Weltweite Überkapazitäten, die drohende Senkung von Fördermitteln, die zunehmende Konkurrenz aus China, die stockende Energiewende, der Fracking-Boom in den USA: Derzeitige Medienberichte über die Energiewende erwecken den Eindruck, der deutschen Windenergie-Branche blase der Wind ins Gesicht. Aber entspricht dieser Eindruck der Realität?
Die deutsche Energiewende ist ins Stocken geraten: Über den sinnvollsten Weg zu einer Stromerzeugung, die überwiegend auf erneuerbaren Quellen beruht, herrscht alles andere als Einigkeit. Der Strommarkt ist vom kontraproduktiven Nebeneinander von Strombörse und EEG-Förderpolitik geprägt. Umwelt- und Wirtschaftsministerium blockieren sich gegenseitig, und Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint das Interesse an der von ihr selbst erneuerten Energiewende verloren zu haben, nachdem diese ihren ursprünglichen Zweck verfehlt hat, die Regierungsmehrheit der CDU/FDP-Koalition in Baden-Württemberg zu sichern. In der Wirtschaft stößt die Energiewende ebenfalls nicht auf ungeteilte Zustimmung - billiger Strom, egal aus welchen Quellen, ist immer noch zu vielen Unternehmen wichtiger als Nachhaltigkeit und Klimaschutz.
Die Rahmenbedingungen für die deutsche Windenergie-Branche sind also derzeit nicht gerade günstig - sollte man meinen. Tatsächlich steht die Branche aber ungeachtet der politischen Irrungen und Wirrungen recht gut da: »Die derzeitige Lage ist verhalten positiv«, bestätigt Thorsten Herdan, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Power Systems. »Nach einem rasanten Wachstum Ende des letzten Jahrzehnts hat sich das Wachstum verlangsamt und wird 2013 wahrscheinlich weltweit negativ sein. Gleichzeitig sind durch die Erwartung eines stärkeren Wachstums Überkapazitäten entstanden. Diese sind mittlerweile zurückgefahren worden, und wir rechnen ab 2014 wieder mit einem moderaten Wachstum, das sich weiter fortsetzen wird. Die deutsche Windindustrie ist in diesem Umfeld mit ihrer Technologie und Strategie gut aufgestellt.«
Noch positiver sieht Sylvia Pilarsky-Grosch, Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie (BWE), die aktuelle Situation: »Die Lage ist sehr gut«, sagt sie. »Weltweit erlebt die Windenergie überlineares Wachstum, und das schon seit Jahren.« Die deutsche Windindustrie sei ein krisenfester Konjunkturmotor: »Allein in Deutschland werden jedes Jahr Windenergieanlagen (WEA) mit einer Nennleistung von über 2 Gigawatt installiert.« Das entspreche einer Nennleistung von zwei Atomkraftwerken oder zwei großen Braunkohlekraftwerken und einem Investitionsvolumen von über 3 Milliarden Euro.
Für 2012 zeigen die Marktstatistiken laut Sylvia Pilarsky-Grosch weltweit eine kontinuierliche Expansion mit einem jährlichen Wachstum von fast 10 Prozent und einem kumulativen Kapazitätszuwachs von etwa 19 Prozent: »Antreiber waren hier die USA und China«, sagt sie. Generell sprächen die Marktdaten für die deutsche Windbranche: »Weltweit wurden 2012 laut GWEC (Global Wind Energy Council) rund 44,8 Gigawatt Windleistung installiert. Deutsche und in Deutschland produzierende Anlagen-Hersteller haben daran laut BTM Consult einen Marktanteil von über 20 Prozent, was einer Exportquote von über 75 Prozent entspricht.«