Der Bildverarbeitungstechnik-Hersteller Vision & Control bietet ein großes Sortiment von Bildverarbeitungs-Komponenten, die einen Produktbaukasten bilden. Von Systemintegration hält das Unternehmen aber Abstand. Gründer und Geschäftsführer Dr. Jürgen Geffe erläutert diese Strategie näher.
Markt&Technik: Welche Komponenten umfasst der Produktbaukasten Ihres Unternehmens?
Dr. Jürgen Geffe: Vision & Control bietet intelligente Kameras und Mehrkamerasysteme, Hochleistungs-LED-Beleuchtungen sowie Präzisionsoptiken an. Zur Lösung von Machine-Vision-Aufgaben sind die Produkte innerhalb des Baukastens aufeinander abgestimmt. Unsere Kunden, vorrangig Maschinenhersteller und Systemhäuser, können aus dem vielseitigen Angebot des Baukastens die nötigen Komponenten für ihre individuelle Lösung auswählen.
Sind alle Komponenten aus dem Produktbaukasten Ihres Unternehmens - abgesehen von den AVT- und Basler-Kameras für die »vicosys«-Mehrkamerasysteme - selbst entwickelt und gefertigt?
Die Komponenten des Produktbaukastens sind selbst entwickelt und werden im Haus - Made in Germany - gefertigt. Ausgerichtet auf unsere Zielmärkte bauen wir unsere Kompetenzen stetig weiter aus. Das 2009 fertiggestellte Firmengebäude bietet Platz für Wachstum.
Welche Branchen und Anwendungen hat Ihr Unternehmen mit seinem Produktbaukasten im Visier?
Wir fokussieren uns auf die Bereiche Montage und Handhabung sowie Verpacken und Befüllen. Hier sind wir vor allem in den Branchen Automotive, Pharma, Elektronikfertigung, Lebensmittel und Getränke sowie Solar/Photovoltaik aktiv. Die Anwendungsfelder sind vielfältiger Natur: Sie reichen von der Kontrolle von Verpackungen und des Packguts über Füllstandskontrolle, Kontrolle auf Vollständigkeit, Lagekontrolle, Verschlusskontrolle, Kontrolle von Aufdrucken, Palettierung und De-Palettierung bis hin zu Traceability. Des Weiteren sind Bahnverfolgung, Vollständigkeitskontrolle und Positionskontrolle zu nennen.
Inwieweit betreibt Ihr Unternehmen auch Systemintegration?
Zu unseren Firmengrundsätzen gehört es, keine Systemintegration zu betreiben. Wir sind Hersteller von Komponenten - die Systemintegration übernehmen unsere Kunden und Systempartner. Diese können auf unsere Labore zurückgreifen und werden intensiv von unseren Service- und Support-Mitarbeitern unterstützt und geschult. Wir beraten die Kunden bei allen Fragen zu Integrationsaufgaben und liefern weltweiten Service für unsere Produkte.
Kunden, die bei Vision & Control eine Systemlösung suchen, werden von Vision & Control beraten. Für die Systemintegration selbst sind die von uns autorisierten Systempartner zuständig. Darüber hinaus bietet die zum Firmenverbund gehörende Vision Academy GmbH regelmäßig Technologie- und Integrations-Schulungen an.
Warum setzt Vision & Control bei seinen intelligenten Kameras auf Ethernet-Anbindung via Sercos III, obwohl Ethernet-Systeme wie Profinet und EtherCAT weiter verbreitet sind?
Der Automatisierungsbus Sercos III bietet Anwendern und Entwicklern eine weitreichende Komponentenvielfalt. Das sind beispielsweise Achsen und Achssysteme, Achs-Controller über SPS und Antriebe sowie Sensorik und weitere Peripherie. Hohe Datenübertragungsraten und kurze Zykluszeiten bei gleichzeitiger Störsicherheit sind wichtige Argumente, weshalb Sercos bereits von vielen Maschinen- und Anlagenherstellern eingesetzt wird.
Vision-Systeme mit Feldbus-Interface bieten neue Möglichkeiten für die Steuerung von Maschinen und Anlagen. Durch die direkte Kopplung der Bildverarbeitung mit der Antriebs- und Steuerungstechnik lässt sich die Taktzeit der automatisierten Prozesse optimieren und die Präzision der Fertigungsanlagen erhöhen.
Neben Sercos bieten die Systeme von Vision & Control auch CANopen, Modbus und Ethernet. Profinet und EtherCAT sind aktuell mit Konvertern erhältlich. Das Sercos-Interface ermöglicht jedoch durch seine harte Echtzeitfähigkeit und seine hohe Synchronizität optimal angepasste Automatisierungslösungen. Das gilt besonders für die in den Prozessen Verpacken & Befüllen sowie Montage & Handling üblichen Prozessgeschwindigkeiten.
