Onshore läuft, Offshore kriecht

Diskussion über Strompreise und Fördergelder belastet Offshore mehr als Onshore

27. November 2013, 11:18 Uhr | Andreas Knoll
Dirk Briese, trend:research/wind:research: »Die Onshore-Branche ist inzwischen von der Einspeisevergütung wirtschaftlich weniger abhängig als die Offshore-Branche«
© trendresearch

Während der Onshore-Windenergiemarkt einen gewissen Reifezustand erreicht hat, kommt der Offshore-Markt nicht richtig aus den Startlöchern. Dirk Briese, Geschäftsführer von trend:research mit der Marke wind:research, beschreibt die derzeitige Situation der beiden Teilbranchen.

Diesen Artikel anhören

ENERGIE&TECHNIK: Wie sehen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage der Windenergie-Branche, und welche Entwicklung erwarten Sie für die absehbare Zukunft?

Dirk Briese: Die Frage ist differenziert zu betrachten, weil sich die wirtschaftliche Lage der Offshore-Branche derzeit anders darstellt als die der Onshore-Branche. In der Offshore-Windenergie geht es nach wie vor langsam voran. Während die dena-Netzstudie 2005 bereits eine installierte Leistung von nahezu 8 GW im Jahr 2013 prognostizierte, sind heute tatsächlich erst 385 MW am Netz.

Gerade in der Offshore-Branche sind die Abläufe bei Produktion, Errichtung, Wartung etc. noch nicht eingespielt, was zu unerwartet hohen Kosten geführt hat. Es muss zwar betont werden, dass in den vergangenen Monaten Erfolge bei der Errichtung von Offshore-Windparks zu sehen waren und die Lernkurve verhältnismäßig steil verläuft. Auch in den kommenden Jahren wird der Ausbau aber nicht so rasch voranschreiten, dass die Ziele der Bundesregierung erreichbar wären. Im Referenzszenario, d.h. der am wahrscheinlichsten eintretenden Situation, rechnet wind:research mit 7 GW im Jahr 2020, schlimmstenfalls aber nur mit knapp 4 GW. Diese Situation tritt ein, wenn nur noch die aktuell in Bau befindlichen Parks errichtet werden und der Ausbau dann zum Stillstand kommt, weil die Finanzierung der Folgeprojekte durch die Unsicherheiten bei der künftigen Förderung fehlt.

In der Onshore-Windenergie wurden die politischen Ausbauziele meist übererfüllt. Im Jahr 2012 war der Zubau - verglichen mit »alten« Windländern wie Niedersachsen - vor allem in Bayern und Rheinland-Pfalz stark. Großen Einfluss auf den weiteren Ausbau haben auch die regionale Politik (z.B. politischer Wille zum Ausbau der erneuerbaren Energien, rechtliche Vorgaben wie Abstandsgrenzen etc.) und die Akzeptanz der Öffentlichkeit.

Wie hat sich in der Windenergie-Branche das Verhältnis zwischen Produktionskapazitäten und realer Produktion in den vergangenen zwei, drei Jahren entwickelt?

Sowohl in der deutschen Onshore- als auch aktuell in der Offshore-Windenergie-Branche gab und gibt es »ganz normale« Konzentrations- und Konsolidierungsprozesse. Während in der Onshore-Windenergie Unternehmen wegen des Wettbewerbsdrucks insolvent sind oder übernommen werden, ist der Grund in der Offshore-Branche eher in den - bedingt durch unsichere Rahmenbedingungen - aktuell ausbleibenden Folgeaufträgen (ab 2017) zu sehen. Daraus - und aus anderen Faktoren, siehe unten - ergeben sich zumindest übergangsweise Überkapazitäten, was aber auch normal ist in einem Markt, der von staatlichen Rahmenbedingungen abhängt. Chinesische Hersteller sind noch viel mit dem Heimatmarkt beschäftigt, gehören aber inzwischen zu den Marktführern und unternehmen vielfältige Aktivitäten auch in Deutschland: von der Übernahme bis zum Bau eines Fundamentwerks für Offshore-Windenergieanlagen (WEA). Wir erwarten eine zunehmende Konkurrenz - zumindest mittelfristig.

Wie beurteilen Sie die chinesische Konkurrenz auf dem WEA-Markt bezüglich technischer und Markterschließungs-Kompetenz?

Chinesische Konzerne haben sich in der Rangliste der größten WEA-Hersteller etabliert. Eine Produktion von WEA, besonders Offshore, in China und der Transport nach Deutschland ist aus heutiger Sicht noch nicht wirtschaftlich - und daher auch nicht in einer Form zu realisieren, dass dadurch tatsächlich eine Konkurrenz für deutsche Unternehmen erwachsen könnte. Zudem bestehen in der Branche nach wie vor Bedenken in puncto Qualität und Leistungsfähigkeit chinesischer WEA.

Immer wieder ist zu hören und zu lesen, dass europäische und vor allem deutsche WEA-Hersteller ihre Produktionsverfahren und die verwendeten Komponenten bislang zu wenig standardisiert hätten, was die Produktions- und Errichtungskosten unnötig in die Höhe treibe. Inwieweit ist diese Aussage aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?

Die Aussage ist vor dem Hintergrund der Ausgangssituation der deutschen Windenergie-Branche zu beurteilen: Die Offshore-Branche ist sehr jung und hat bislang nur wenig Erfahrung sammeln können. Außerdem sind die Erfahrungen anderer Länder nur bedingt übertragbar, weil Deutschland hinsichtlich der Küstenentfernungen und Wassertiefen eine Sonderrolle einnimmt. Auch im Hinblick auf die verwendeten Materialien steht die deutsche Offshore-Branche noch am Anfang - aber auch mit viel »Luft« nach unten in puncto Kosten.

In der Onshore-Windenergie gibt es auch bei deutschen Herstellern Standardisierungsprozesse und Anlagentypen mit hohen Absatzzahlen. Neben der Standardisierung gewinnen auch Anlagen mit speziellen Eigenschaften (z.B. Schwachwindanlagen mit hohen Erträgen bei niedrigen Windgeschwindigkeiten) an Bedeutung.

Inwieweit gibt es für WEA eine internationale Standardisierung von Produktionsverfahren und Komponenten? Was ist schon standardisiert, und wofür ist eine Standardisierung im Gang oder geplant?

Eine Vielzahl nationaler und internationaler Gremien, etwa Germanischer Lloyd, DIN, IEC und Garrad Hassan, sind an der Standardisierung von Produktionsverfahren und Komponenten beteiligt. Standardisierungen finden sowohl für Anlagen und Komponenten als auch für den Entwicklungsprozess von Projekten statt, so dass schon zahlreiche Produkte und Leistungen standardisiert und genormt wurden (z.B. hinsichtlich der Anlagengröße). Um die Kosten weiter zu senken, sind aber zusätzliche Standardisierungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sinnvoll und nötig, besonders in der Offshore-Windenergie. Hier wurden vor allem in der Logistik bereits Fortschritte erzielt, die auf den Erfahrungen mit den ersten errichteten Anlagen beruhen. Nicht sinnvoll sind Standardisierungen für Bereiche, in denen ein individualisiertes Vorgehen erforderlich ist (z.B. bezüglich der jeweiligen Bodenbeschaffenheit) und die Stückzahl der zu produzierenden Komponenten eher gering ist.


  1. Diskussion über Strompreise und Fördergelder belastet Offshore mehr als Onshore
  2. Reduzierungen von Fördermitteln und Einspeisevergütungen und die Folgen

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!