Vor einigen Wochen hat der Sensorik- und Automatisierungsspezialist Pepperl+Fuchs den Produktbereich binäre Näherungsschalter für die Fertigungsautomatisierung von der Siemens-Division Industry Automation übernommen. Welche Faktoren zu dieser Akquisition geführt haben und welche Zukunftsaussichten sich für das Mannheimer Unternehmen daraus ergeben, erläutert Dr. Gunther Kegel, Vorsitzender der Geschäftsführung von Pepperl+Fuchs.
Markt&Technik: Herr Dr. Kegel, gerade nach diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten kam die Übernahme des Siemens-Produktbereiches für viele überraschend. Welche Beweggründe haben zu der Akquisition geführt?
Dr. Kegel: Die wesentlichen Beweggründe waren zum einen die starke Stellung von Siemens im Bereich der Ultraschallsensoren für die Fabrikautomation und zum anderen der Umsatzanteil mit induktiven Näherungsschaltern. Mit dem Zugewinn der Ultraschallsensorik bauen wir die Marktführung in diesem Segment deutlich aus; und auch die zusätzlichen Umsätze mit induktiven Näherungsschaltern werden helfen, unsere Produktionsstätten wieder optimal auszulasten.
Können Sie Details zur Transaktion nennen?
Was den Kaufpreis betrifft haben beide Parteien Stillschweigen vereinbart, das ist bei Transaktionen dieser Größenordnung unter mittelständischer Beteiligung durchaus üblich. Die Vereinbarung konnten wir Ende Februar nach etwa vier Monaten intensiver Verhandlungen unterzeichnen. Weil der Betriebsübergang einen Vorlauf zur rechtlichen Ausgestaltung braucht, geht das Geschäft erst zum so genannten Closing am 30.06.2010 auf uns über. Wir nutzen diese Zeitspanne, um den Transfer von Daten, Informationen, Maschinen und Produkten vorzubereiten. Im Vertrag ist auch vorgesehen, die größten Kunden weltweit noch vor dem Closing gemeinsam mit Siemens zu besuchen und sie im Detail über die Transaktion zu unterrichten.
Wie groß war der Anteil des Bereiches »Binäre Näherungsschalter« im Geschäftsbereich Siemens Industry Automation?
Die Zahlen sind nicht ganz einfach mit den Zahlen unseres Hauses vergleichbar, weil wir unser Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr schließen, Siemens allerdings bereits zum 30. September. Im Kalenderjahr 2008 erzielte die Produktsparte Näherungsschalter bei Siemens ca. 35 Mio. Euro Umsatz. Für das Kalenderjahr 2009 liegen uns Zahlen nur für die ersten neun Monate vor, in denen das Geschäft krisenbedingt um ca. 25 Prozent zurückgegangen ist. Erfreulicherweise zeigt das Siemens-Geschäft mit Näherungsschaltern zurzeit die gleiche positive Entwicklung wie unser eigenes Geschäft, so dass wir in den letzten Monaten von 2010 bereits wieder Umsatzwerte über denen aus 2008 erzielen wollen.
Welche Produkte kommen konkret neu zum Pepperl+Fuchs-Portfolio hinzu?
Im Bereich induktive Näherungsschalter sind es etwa 900 Typen und Varianten, die nur zu einem sehr geringen Teil wirklich deckungsgleich mit unserem existierenden Portfolio sind. Im Bereich Ultraschallsensoren sind es etwa 1000 Bauformen und Varianten, die sich nur in den nach der Näherungsschalter-Norm entwickelten Bauformen ähneln. Optionen sowie das Bedien- und Anschlusskonzept sind allerdings so unterschiedlich, dass es hier eigentlich keine deckungsgleichen Bauformen gibt.
Wie ist der Übergang geregelt?
Ab dem 1.7.2010 wird Siemens für das Geschäft mit Näherungsschaltern keine Aufträge mehr annehmen. Der Kunde kann dann unter unveränderter Bestellbezeichnung zu gleichen Konditionen die Produkte direkt bei Pepperl+Fuchs bestellen. Wir sind ab dem 1.7.2010 für alle Bestellungen, Lieferungen aber auch für alle Fragen zu Lieferzeiten, Konditionen, Qualität etc. vollständig verantwortlich. Nach dem Closing wird Siemens für uns noch ca. sechs Monate Produkte fertigen, bis wir die Übernahme in unsere Produktionsstätten vollständig abgeschlossen haben.
Was bedeutet die Übernahme für den Kunden? Welche Vorteile ergeben sich für ihn?
Für den Kunden ändert sich lediglich die Adresse, bei der er die Produkte mit unveränderter Bestellbezeichnung und in gewohnter Qualität zu gewohnten Konditionen bestellen kann. Der Kunde kann darüber hinaus jetzt auf eine sehr viel breitere Auswahl an Produkten, Lösungen und Technologien eines reinen Sensorspezialisten zugreifen.
Übernimmt Pepperl+Fuchs die Mitarbeiter von Siemens?
Es ist unser Ziel, möglichst alle Mitarbeiter, die sich direkt und überwiegend mit dem Geschäft der Näherungsschalter bei Siemens befasst haben, zu übernehmen. Diese Mitarbeiter aus Amberg und Nürnberg werden wir am Standort Amberg in einem Kompetenzzentrum für Ultraschallsensorik zusammenfassen. Darüber hinaus übernehmen wir noch eine Produktionseinheit von ca. 70 Personen am Standort Trutnov in Tschechien, wo wir die Produktion der induktiven Näherungsschalter fortführen wollen.