Bietet die Bedien-Software Ihres Unternehmens, speziell die Version »vcwin pro«, auch Algorithmen vergleichbar mit Bildverarbeitungs-Bibliotheken wie »Halcon« von MVTec?
Während »Halcon« primär eine Bibliothek mit Bildverarbeitungs-Algorithmen zur Entwicklung spezifischer Bildverarbeitungs-Systeme ist, handelt es sich bei »vcwin pro« um eine Bedienoberfläche zur Programmierung/Parametrierung der Bildverarbeitungs-Systeme von Vision & Control. Als solche enthält »vcwin pro« keine Algorithmik, sondern dient nur der Parametrierung der Algorithmen, die in den Bildverarbeitungs-Systemen implementiert sind. Insofern ist »vcwin pro« nicht mit »Halcon« vergleichbar.
Generell ist zu beachten, dass »Halcon« sich an Anwender richtet, die eine spezielle Software selbst programmieren wollen, etwa in C++. Unsere Bildverarbeitungs-Systeme sind für Anwender gedacht, die ein komplettes System haben wollen, in dem sie ihren Steuerungs- und Prüfablauf einfach grafisch programmieren können. Generell gibt es Algorithmen, die sowohl in »Halcon« als auch in unseren Bildverarbeitungs-Systemen implementiert sind. Meist sind die Algorithmen in den Bildverarbeitungs-Systemen aber in Befehlen zusammengefasst, die ganze Prüfaufgaben lösen können.
Ein Beispiel ist das Zählen von Objekten mittels Blob-Analyse. Unsere Bildverarbeitungs-Systeme lösen die Aufgabe komplett mit dem Befehl »Blob-Analyse«, der mit Anzahl, Grauwertschwelle und Filtern zu den Objekteigenschaften konfiguriert wird. Wer dagegen mit »Halcon« arbeitet, muss die Aufgabe in folgenden Schritten implementieren: Bild binarisieren, Objekte im Bild suchen, in Programmschleifen die Objekte nach Eigenschaften filtern sowie die verbleibenden Objekte zählen und mit der Sollanzahl vergleichen.
Das Bildverarbeitungs-System fasst also typische Aufgaben zusammen, die in »Halcon« einzeln programmiert werden müssen. Damit erleichtert es die Programmierung der Aufgaben, kann aber unter Umständen für sehr spezielle Aufgaben nicht flexibel genug sein. Wenn man das Vorhandensein von Algorithmen vergleicht, wird man feststellen, dass nicht alle in »Halcon« implementierte Algorithmen auch in Befehlen der Bildverarbeitungs-Systeme von Vision & Control enthalten sind.
Lassen sich Bibliotheken wie »Halcon« in die intelligenten Kameras »pictor T« und »pictor M« sowie die Mehrkamerasysteme der Serie »vicosys« Ihres Unternehmens integrieren?
Ja, sie lassen sich in die »pictor-T«-Kameras und die »vicosys«-Systeme integrieren. Wir bieten ein Software Development Kit (SDK) an, mit dem Anwender den Funktionsumfang der Bildverarbeitungs-Systeme um eigene - in »Halcon« entwickelte - Funktionen erweitern können. Der erweiterte Umfang lässt sich dann mit »vcwin pro« programmieren und parametrieren. Diese Option wird von den intelligenten Kameras der Familie »pictor M« nicht unterstützt.
Im Herbst vergangenen Jahres haben Sie den Anteil an Ihrem Unternehmen, den die Firma Schunk im Jahr 2007 erworben hat, wieder zurückgekauft. Warum?
Tatsächlich habe ich die Geschäftsanteile wieder zurückerworben. Ich führe somit die bereits bewährte Strategie von Vision & Control, Anbieter von Komponenten für die industrielle Bildverarbeitung zu sein, weiter fort.
Wie internationalisiert ist Ihr Unternehmen, d.h. in welchen Ländern ist es mit eigenen Niederlassungen vertreten und in welchen vertreibt es seine Produkte über Distributoren?
Aktuell sind wir außerhalb Deutschlands mit Distributoren unterwegs. In Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien, Tschechien, der Türkei, Brasilien, den USA, Korea und Singapur sind wir auf diese Weise vertreten. Die weitere Internationalisierung des Unternehmens, konkret der Aufbau eigener Niederlassungen, steht auf der Tagesordnung.
SPS IPC Drives: Halle 7A, Stand 636