Die Artikelserie von Omicron Lab geht in die dritte Runde: In diesem Teil behandeln die Autoren eine mathematische Methode, mit der Kondensatoren und Widerstände mit dem Kurvenverlauf des Bode-Diagramms verknüpft werden können. Das lässt sich mit Hilfe der Übertragungsfunktion lösen.
Die Frequenzganganalyse und die Schleifenmessung waren Gegenstand der ersten beiden Teile der Serie. Es wurde gezeigt, worauf in einem Bode-Diagramm zu achten ist und wie das Bode-Diagramm eines stabilen Netzteils aussehen sollte. Nun fehlt noch das Bode-Diagramm der Netzteil-Regelstrecke. Dessen Kurvenverlauf muss mit einigen zusätzlichen Schaltungen geändert werden, damit das endgültige Bode-Diagramm die Stabilitätskriterien erfüllt. Die zusätzliche Schaltung, die eine Änderung des Kurvenverlaufs im Bode-Diagramm ermöglicht, ist der Regler. Typischerweise besteht der Regler bei analogen Netzteilen lediglich aus einem invertierenden Operationsverstärker mit einigen Kondensatoren und Widerständen.
Die Reglerschaltung an sich ist sehr einfach. Schwierig wird es erst, wenn die Werte der Kondensatoren und Widerstände berechnet werden müssen, um den korrekten Kurvenverlauf des endgültigen Bode-Diagramms zu erhalten. Doch wie erfolgt diese Berechnung? Wird zufällig eine Reihe von Komponenten ausgewählt und aufgelötet mit der Hoffnung, dass das Netzteil stabil wird? Besser ist es, eine mathematische Methode zu verwenden, um die Kondensatoren und Widerstände mit dem Kurvenverlauf des Bode-Diagramms zu verknüpfen; diese Aufgabe übernimmt die Übertragungsfunktion.
Dabei handelt es sich um ein mathematisches Modell der Schaltung, welches den Eingang mit dem Ausgang in Beziehung setzt. Wenn die Übertragungsfunktion des Systems und die am Eingang verwendete Sinuswelle – zum Beispiel 1-V-Amplitude bei 10 Hz – bekannt sind, kann die Amplitude und Phase der Sinuswelle am Ausgang berechnet werden. Auf diese Weise lässt sich das Bode-Diagramm des Systems noch vor dessen Realisierung mathematisch darstellen.
Die Übertragungsfunktion verknüpft den Eingang mit dem Ausgang und lautet per Definition:
In Bild 1 wird ein einfacher Tiefpassfilter dargestellt. Unter Verwendung der Spannungsteiler-Gleichung ergibt sich:
wobei:
Hierbei muss beachtet werden, dass zur Vereinfachung der Algebra nur der Laplace-Operator »s« verwendet wird. Laplace ist ein weiteres mathematisches Hilfsmittel, das bei der Analyse von Schaltungen behilflich ist. Durch Ersetzen von ZC und ein wenig Algebra erhält man die Übertragungsfunktion H(s):
Aus der vorherigen Gleichung wird ersichtlich, dass die Übertragungsfunktion eine komplexe Zahl ist. Das bedeutet, dass durch Variation der Frequenz die Amplitude und Phase dargestellt werden kann. Somit besteht eine Möglichkeit, die Komponentenwerte R und C mit dem Kurvenverlauf des Bode- Diagramms in Beziehung zu setzen und das Ziel – die Darstellung des Bode-Diagramms mittels der Übertragungsfunktion – ist erreicht.
Ist der Kurvenverlauf im Bode-Diagramm nicht zufriedenstellend, kann sie durch Änderung der R- und C-Werte beeinflusst werden.
Die Verstärkung einer komplexen Zahl lässt wie folgt bestimmen:
Dabei muss jedoch beachtet werden, dass das Ergebnis nicht mehr komplex ist und daher die Verstärkung gegenüber der Frequenz dargestellt werden kann, was normalerweise in Dezibel erfolgt (Bild 2). Als Ergebnis erhält man den Amplitudengang des Bode-Diagramms. Dasselbe kann nun für die Phase durchgeführt werden. Für die Bestimmung der Phase einer komplexen Zahl wird die folgende Gleichung benötigt:
Auch diese Gleichung ist nicht komplex und deshalb kann die Phase gegenüber der Frequenz dargestellt werden, um den Phasengang des Bode-Diagramms zu erhalten (Bild 3).
Die Polstellen einer Übertragungsfunktion
Wird α=2πRC definiert, lautet die Übertragungsfunktion des einfachen Tiefpassfilter wie folgt:
Wenn man s von -∞ bis +∞ variiert, wird s irgendwann gleich -1/α und damit der Nenner der Übertragungsfunktion Null. An diesem Punkt wird der Zahlenwert der Übertragungsfunktion unendlich. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Ausgangsspannung gegen unendlich geht, sondern nur der Zahlenwert der Übertragungsfunktion. Doch aufgepasst: Mathematiker sprechen hier von »nicht definiert«, doch für Ingenieure genügt der Begriff »unendlich«.
