HMIs in Fahrzeugen müssen immer mehr Funktionen unter einen Hut bringen und zugleich die Bedienkomplexität möglichst gering halten. Doch wie ist das möglich? Mit Kombinationen aus den aktuellen Displayfertigungs-, Touchsensor- und Bildverarbeitungs-Techniken.
Megatrends wie Connectivity, autonomes Fahren und Shared Mobility stellen neue Anforderungen an die Automobilelektronik. Vor allem erweiterte Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver-Assistance-Systems, ADAS) sind in modernen Fahrzeugen allgegenwärtig und beeinflussen mit ihrer Funktionalität die Innenraumgestaltung. ADAS-Funktionen wie Abstandswarner, adaptive Geschwindigkeitsregler (ACC), Vorwärtskollisionswarnung (FCW), Spurhalteassistent (LDW) oder Verkehrszeichenerkennung (TSD) tragen entscheidend zur Verbesserung von Sicherheit, Fahrverhalten und Komfort bei und verringern die Wahrscheinlichkeit von Zusammenstößen sowie Personen- und Sachschäden im Straßenverkehr. Und die Entwicklung dieser technischen Innovationen hat erst angefangen.
Nach einer EU-Verordnung vom November 2019 müssen alle Neufahrzeuge ab Juli 2024 mit weiteren Features zur Erhöhung der Sicherheit ausgestattet werden. Die Möglichkeiten von KI, Cloud-Computing, Systemfusion, Kommunikationstechniken sowie Erkennung der Umgebung und Interaktion mit ihr setzen zusätzliche Entwicklungsziele. Die damit einhergehende, immer wichtigere Rolle der Software, der zunehmende Bedarf an Signalverarbeitung sowie Funktionen wie Radar, Lidar, Ultraschall und Kameratechnik steigern zugleich die Anforderungen an die Hardware und die HMIs. Mehr Anzeigen und Funktionen für Telematik, Kommunikation und Entertainment sind im Cockpit unterzubringen, und das Handling für Fahrer muss vereinfacht werden.
Ein Trend ist dabei, mehrere Displays mit spezifischen Funktionen ins PKW-Interieur zu integrieren. Dies ermöglicht, schnell durch komplexe Menübäume zu navigieren und die Interaktion von Mensch und Maschine zu vereinfachen. Die interaktiven Anzeigesysteme sind die visuelle Schnittstelle zwischen Fahrer, Beifahrer und dem digitalen Fahrerlebnis. Doch nicht nur die Zahl der Displays in Fahrzeugen nimmt stetig zu. Automobilhersteller sind auch bestrebt, bislang separate Bedienelemente in einem einzelnen Touchdisplay-System zu vereinen, das sich beispielsweise für Temperaturregler und Stereofunktionen eignet. Dabei spielt nicht nur die Ergonomie, sondern auch ein ansprechendes Design als Unterscheidungskriterium der jeweiligen Marken und zur Betonung der Markenidentität eine Rolle.
Das Fahrzeug-Cockpit ist eines der wichtigsten Designmerkmale. Ein homogenes Design wird erreicht, wenn die verschiedenen Anzeigeelemente in ein ganzheitliches Erscheinungsbild integriert werden können. Um die gewünschte Designfreiheit ohne Einschränkungen zu ermöglichen, setzt der Display-Spezialist Via optronics eine Kombination von Technologien ein. Dabei werden das patentierte Optical-Bonding-Verfahren und die »ColdForm«-Technologie von Corning sowie unterschiedliche Materialien wie etwa Glas, PMMA oder PC für die Cover-Lenses verwendet. Der »MaxVU«-Prozess für das Bonding und das eingesetzte proprietäre Material »Via bond plus« sind im Gesamtpaket aufeinander abgestimmt, sodass alle Cover-Lenses, Touchpanels und Displays reflexionsfrei verbunden und bei Sonnenlicht lesbar sind.
Ein nahtloses Look and Feel entsteht dadurch, dass mehrere Displays hinter einem Deckglas verklebt werden können. Das Material zeigt sich auch bei wechselnden Temperaturen formstabil. Mit ColdForming lassen sich zusätzliche gebogene Anwendungen in vielen möglichen Formfaktoren ausführen, etwa V- und S-förmig. Die speziellen, für den Prozess genutzten Metal-Mesh-Touchsensoren, deren Fertigung auf einem Roll-to-Roll-Produktionsprozess mit Kupfer als optimalem Werkstoff beruht, sind leicht in die gewünschte Form zu integrieren. Dabei wird ein feines Metallgitter auf einen transparenten Film aufgebracht. Dieser lässt sich auf jedes Material und jede Cover-Lens-Form laminieren.
