Um Risiken beim Betrieb einer Biogasanlage zu vermeiden, ist die Qualität einer systematischen Stärken- und Schwächenanalyse entscheidend. Eine fundierte Sorgfaltsprüfung – eine so genannte Due Diligence – stellt das frühzeitige Erkennen von Risiken, aber auch von Chancen sicher.
Das gilt für geplante, im Bau befindliche sowie für bestehende Biogasanlagen. Betreiber erhalten damit bereits in der Planungsphase belastbare Gutachten, die die Nutzungs- und Investitionssicherheit belegen.
360°-Screening
Kaum eine Biogasanlage gleicht der anderen. Standort, Klima, die Verfügbarkeit und das Preisniveau von Rohstoffen, gesetzliche Vorgaben, die Weiterverarbeitung von Gärresten aber auch das Finanzierungskonzept erfordern eine individuelle Betrachtung. Bei der Technischen Due Diligence (TDD) bewerten die Experten von TÜV SÜD den Prozess der Biogaserzeugung, die technische Auslegung der Anlage und den Zustand bereits bestehender Anlagenteile – vom Vorlager und Fermenter über die Gasleitungen und -speicher bis hin zum Blockheizkraftwerk (BHKW), der Gasfackel und dem Substratendlager. Ebenfalls betrachtet werden die chemische und verfahrenstechnische Absicherung der Biogaserzeugung, Sicherheitsanforderungen sowie der Umwelt- und Gesundheitsschutz mit Blick auf Luft und Wasser. Hinzu kommt eine Bewertung des Geschäftsplans mit der kalkulierten Gewinn- und Verlustrechnung, des Finanzmodells, der Wertaufstellung sowie der Rohstoffversorgung und Reststoffentsorgung. Mit diesen Daten lässt sich eine detaillierte Bewertung des Biogasprojekts vornehmen, das Investitionsrisiko minimieren sowie Möglichkeiten der Anlagenoptimierung aufzeigen.
Technischer Zustand
Um geplante wie auch bestehende technische Anlagen zu bewerten, ist zunächst die vorliegende Dokumentation zu sichten. Neben Planungs- und Konstruktionsunterlagen - wie Genehmigungen, Unterlagen der anlagentechnischen Planung oder Angaben zur geplanten Verwendung des Biogases - zählt bei bereits bestehenden Anlagen der Anlagenspiegel dazu. Dieser enthält Informationen zu Alter, Anschaffungswert, Aufstellort und aktuellem Buchwert der Anlage. Daten zu Betriebsstunden, Kapazitätsauslastung, Wartungs-, Reparatur- und Ausfallzeiten der Anlage, Ergebnisse wiederkehrender Prüfungen und Maßnahmen zur Instandhaltung weisen ebenfalls auf den technischen Zustand hin.
Auf Basis der geprüften Unterlagen nehmen die TÜV SÜD-Experten zunächst eine analytische Bestandsaufnahme vor, bei der die Anlage klassifiziert und erstbewertet wird. Bei bestehenden Anlagen wird im Zuge einer Vor-Ort-Besichtigung der Anlagenzustand, insbesondere die Betriebsweise und einzelnen Prozessschritte, qualitativ beurteilt. So erhält im Fermenter erzeugtes Biogas aggressive Bestandteile, wie beispielsweise Ammoniak und Schwefelwasserstoff, die im kontinuierlichen Kontakt mit Gefäßwänden, Leitungen und Ventilen stehen. Die hier verwendeten Materialien müssen eine hohe chemische Resistenz aufweisen und diese über lange Zeiträume bewahren. Ungeplante Wartungsstillstände können die Wirtschaftlichkeit einer Anlage nachträglich gefährden. Zum anderen sind gastechnische, elektrische und drucktechnische Fragestellungen zu berücksichtigen – aber auch organisatorische Fragen wie die kontinuierliche Versorgung mit Rohstoffen. Schwachstellen lassen sich so frühzeitig aufdecken und beseitigen. Anschließend ist es im Rahmen einer systematischen Zustandsbetrachtung möglich die Ergebnisse der Analysen und Begehungen zu konsolidieren und den technischen Zustand und Wert der Anlage zu beurteilen.
Bewertung des Finanzmodells
Auch das Finanzmodell muss belastbar sein. Maßstäbe sind Vollständigkeit, Angemessenheit, Nachvollziehbarkeit und Plausibilität. Um eine Biogasanlage kosteneffizient betreiben zu können, sind die Ausprägungen technischer Parameter und die getroffenen Annahmen zu bewerten. Dazu zählt die Verfügbarkeit der Anlage, die kalkulierten Kosten für Instandhaltung, Ersatzteile, aber auch für Energie und Rohstoffe. Für eine sichere Rohstoffversorgung sind die Art der Biomasse sowie die Verfügbarkeit und das Preisniveau zu berücksichtigen. Außerdem sind die kalkulierten Erlöse aus dem Verkauf von Gas oder Energie oder der Entsorgung der Reststoffe zu beachten. So lassen sich beispielsweise Gärreste als organischer Dünger oder auch als Brennstoff weiterverwerten. Das Ergebnis: eine Einschätzung der technischen Parameter und Annahmen im Finanzmodell, die offene Punkte aufdeckt und Optimierungsmöglichkeiten aufzeigt.
Gesetzliche Vorgaben
Die umfassende Sorgfaltsprüfung bezieht auch die rechtlichen Rahmenbedingungen mit ein. So bestehen Anforderungen an den Anlagenbetrieb zum Beispiel im Bereich der Luftreinhaltung, beim Gewässer- und Lärmschutz sowie dem maximalen Schadstoffgehalt der Reststoffe. Ebenfalls zu beachten sind Hygienevorschriften. Die Handhabung von Gas, Strom und Wärme wird durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das EE-Wärme-Gesetz und durch Vorschriften örtlicher Netzbetreiber geregelt.
Fazit
Der wirtschaftliche und sichere Betrieb einer Biogasanlage ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren. Die Technische Due Diligence sorgt mit einem 360°-Screening in jeder Phase des Projekts für Klarheit hinsichtlich Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Die Sachverständigen von TÜV SÜD verfügen über langjährige Erfahrung bei der Bewertung von neuen, bestehenden und im Bau befindlichen Biogasanlagen. Als neutrale Instanz unterstützen sie Investoren, Kreditgeber und Betreiber mit belastbaren Gutachten zu Investitionsrisiken und Optimierungspotenzialen.