Diese Stelle wird Polstelle beziehungsweise Pol des Systems genannt. Wann immer der Zahlenwert der Übertragungsfunktion unendlich ist, liegt im System eine Polstelle vor. Übrigens wird die Position der Polstellen – und der Nullstellen – nur bestimmt, da sie Informationen über die Stabilität des Systems liefern. Die R- und C-Werte sind im Amplitudengang dargestellt und es zeigt sich, dass bei 10 kHz eine Polstelle existiert.
Eigenschaften einer Polstelle in der Übertragungsfunktion
Zwei Dinge sind bei den Einflüssen von Polstellen wichtig:
Die Nullstellen einer Übertragungsfunktion
Angenommen, eine vorliegende Übertragungsfunktion lautet:
Die Polstelle im Nenner wurde bereits erläutert, darum geht es nun um den Zähler. Variiert man s von -∞ bis +∞, wird s irgendwann gleich -β. Das wird als »Nullstelle« der Übertragungsfunktion bezeichnet, da an dieser Stelle der »Zahlenwert« der Übertragungsfunktion Null ist. Jedoch bedeutet das nicht, dass die Ausgangsspannung gegen Null geht. Die Positionen der Nullstellen in der Übertragungsfunktion sind von Interesse, weil sie Informationen über die Stabilität des Systems liefern.
Eine Nullstelle – in der linken s-Halbebene – ist wie eine »Anti-Polstelle«: Bei jeder Nullstelle im System steigt die Verstärkung um 20 dB pro Dekade und wir erhalten eine um 90° voreilende Phase. Bei zwei Nullstellen würde die Verstärkung um 40 dB pro Dekade zunehmen und die Phase würde um 180° voreilen.
Warum sind die Positionen und die Anzahl der Pol- und Nullstellen von Interesse? Als Konstrukteur kann man durch die Wahl der R- und C-Werte die Pol- und Nullstellen bei bestimmten Frequenzen platzieren und so den Kurvenverlauf des Bode-Diagramms beeinflussen. Der Kurvenverlauf des Bode-Diagramms kann also manipuliert werden, um die Stabilitätskriterien zu erfüllen.
Übertragungsfunktionen werden als mathematisches Hilfsmittel zur Auslegung von Schaltungen verwendet. Aber wie gut stimmen die dementsprechend simulierten Bode-Diagramme mit der Praxis überein? Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden, die Vergleichsmessung.
Es wurde bereits einen Tiefpassfilter mit R =1,59 kΩ und C = 10 nF simuliert, was eine Polfrequenz von 10 kHz ergibt. Aus den simulierten Diagrammen wird ersichtlich, dass bei 10 kHz die Verstärkung -3 dB und die Phasenverschiebung -45° beträgt. Im Hochfrequenzbereich >>10 kHz läuft die Phase um -90° nach und die Steigung des Amplitudengangs beträgt -20 dB pro Dekade. Im nächsten Schritt wird mit dem vektoriellen Netzwerkanalysator Bode 100 von Omicron Lab ein realer RC-Tiefpassfilter mit R=1,6 kΩ und C = 10 nF gemessen. Wenn die erhobenen Hypothesen stimmen, dann müssten die realen Messwerte sehr nahe an den simulierten Werten liegen. Bild 4 zeigt die realen Messwerte. Es ist deutlich zu sehen, dass eine nahezu perfekte Übereinstimmung mit der Simulation vorliegt.
Im dritten Beitrag wurde die Übertragungsfunktionen und deren Pol- und Nullstellen erläutert. Im Wesentlichen kann das Bode-Diagramm einer Schaltung durch geeignete Platzierung der Pol- und Nullstellen nach Belieben gestaltet werden. Pol- und Nullstellen können dazu durch die geeignete Auswahl der Schaltungskomponenten wie Widerstände und Kondensatoren positioniert werden.
Konstrukteure von Netzteilen verwenden eine als »Regler« bezeichnete Schaltung, damit das Netzteil die Stabilitätskriterien und andere Leistungsvorgaben erfüllt. Bei analogen Netzteilen besteht diese Schaltung fast immer nur aus einem invertierenden Operationsverstärker mit Pol- und Nullstellen, die der Konstrukteur durch korrekte Berechnung der R- und C-Werte platziert.
Nach der Erläuterung zu Übertragungsfunktionen sowie deren Pol- und Nullstellen, geht es im nächsten Teil der Serie weiter mit Netzteilreglern, ihren Übertragungsfunktionen, Pol- und Nullstellen und ihrer Auslegung im Frequenzbereich.
Die Serie »Regelung von Schaltnetzteilen – Schritt für Schritt« besteht aus einer Reihe technischer Artikel rund um die Regelung vom Schaltnetzteilen. Grundlage sind Auszüge aus den »Biricha Analog and Digital Power Supply Design«-Seminaren. Dort lernen die Elektroingenieure, wie sich in der Praxis eine stabile Regelung für ein Schaltnetzteil korrekt und technisch fundiert dimensionieren lässt.
Hier können Sie auch die beiden ersten Teile der Serie nachlesen oder die Print-Ausgaben in unserem Shop bestellen:
Teil 1: Stabilität im Netzteil, oder in Ausgabe Elektronik 2019, Nr. 13, S. 20
Teil 2: Messung des Frequenzgangs, oder in Ausgabe Elektronik 2019, Nr. 14, S. 41