Wegen ihres biegsamen Designs eignen sich Kupfer-Metal-Mesh-Touchsensoren deshalb im Gegensatz zu anderen Verfahren auch für flexible, faltbare und gebogene Anwendungen. Durch den geringeren Flächenwiderstand lässt sich zudem die Touch-IC-Firmware leichter konfigurieren. Das Ergebnis ist präzise Performance sowie hohe Auflösung und Leitfähigkeit, sodass auch die Bedienung mit Handschuhen oder Stift kein Problem ist. So greift eine Technologie in die andere, und die Kunden genießen hohe Flexibilität in der Display- und Innenraumgestaltung.
Neben den erwähnten Vorteilen verdienen weitere Aspekte eine nähere Betrachtung. So steht häufig bei Projektbeginn nicht vollständig fest, wie das fertige Design aussehen wird. Die wichtigste Anforderung für die Implementierung ist deshalb eine kooperative Entwicklung, um den dynamisch wechselnden Anforderungen zu folgen, die punktgenau nur im engen Austausch zwischen Lieferanten und Automobilherstellern realisiert werden können.
Da ist es hilfreich, wenn das Display Designfreiheit verspricht. Außerdem ist es wichtig, nicht nur den bereits erwähnten Trends zu folgen, sondern nutzbringende neue Akzente zu setzen. Via optronics entwickelt daher gemeinsam mit den Kunden lösungsoptimierte Displaysysteme für Navigation, Kombi-Instrumente, Rear-Seat-Entertainment oder Infotainment – auch für Curved Displays und Multiple Displays, die hohe Anforderungen erfüllen sollen. Mit ihnen kombiniert Via optronics die hauseigene Kameratechnik, die auch bei schlechten Lichtverhältnissen, Streulicht und extremen Betriebstemperaturen eine hohe Sensor-Empfindlichkeit bietet.
Die interaktiven Displaysysteme (IDS) vereinen Displays, Kameras und zentrale Steuerelemente in zertifizierten Prozessen nach internationalem IATF-16949:2016-Standard. So fungieren die Displays im Cockpit beispielsweise als Cluster- und Infotainment-Displays mit Touch-Funktion für Fahrer und Beifahrer. Als E-Mirrors in Verbindung mit Kameras ersetzen sie Außenspiegel. Mit Surround-View, Front-Sensing, Face-Recognition und Driver-Monitoring bieten die Kameras für den Außen- und Innenbereich viele zukunftsorientierte Funktionen. Abhängig von der jeweiligen Fahrzeugarchitektur des Herstellers sind Displays, Kameramodule und Touchscreens in einer oder mehreren ECUs (Electronic Control-Units) integriert. Im Zusammenspiel mit den hauseigenen Treibern erreichen sie eine systemoptimierte Leistung.
Auch Funktionen wie Annäherungs- und Gestik-Erkennung für Touchscreens, Bedienbarkeit mit Handschuhen oder kommerziell verfügbare Bibliothekselemente sind integrierbar, die zusätzliche Anwendungen ermöglichen, etwa für die Objekterkennung.
Letztendlich ist es bei den hohen Sicherheitsstandards und strengen Vorgaben der Automobilbranche vorteilhaft, möglichst ohne Multipartnermanagement auszukommen und eine homogene Lösung aus einer Hand zu erhalten, bei der die verschiedenen Bestandteile genau aufeinander abgestimmt sind.
Je schneller die Digitalisierung voranschreitet, desto wichtiger werden klug konzipierte Displays. Dies wird besonders im Bereich Automotive deutlich. Immer mehr nützliche Informationen sorgen für ein neues und sichereres Fahrgefühl, erfordern jedoch auch entsprechende leistungsfähige Interfaces. Hier punkten Multi-Displays: Mit mehr Tiefe und auf voller (Cockpit-)Breite interagieren miteinander verwobene Einzeldisplays mit ihren Bedienern. Sie vereinen Touch-Funktionen mit dreidimensionalen Elementen, ermöglichen eine intuitive User-Experience und erfüllen alle Anforderungen, die jetzt und in absehbarer Zukunft vom Markt gefordert werden.
Der Autor:
Mathias Stegemann ist Global Director Project Management bei Via optronics.