Kommen wir zu den Vertriebsstrategien. Rohde & Schwarz hat vor einigen Wochen bekannt gegeben, dass Kunden Hameg-Produkte nun auch über Rohde & Schwarz direkt beziehen können. Welche Vertriebsstrategie werden Sie künftig in diesem Bereich verfolgen?
Traditionell ist die Vertriebsstrategie von Rohde & Schwarz anders ausgelegt als die der Mitbewerber. Wir machen keinen Unterschied zwischen High-end-, Mittelklasse- und Economy-Produkten, wir vertreiben alle Geräteklassen über unser eigenes Team. In dieses Konzept werden wir Hameg mit einbauen. Darüber hinaus wird es die Hameg-Produkte aber auch weiterhin bei den bekannten Distributoren zu kaufen geben. Wir sehen uns einfach als einen weiteren Vertriebskanal – allerdings als einen recht starken, denn als Muttergesellschaft von Hameg sind wir bestens aufgestellt, um die Kunden fachkundig zu beraten.
Das hört sich nach einem guten Weg für Hameg an. Welche Vorteile ergeben sich für Rohde & Schwarz selber?
Wir erhöhen unsere Markenbekanntheit in einem für uns noch relativ neuen Marktsegment. Mit den Oszilloskopen haben wir den Anfang gemacht, aber es gibt noch viel zu tun.
Nun umfasst das Hameg-Portfolio aber deutlich mehr als Scopes…
Das stimmt. Und genau da setzen wir an. Im General-Purpose-Markt ist Rohde & Schwarz noch nicht so bekannt – obwohl wir ja durchaus auch Geräte im Portfolio haben, die diesen Markt adressieren, denken Sie nur an unsere Einsteigermodelle z.B. bei den Signalgeneratoren und der Spektrumanalyse. Dennoch erwarten wir, dass wir durch diesen Schritt unsere Markenbekanntheit in diesem Segment noch steigern können. Und da ist der Einstieg über den Direktvertrieb aus unserer Sicht durchaus sinnvoll.
Also würde ein Rohde&Schwarz-Vertriebsingenieur auch für ein Hameg Power Supply zum Kunden fahren?
Ja, das ist unser Konzept.
Aber rechnet sich das denn für das Unternehmen?
Nun, es ist vielleicht nicht der wirtschaftlichste Weg, aber wir sehen in der vollständigen Betreuung einfach einen enormen Mehrwert für den Kunden. Auf neudeutsch könnte man es als »Customer-centric model« bezeichnen. Abgesehen davon kommt es auch vor, dass ein Kunde nicht ausschließlich ein Power Supply braucht, sondern eine größer angelegte Lösung für seine Messaufgaben. Hier kommen die Rohde&Schwarz-Geräte ins Spiel. Dazu passt ein weiterer neudeutscher Begriff: Wir zielen auf das »One-stop-shopping« ab. Dem Konzept liegen gründliche Recherchen und Gespräche mit Kunden zugrunde. Sie begrüßen es, vom Hersteller direkt betreut zu werden und alles aus einer Hand zu beziehen. Das macht ihre Lieferantendatenbank übersichtlicher und kostet sie weniger Aufwand. Vor allem Key Accounts schätzen das. Insofern kann ich Ihre Frage mit einem klaren »Ja« beantworten – dieses Modell rechnet sich für das Unternehmen.
Hat Rohde & Schwarz sein Vertriebsteam aufgestockt, um das Hameg-Portfolio mit vertreiben zu können?
Ja, wir haben einige junge Vertriebsingenieure eingestellt, die sich verstärkt auf den General-Purpose-Markt konzentrieren werden. Diese neuen Kollegen dürfen natürlich das gesamte Portfolio verkaufen – aber ihr Fokus liegt zunächst einmal auf den Hameg-Produkten.
Und wenn es um die erklärungsbedürftigeren Geräte geht?
Dann können sie auf den uneingeschränkten Support der erfahrenen Kollegen zurückgreifen. Wir verfolgen eine Art Coaching-Modell, das es den jungen Vertriebsingenieuren erleichtert, sich in die Materie einzuarbeiten. Bislang haben wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
Welche negativen Auswirkungen könnte das neue Vertriebskonzept für das Hameg-Team haben?
Keine. Ganz im Gegenteil: Wir erwarten, dass wir alle davon profitieren werden. Hameg hat seine Produkte bislang ja ausschließlich über Distributoren vertrieben. Dieser Weg bleibt auch bestehen. Mit dem Direktvertrieb durch das Team der Muttergesellschaft Rohde & Schwarz ist nur ein weiterer Vertriebskanal hinzugekommen.
Also sind keine Arbeitsplätze in Gefahr?
Nein, definitiv nicht.
Abschließend noch eine allgemeine Frage: Derzeit sind Diskussionen im Gange, ob der Begriff »Made in Germany« immer noch für Qualität steht und wieviel »Germany« überhaupt in einem Produkt stecken muss, um diesen Namen zu tragen. Wie beurteilen Sie dies und inwieweit profitiert Rohde & Schwarz noch davon?
»Made in Germany« steht meiner Überzeugung nach immer noch für Qualität und Zuverlässigkeit. Als deutscher Hersteller nehmen wir diesen Anspruch auch sehr ernst. In unseren Produkten steckt das besagte »Germany« zu rund 90 Prozent drin. Das wissen unsere Kunden - entsprechend profitieren wir immer noch stark davon. Das gilt es natürlich zu halten. Aber neben den Attributen, die man mit deutschen Produkten in Verbindung bringt, ist auch der lokale Support und Service weltweit ein entscheidender Erfolgsfaktor. Nur wenn man lokal vor Ort ist, kann man die Qualität und Zuverlässigkeit der Produkte auch zum Kunden transportieren.
Das Interview führte Nicole Wörner.