Die Marktforscher von Strategies Umlimited sagen Hochspannungs-LEDs einen nicht zu unterschätzenden Marktanteil voraus. Wie aber geht das? LEDs benötigen doch zum Leuchten eine niedrige Gleichspannung, die das Versorgungsnetz nicht bereit stellt?
Die Frage ist berechtigt, denn eine LED benötigt in der Tat nur eine relativ geringe unipolare Flussspannung: Ab ungefähr 3 V Gleichspannung fließt Strom und die LED strahlt Licht ab. Die Strom-Spannungskennlinie einer LED ist außerdem ziemlich steil. Bei etwa 4 V ist deshalb meistens schon Schluss: Eine noch höhere Spannung würde Überstrom und somit Überhitzung nach sich ziehen, die wiederum die alsbaldige Zerstörung der LED zur Folge hätte. Strombegrenzung, oder besser noch: Stromstabilisierung, ist also die Hauptaufgabe eines Treiber-ICs. Eine Treiberschaltung für Hochleistungs-LEDs muss dabei mindestens 350 mA bereit stellen. Für höhere Leistungen benötigt man mehr Strom, zum Beispiel 700 mA, 1 A oder auch mehr. In aller Regel wird man hierzu einen DC/DC-Wandler einsetzen müssen (wenn eine Gleichspannungsquelle, zum Beispiel eine Autobatterie, zur Verfügung steht). Steht nur Netzwechselspannung zur Verfügung, benötigt man einen AC/DC-Wandler.
Weil es mit einem IC noch lange nicht getan ist, sondern zur Erzeugung des Betriebsstroms immer noch weitere Komponenten (ein Transformator oder ein anderes induktives Element, Brückengleichrichter, Kondensatoren etc.) benötigt werden, entstehen zusätzliche Kosten für dieses Material, das außerdem Platzbedarf nach sich zieht. Es ist daher verständlich, dass die Industrie schon lange nach Wegen sucht, Hochvolt-LEDs zu bauen.
Theoretisch erreicht man dieses Ziel, indem man Dutzende von LEDs in Reihe schaltet und mit einer Gleichrichterbrücke verbindet. Die Flussspannung einer so geschaffenen Kette kann man bei geschickter Komponentenwahl so trimmen, dass die Kette während jeder Halbwelle der Netzwechselspannung kurze Zeit (wenige ms) in Leitung geht, ohne dass der zulässige Höchststrom überschritten wird. Für diese Anwendung benötigt man natürlich keine Hochleistungs-LEDs mit einem Betriebsstrom von 350 mA (die entnommene Leistung würde dann um die 80 W liegen!). Es genügen LEDs mit einem Nennstrom von 20 mA. Allerdings wäre es unsinnig (weil unwirtschaftlich), das Leuchtmittel aus einer Reihenschaltung von zum Beispiel 60 einzelnen gehäusten LEDs aufzubauen.
Man muss es also schaffen, die einzelnen Dice schon bei der Fertigung mit einenader zu verschalten und in einem Gehäuse unterzubringen. Der südkoreanische LED-Hersteller Seoul Semiconductor macht das seit einigen Jahren erfolgreich vor: Wer es schafft, genügend LEDs in einem Gehäuse in Reihe zu schalten, kann dieses Produkt als Leuchtmittel anbieten. Mit seiner Baureihe Acriche (das ist ein Kunstwort aus »AC« und »riche«) ist Seoul seit 2007 am Markt. Bei Einsatz der Acriche kann man sogar auf den Brückengleichrichter verzichten: Die LED besteht aus zwei antiparallel geschalteten Reihenschaltungen, die abwechselnd die Halbwellen aufnehmen. Man benötigt nur noch einen Vorwiderstand (am besten einen Thermistor mit positivem Temperaturkoeffizienten, PTC) um ein Leuchtmittel zu konstruieren, das sich direkt an der Netzwechselspannung betreiben lässt. Der Erfolg der Südkoreaner hat auch andere Hersteller angelockt. Sogar HB-LED-Pionier Philips Lumileds bietet inzwischen eine Hochvolt-LED an.
Ist deshalb das Geschäft der IC-Hersteller in Gefahr? Wohl kaum, denn der Betrieb an gleichgerichteter Spannung hat auch Nachteile:
Es ist daher zwar wahrscheinlich, dass die »Wechselspannungs-LED« auch auf längere Sicht gute Marktchancen hat. Für viele (nicht nur anspruchsvolle) Anwendungen wird die Industrie aber auch weiterhin den Weg über geeignete Wandler gehen. Und weil das gesamte Marktvolumen auf jeden Fall stark wachsen wird, müssen die IC-Hersteller sich ohnehin keine Sorgen über die »Direct-Drive«-Konkurrenz machen.