Wie kommt der Wasserstoff zu den Tankstellen?
Anfangs kommt er zu den Tankstellen auf dem gleichen Weg, über den er auch sonst in der Industrie verteilt wird: In Drucktanks auf LKWs. Außerdem könnte man ihn an günstigen Standorten auch dezentral über erneuerbaren Strom, z.B. aus Wind , und Elektrolyse erzeugen. Langfristig wird er in Deutschland vor allem mit Strom aus großen Windparks CO2-frei erzeugt werden und dann über LKWs oder Pipelines verteilt. Die erste Tankstelle, die komplett CO2-frei funktionieren wird, entsteht derzeit am neuen Flughafen Berlin-Brandenburg International. Wir sehen darin ein Modell für weitere Tankstellen.
Nun schlug die Euphorie für Brennstoffzellen 2000 schon einmal hohe Wellen, danach war nicht mehr viel davon zu hören. Was soll diesmal anders sein?
Das stimmt, 2000 schienen in der öffentlichen Wahrnehmung die Brennstoffzellen des Rätsels Lösung für den Kraftfahrzeugantrieb zu sein. Offenbar kann sich die öffentliche Wahrnehmung immer nur auf ein Technikthema konzentrieren und erwartet dann davon die perfekte Lösung aller Probleme. Die Brennstoffzellen-Euphorie wurde von der Biobrennstoff-Euphorie abgelöst und jetzt stehen die Elektroautos mit Batterie hoch im Kurs. Wir wissen allerdings: Nur ein Mix verschiedener Techniken kann uns weiter bringen, und nichts geschieht über Nacht. Wir reden schließlich über die Umwandlung des Energieversorgungssystems für den Verkehr – und der macht immerhin mehr als ein Viertel des Primärenergieverbrauchs in Deutschland aus.
Interessant ist aber, dass die Industrie über die letzen zehn Jahre konsistent an den Brennstoffzellen weiter entwickelt hat, auch wenn es in der Öffentlichkeit um die Technik etwas ruhig geworden ist.
Aber ist es ist doch erstaunlich, dass es bisher noch kein Ziel für das Tankstellennetz bis 2015 gibt?
Das ist nicht erstaunlich, denn alles muss gut durchdacht sein. Für die Unternehmen sind damit schließlich erhebliche Investitionen verbunden. Man wird sicherlich nicht bis 2015 in die Fläche gehen können, aber für Ballungsräume sollten Infrastrukturen aufgebaut werden. Man muss also sehr sorgfältig durchspielen, wie der Aufbau voranschreiten soll. Deshalb arbeiten die Beteiligten noch an der Ausarbeitung der Pläne.
Wer sind die Beteiligten genau?
Das ist das Neue und das was mich sehr optimistisch stimmt, alle sprechen miteinander: Erstens die Automobilhersteller von Daimler über VW, BMW, Ford, Opel, Toyota, Honda, bis zu Hyundai. Zweitens die Mineralöl-Firmen wie Total, Shell und OMV. Drittens die Energieerzeuger wie EnBW und Vattenfall, für die Wasserstoff eine Speicher-Option im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien im Stromsektor ist. Und viertens die Gasehersteller wie Linde, Air Liquide und Air Products. Jetzt ziehen erstmals alle an einem Strang und sie wollen das Ziel, eine Wasserstoff-Infrastruktur aufzubauen, wirklich erreichen.
Die Kosten für Batterien liegen immer noch sehr hoch, die für Brennstoffzellen ebenfalls. In optimistischen Studien wird sowohl Batterien als auch Brennstoffzellen ein dramatischer Preisverfall vorausgesagt. Lohnt es sich also, für beide Techniken jeweils eine Infrastruktur aufzubauen?
Die Studien, die das Kostenreduktionspotenzial von Batterien und Brennstoffzellen aufzeigen sind nicht optimistisch, sondern sie basieren auf realen Industriedaten und stellen somit einen realistischen Blick in die Zukunft dar. Unter der Voraussetzung, dass wir weiterhin auf unsere individuelle Mobilität nicht verzichten wollen, brauchen wir diese Technologien auf jeden Fall.
Ca. 70 Prozent der in der EU im Straßenverkehr erzeugten CO2-Emissionen stammen von großen und mittelgroßen Fahrzeugen mit einer Fahrleistung über 15.000 km pro Jahr. Weniger als 30 Prozent der Emissionen stammen aus kleinen Fahrzeugen mit einer Fahrleistung von deutlich unter 15.000 km pro Jahr. Batterien eignen sich für kleine Fahrzeuge mit geringer Reichweite. Brennstoffzellen bieten die Option auch große Fahrzeuge mit hoher Reichweite ohne Emissionen zu betreiben.
Stehen Batterie und Brennstoffzelle in einem Konkurrenz um den Titel »Mobilitätstechnologie der Zukunft«?
Nein. Wir müssen uns von dem Denken lösen, dass ein Kraftstoff bzw. eine Technologie unsere künftige individuelle Mobilität sichert. Es wird einen Mix an sauberen Kraftstoffen und effizienten Antriebstechnologien geben. Die genauen Kundenbedürfnisse werden dabei eine viel größere Wirkung auf den Markt und die Produkte haben.
Noch einmal zurück zu dem Aufbau des Tankstellenetzes. Kann das die Industrie alleine finanzieren?
Über die nächsten zehn Jahre müssten ca. 2 Mrd. Euro in den Aufbau fließen, das kann die Industrie grundsätzlich aus eigener Kraft schaffen. Das Problem besteht insbesondere darin, das Risiko aus den Anfangsinvestitionen zu mindern. Hier sehe ich eine Aufgabe für die öffentliche Hand.