Die Unternehmen werden die Möglichkeiten der Bildverarbeitung entdecken und dann auch auf Mehrkamerasysteme und komplexere Aufgaben stoßen, die mit den Sensoren eben nicht abzudecken sind und wo dann ein fließender Übergang vom Vision-Sensor über die intelligente Kamera hin zum PC-gestützten System erfolgt.«
GigE Vision: Viel PR – und viel dahinter
Wer die Anzahl der PR-Veröffentlichungen als Maßstab nimmt, bekommt den Eindruck, die Gigabit-Ethernet-Schnittstelle verbunden mit dem Transport-Layer-Standard GigE Vision setze sich vollständig durch und lasse in Zukunft kaum noch Raum für andere Interface-Techniken. Inwieweit deckt sich dieser Eindruck nun mit der Wirklichkeit? Dass es in Zukunft noch Platz gibt für andere Standards, darüber sind sich die Experten einig, dass Gigabit Ethernet die Oberhand gewinnt, darüber aber auch.
»Die Durchsetzung von GigE Vision ist nicht nur PR, sondern Realität«, stellt Rauscher klar. »Es ist zwar durchaus viel PR im Spiel, aber die Realität ist größer als die PR; wir sehen das eindeutig, wobei wir wirklich neutral sind, weil wir auch CameraLink-Framegrabber verkaufen.« GigE Vision werde nicht nur von den Kameraherstellern vorangetrieben, sondern ganz klar auch vom Markt. »Die Kunden sagen: ›Ich will ein leicht anzusteckendes, preisgünstiges und langes Kabel‹ – die Kabellänge bei Gigabit Ethernet beträgt ja bis zu 100 Meter«, berichtet Rauscher. »In jedem Rechner, in jedem Laptop ist die Schnittstelle vorhanden, und ein Framegrabber ist nicht mehr erforderlich.« Ein weiteres Argument für Gigabit Ethernet führt Linkemann ins Feld: »Die Schnittstelle wird auch in fünf oder zehn Jahren noch auf jedem Motherboard vorhanden sein, was ich beispielsweise bei FireWire für fraglich halte.«