Über diesen Markt habe das Unternehmen schon früh Zugang zu ganz anderen Branchen gefunden: »Wir sind beispielsweise aktiv in der Verkehrstechnik, aber auch in Branchen, an die man zunächst überhaupt nicht denkt, etwa Unterhaltung, Freizeitparks oder auch Sport, wo es um Assistenzsysteme für die Auswertung und Übertragung von Sportereignissen geht. Dies sind Branchen, die überhaupt nicht von der Krise betroffen sind.«
Nicht-industrielle Anwendungen
Was Investitionen in nicht-industrielle Absatzmärkte angeht, kann Linkemann aus Erfahrung sprechen: »Intelligente Verkehrssysteme und Medizintechnik sind die Anwendungsfelder, in die man jetzt sein Geld am ehesten hineinstecken sollte, nicht etwa das Produktsortiment für die Halbleiterbranche, die ja, wie ich schon festgestellt habe, gigantische Einbrüche verzeichnet hat«, betont er. »Dies heißt nicht, dass wir solche Bereiche völlig vernachlässigen, aber momentan müssen wir einfach diejenigen stärker berücksichtigen, in denen wir kurz- und mittelfristig mehr Geld verdienen können. Wir haben ja seinerzeit unsere Produktpalette um Sicherheits- und Überwachungskameras ergänzt, weil wir gesehen haben, dass es sich dabei um einen großen und breit gefächerten Markt handelt, der stark von Analogtechnik durchdrungen ist, aber in Zukunft auch Digitalkameras erfordern wird.«
In den Märkten für Verkehrs-, Medizin-, Sicherheits- und Überwachungstechnik hat die europäische Bildverarbeitungs-Branche einen Startvorteil: »Sie bietet auch kreative und innovative Software-Konzepte an und erschließt damit ganz neue Anwendungen wie die Fahrzeugtyperkennung in Mautsystemen, die ermittelt, ob es sich bei einem vorbeifahrenden Fahrzeug um einen Pkw, Lkw, Omnibus oder ein Taxi handelt«, erläutert Keppler. »Hier sind wiederum ganzheitliche Lösungen erforderlich, im Gegensatz zur reinen Komponente IP-Kamera, wo beispielsweise die taiwanesische Bildverarbeitungs-Industrie stark vertreten ist.«
Allerdings werden sich Unternehmen, die ihre Kräfte bisher auf die IBV konzentriert haben, zum jetzigen Zeitpunkt nicht ohne weiteres mittels der nicht-industriellen Märkte aus der Krise katapultieren können: »Wer jetzt sagt, ich reagiere auf die Krise und beackere die neuen Märkte, der wird in diesem Jahr nicht mehr viel Glück haben«, gibt Noffz zu bedenken. »Jeder Markt, den er außerhalb der IBV angehen will, stellt nämlich besondere Anforderungen und bringt spezifische Probleme mit sich. Es lässt sich überhaupt nicht sagen, IBV sei das Komplexeste und die anderen Applikationen seien so einfach, dass man sie für das nächste halbe Jahr noch mitnehmen könne.« Wer jetzt in neue Märkte einsteige, werde dort erst nach der Krise Kunden haben.
Worauf es in schwierigen Zeiten ankommt, bringt Dr. Wolfgang Eckstein, Geschäftsführer von MVTec Software, auf den Punkt: »Wer nicht nur in der IBV tätig ist, sondern auch in anderen Märkten, steht stabiler da; wer nicht nur im deutschsprachigen Raum vertreten ist, sondern in allen Kontinenten, steht ebenfalls stabiler da«, sagt er. »Wir müssen mehrgleisig fahren: Kurzfristig muss der Cash-Flow da sein, gleichzeitig muss man langfristig agieren, um die Zukunft zu sichern, dann muss man noch Kosten reduzieren – mit diesem Mix hat man eigentlich gute Chancen.«
Preisverfall bei Industriekameras
Schon vor der Krise waren die Preise für Standard-Industriekameras einem spürbaren Druck ausgesetzt. Immer mehr Bildverarbeitungstechnik-Hersteller – auch Firmen, die nie analoge Industriekameras produziert hatten, sondern Framegrabber oder andere IBV-Komponenten – hatten digitale Industriekameras auf den Markt gebracht und damit den Wettbewerb verschärft. Die Krise hat den Preisdruck noch einmal gesteigert: »Wegen der Umsatzeinbrüche wird vor allem in Japan, einem sehr halbleiterlastigen Markt, ein extremer Preiskrieg geführt, von dem am ehesten die Kamerahersteller betroffen sind«, betont Eckstein.