Entscheidende Impulse hierzu kamen jetzt auch vom Bundeswirtschaftsministerium durch den Ausbau des Instituts zum Leistungszentrum für Robotik, Mechatronik und Automation.
Dennoch – die leidvolle Geschichte der minimal invasiven Chirurgie-Robotik sagt viel aus über das Innovationsmanagement des Standorts Deutschlands und seine Zukunftsfähigkeit.
Was ist MiroSurge?
Das DLR arbeitet im Rahmen verschiedener DFG-Projekte an dem Telepräsenzsystem »MiroSurge« (Bild 4).
Grundkomponente des Systems ist der Medizinroboter MIRO (Bild 5), ein gänzlich auf chirurgische Anwendungen zugeschnittener Roboterarm in Leichtbauweise.
Der dem menschlichen Arm nachempfundene Aufbau (mit sieben Gelenken statt der bei Industrierobotern üblichen sechs) erlaubt ein flexibles Positionieren im OP-Saal, der Roboter passt sich den dortigen räumlichen Gegebenheiten an.
Durch seine »kinematische Redundanz« ist ein Umkonfigurieren des Arms möglich, beispielsweise bei drohenden Kollisionen, ohne dass die Instrumentenspitze ihre räumliche Lage verändern und die Operation unterbrochen werden muss.
Durch die »intelligente« Sensorik ist dies etwa durch einfaches Anfassen des Roboters an der Struktur möglich, der Roboter folgt feinfühlig den Vorgaben des OP-Personals.
Darüber hinaus lassen sich Kollisionen zwischen Roboter und Umgebung schnell detektieren und sicher behandeln – eine Beschädigung von OP-Ausrüstung oder eine Gefährdung des Patienten ist dadurch ausgeschlossen.
Bei der Anordnung der Robotergelenke und der Auslegung der Armsegmente des Roboters wurde eine Vielzahl möglicher Operationen über offene oder minimal invasive Chirurgie berücksichtigt (Herz- und Bauchchirurgie, Setzen von Schrauben in der Wirbelsäule etc.).
Dadurch ist sichergestellt, dass der Roboterarm für ein breites Spektrum von chirurgischen Anwendungen einsetzbar und amortisierbar ist. Auch zu diesem Zweck wurde eine bewusst einfache und in Zukunft offene Schnittstelle für Instrumente entwickelt, wodurch unterschiedliche Instrumentenhersteller den Roboterarm als Plattform nutzen können.
Es ist zu erwarten, dass dadurch schnell ein großes Spektrum an chirurgischem Instrumentarium zur Verfügung steht. Somit können Firmen und Forschungseinrichtungen, bei begrenztem finanziellen Einsatz und Risiko, an dieser Technologie partizipieren. Gleichzeitig erweitert sich das Einsatzspektrum drastisch. Im MiroSurge-System finden derzeit drei dieser MIRO-Arme Verwendung, je ein Arm für das linke und rechte Zangeninstrument, sowie ein Arm für das Führen der endoskopischen Stereokamera.
Die dabei zum Einsatz kommenden Zangeninstrumente »MICA« verfügen über zwei zusätzliche Freiheitsgrade innerhalb des Patientenkörpers, Kraft- und Drehmoment-Sensorik und die komplette dafür notwendige Antriebstechnik.
Durch die zwei zusätzlichen Freiheitsgrade im Inneren des Patienten erhält der Chirurg seine volle Beweglichkeit – vergleichbar zur offenen Chirurgie – bei einer gleichzeitig drastisch reduzierten Traumatisierung des Patienten: Die Instrumente mit einem Durchmesser von 10 mm werden durch kleine Schnitte in den Patienten eingeführt, statt etwa den Brustkorb aufzusägen.
Darüber hinaus werden sie mit miniaturisierten und sterilisierbaren Kraft- und Drehmomenten-Sensoren ausgestattet. Diese erlauben erstmalig die realistische Erfassung der im Patienten auftretenden Manipulationskräfte, welche nun dem Chirurgen haptisch oder visuell dargestellt werden können. Zusätzlich zur Kontaktkraft wird bei Pinzetteninstrumenten die Greifkraft gemessen.
Die weitere Entwicklung von flexiblen Instrumenten für den gastroenterologischen Bereich soll den Einsatzbereich der neuartigen Roboter drastisch vergrößern. Zwei Ansätze zur Kraftrückkopplung werden bei MiroSurge verfolgt: einerseits sollen Handcontroller zur Verfügung gestellt werden, die eine feinfühlige Kraftrückkopplung ermöglichen, anderseits sollen die auftretenden Kräfte als Virtual-Reality-Komponente in das Stereobild eingeblendet werden.
