Die Analysten von Omdia erwarten, dass es durch die Trendwende auf dem Display-Markt in den nächsten Monaten zunehmend Verknappungen bei den dafür notwendigen Gläsern geben wird. Weil Komponenten wie LTPS- und LTPO-Substrate und -Träger fehlen, drohen Allokationen und steigende Preise.
Die Freude der Hersteller und Anbieter am beginnenden Aufschwung im Display-Geschäft könnte schon bald wieder erheblich getrübt werden, prognostizieren die Analysten von Omdia. In ihrem aktuellen Marktbericht zu Glas-Substraten zeichnen sie ein äußerst angespanntes Bild der entsprechenden Produktionskapazitäten und Lieferketten. Demnach reicht der Glas-Nachschub aktuell gerade noch zur Erfüllung der Nachfrage, wodurch es teilweise bereits zu Verzögerungen kommt. Schon wenn die Nachfrage im erwarteten Rahmen wächst, dürfte sich diese Situation bis zum Jahresende weiter zuspitzen. Wächst sie allerdings stärker, könnte schon das dieses fragile Gleichgewicht »mit dem Potenzial für eine erhebliche Glasknappheit im Falle von kleineren Unfällen oder plötzlichen Auftragsspitzen« zum Kippen bringen und dafür sorgen, dass die Nachfrage nicht mehr unmittelbar bedient werden kann.
Im OLED-Bereich lässt sich bereits beobachten, wie schnell solch eine Situation eintreten und wie weit sie sich auf andere Lieferketten auswirken kann. Hier haben die chinesischen Hersteller frühzeitig auf die anziehende Nachfrage reagiert und schon Ende des vergangenen Jahres damit begonnen, die Auslastung ihrer Fabriken für OLED-Displays hochzufahren. Der dafür notwendige Bedarf an LTPS- und LTPO-Substraten und -Trägern überstieg dem Bericht zufolge allerdings schnell die verfügbaren Kapazitäten der Hersteller. Diese schwierige Ausgangslage wurde zusätzlich durch Probleme der beiden Schwergewichte AGC und NEG in der LTPS-Glasproduktion verschärft.
Um die Nachfrage dennoch decken zu können, stellten sie einige ihrer Si-Glastanks auf die Produktion von LTPS-Glas um. Während das zwar nun etwas Entlastung beim Nachschub für die steigende OLED-Produktion bringt, sorgt es gleichzeitig bei anderen Displaytypen für einen verschärften Nachschubmangel beim Glas. »Dies ist ein anschauliches Beispiel für die derzeit auf dem gesamten Displayglas-Markt herrschenden Engpässe« erklärt Tadashi Uno, Research Manager für Display-Komponenten und -Kosten bei Omdia.
Dass sich diese Situation schnell ändert, ist nach dem Dafürhalten der Experten nicht zu erwarten. Ein Grund dafür ist eine von ihnen beobachtete signifikante Verschiebung der Fertigungskapazitäten, die zur Erhöhung der Rentabilität immer mehr verschlankt und auf den unmittelbaren Bedarf einzelner Absatzmärkte abgestimmt wurden. Als prominente Beispiele werden NEG und AGC genannt, die zuletzt ihre Produktionen in Korea und Japan ganz oder beinahe eingestellt haben. Damit einhergehend haben die Glashersteller außerdem ihre Reserven weitgehend abgeschmolzen.
»Vor fünf Jahren hielten große Displayglashersteller wie Corning, AGC und NEG traditionell einen Bestand von zwei Monaten vor, da sie den langwierigen Wiederherstellungsprozess bei Unfällen mit Glastanks kannten«, führt Uno aus. Aufgrund dieser Lagerbestände und zusätzlicher Spielräume in der Produktionskapazität hatten entsprechende Änderungen in der Nachfrage und der entsprechenden Tankzuweisung früher keine nennenswerten Auswirkungen auf das Glasangebot und die Nachfrage im Speziellen und Allgemeinen. Inzwischen ist die Situation jedoch eine völlig andere, und die Auswirkungen treffen die Lieferkette unmittelbar und auf breiter Front.
Bis ausreichend neue Produktionskapazitäten bereitstehen, ist noch einige Geduld gefragt. Zwar haben die chinesischen Glashersteller bereits angekündigt, in mehr als 30 neue Glaswannen zu investieren, und mit dem Ausbau begonnen. Theoretisch könnten erste dieser neuen Produktionskapazitäten den Engpass in diesem Jahr schon etwas lindern, allerdings werden die meisten davon erst im nächsten Jahr zur Verfügung stehen. »Trotz des raschen Anstiegs der chinesischen FPD-Glaskapazität müssen die lokalen Hersteller jedoch noch einen bedeutenden Marktanteil erobern, der über einige wenige Gen-5- und Gen-6-Fabriken in China hinausgeht«, schränkt Uno ein. Er geht davon aus, dass es drei bis fünf Jahre dauern wird, bis die Hersteller ihren Anteil an den wichtigen Gen-8.6-Produktionslinien erhöhen können.
Neben den unmittelbaren Auswirkungen wie möglichen Lieferschwierigkeiten erwarten die Analysten durch die beschriebene Verknappung mittelfristig auch eine Trendwende bei den Preisen für die Displaygläser. Nachdem diese lange Zeit rückläufig waren, hatten im vergangenen Jahr bereits erste Hersteller wie Corning damit begonnen, sie anzuheben, um damit die steigenden Energie- und Produktionskosten abzufangen und die Margen zu stabilisieren. Für das laufende Jahr erwartet Omdia weitere solcher Anpassungen, die letztlich zu einer Verteuerung der Gläser und ganzer Displays führen dürften.