Es ist vorgesehen, damit auch eine technisch einfachere Schnittstelle ohne haptische Kraftrückkopplung zu erproben, bei welcher der Chirurg nachgebildete Instrumente in der Hand führt, deren Bewegung Kameras erfassen und auf die Instrumente im Körperinneren übertragen. Auch die räumliche Darstellung des Operationsgebietes ist ein zentraler Punkt für das Gefühl des Chirurgen, in der offenen Chirurgie zu sein.
Dabei kommen sowohl stereoskopische Displays mit Polarisationsbrillen wie auch neuartige autostereoskopische Displays zum Einsatz, für die das DLR eine Erfassung der Kopf- und Augenbewegung über Kameras entwickelt und welche einen räumlichen Eindruck ohne zusätzliche Brillen erzeugen.
Zur optimalen Nutzung der Robotertechnik im Operationssaal wird an Verfahren zur optimalen patientenspezifischen Platzierung der Roboter und der Einstichpunkte (Ports) entwickelt. Zur Umsetzung dieser Planung im Operationssaal wird der Patient mittels Laserscanner vermessen.
Im Bereich von Minuten, nachdem der Patient auf dem OPBett liegt, soll über ein komfortables Planungssystem klar sein, wo die Roboter längs des Bettes fixiert werden und wo die optimalen Ports liegen, um höchste Geschicklichkeit und Erreichbarkeit im Operationsgebiet zu gewährleisten. Ein Laser projiziert die Ports auf den Patientenkörper.
Teilautonomie
Ein besonders anspruchsvolles Gebiet für die Herstellung eines gewissen Grades an Autonomie ist die Ausführung von Handlungssequenzen während der Durchführung einer Operation, etwa am Herzen. Die damit verbundenen Aktionen sind manuell nicht nur sehr schwierig und mühsam, sondern repetitiv vorzunehmen und sehr ermüdend.
Hier würde es bereits als großer Fortschritt angesehen, wenn nur Teiloperationen, etwa bei der Knotenherstellung, autonom erfolgen könnten. Als Resultat jahrelanger Vorarbeiten am Institut »Robotics and Embedded Systems« der Technischen Universität München konnte bis zum Experiment an realen Organen gezeigt werden, dass dies technisch möglich ist.
Darüber hinaus ist nicht nur eine automatische Durchführung durch reine Wiederholung einer demonstrierten Handlung denkbar, sondern der Roboter »versteht« durch »Vormachen« die wesentlichen Aspekte und kann sie ganz oder teilweise auf andere Szenarien anwenden. Die Ergebnisse sollen in der letzten Phase des DFG-SFB 453 »Wirklichkeitsnahe Telepräsenz und Teleaktion« in MiroSurge integriert werden.
Autonomiefunktionen in der minimal invasiven Chirurgie sollen den Arzt von Routineaufgaben entlasten, so dass er sich auf den eigentlichen chirurgischen Eingriff konzentrieren kann. Dieses Ziel ist deshalb auf zwei besonders erfolgversprechende Anwendungen fokussiert: Automatisches Vernähen von Blutgefäßen und Bewegungskompensation am schlagenden Herzen.
Letztere führt zu einer sehr schonenden Operationstechnik, da auf den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine verzichtet werden kann. Als besonders störend hat sich jedoch die verbleibende Restbewegung des mechanisch stabilisierten Herzens erwiesen. Ziel ist, die Herzbewegung robust zu erfassen, und anschließend mit den Robotern so zu kompensieren, dass sich die Instrumentenspitzen synchron zum Herzschlag bewegen.
Erfolgt jetzt noch eine Stabilisierung des Videobildes, so kann der Chirurg an einem »virtuell« stillstehenden Herzen ohne störende Restbewegung operieren. Es ist zu erwarten, dass sich die Operationsdauer drastisch reduzieren und die Operationsqualität erhöhen wird.
Besonderer Fokus muss dabei aber auf die Robustheit sowie auf die Fehlertoleranz des Verfahrens gelegt werden, unter anderem durch Einbeziehen zusätzlicher Sensordaten wie z.B. EKG in den Algorithmus, der die Herzbewegung kompensiert. Die hier gewonnenen Ergebnisse lassen sich prinzipiell auch auf andere klinische Anwendungen (beispielsweise das Punktieren der Leber) übertragen.
In den nächsten vier bis fünf Jahren soll die Entwicklung der MIRO-Arme mit all den Optimierungs-, Reglereinstellungs- und Sicherheitsaspekten und medizinischen Zulassungen abgeschlossen sein und durch Integration in ein OP-Gesamtsystem marktreif gemacht werden.