Nokia

Mit Steve Ballmer und Windows frontal gegen die Wand

19. Juli 2012, 13:46 Uhr | Frank Riemenschneider
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Nicht das Gerät, sondern die Provider entscheiden

Bild 1: Die Umsätze von Nokia, Apple und Samsung von 2009 bis Ende 2010.

Bild 1 zeigt die Umsätze von Nokia, Apple und Samsung von 2009 bis Ende 2010. Obwohl iPhone und Galaxy sicherlich technisch viel besser waren als die Nokia-Geräte mit Symbian, verkaufte Nokia mehr Handys als Apple und Samsung zusammen – der Abstand hat sich trotz iPhone über die Zeit sogar noch vergrößert. In den USA hat Apple seine Verkäufe mit dem iPhone 2011 plötzlich verdoppelt, nur weil mit Verizon ein weiterer großer Provider an Bord gekommen war. Technisch macht das alles keinen Sinn, denn das Gerät selbst ist dadurch ja keinen Deut besser oder schlechter geworden. Nehmen Sie als Extrembeispiel Microsofts Social-Media-Handy »Kin«, das mit hohen Erwartungen gestartet war: Nachdem die Provider die Unterstützung verweigert hatten, verschwand es in der Rekordzeit von nur 6 Wochen als Flop des Jahres wieder aus den Läden.

Ende 2010 sah es so aus: Nokia hatte von Q3 zu Q4 seinen Umsatz um 22 % erhöht, den durchschnittlichen Verkaufspreis (ASP) eines Handys um 14 % und der Gewinn stieg um 65 %. Im Vergleich: Apples Umsatz stieg um 16 %, der ASP um 1 % und der Gewinn um 39 %, bei Samsung der Umsatz um 39 %, der ASP ging um 2 % zurück und der Gewinn sogar um 23 %. Nokia war dank seiner tollen Geschäftsbeziehungen zu den großen Providern in China (wo man 77 % Marktanteil hatte), Indien und Mittel-/Südamerika unangefochten an der Spitze aller Handy-Hersteller.

Drei Verkaufsboykotte waren zuviel

Dann kam der neue CEO Stephen Elop und machte einen Fehler nach dem anderen – wir haben diese fast vor genau einem Jahr hier ausführlich analysiert . Der schlimmste dieser Fehler war die Abkündigung des erfolgreichen Betriebssystems Symbian. Neu ist, dass Elop auf der Aktionärsversammlung endlich zugab, dass dieser Schritt »dem Verkauf von Nokia Smartphones geschadet hat«. Elop erklärte weiterhin, dass Lumia gute Smartphones seien jedoch »die Verkaufsläden diese Geräte nicht unterstützen«. Dies ist der durch falsche Geräte und eine desaströse Markteinführung bedingte Verkaufsboykott Nr. 1.

Er trat ein, weil Handy-Verkäufer nichts mehr hassen, als zusätzliche Arbeit, für die sie nicht bezahlt werden – wenn z.B. ein unzufriedener Kunde ein Gerät zurückbringt und ein Umtausch abgewickelt werden muss. Umfragen zeigen, dass Nokia-Kunden mit 50 % eigentlich eine hohe Markentreue haben. Das Lumia 800 erfüllte jedoch nicht einmal die untersten Erwartungen der Nokia-Kunden, indem z.B. kein Einschub für MicroSD-Karten oder keine QWERTY-Tastatur existiert, beides bislang ein Markenzeichen von Nokia-Geräten.

Und dann noch der Windows-Bug. Schickte man einem Lumia-Besitzer eine SMS mit einem bestimmten Inhalt, stürzte das Gerät komplett ab und musste in den Werkszustand zurückgesetzt werden – inklusive Löschen aller Fotos, Texte, Videos und Apps.

Das Magazin »Stern« empfahl seinen Lesern, lieber in Österreich oder in der Schweiz ein N9 (dies wird in Deutschland absurderweise nicht verkauft) zu kaufen, die britische Zeitung »The Guradian« empfahl sogar die Rückgabe des Gerätes. Die »Economic Times« in Indien sagte, man solle lieber das Samsung Omnia W kaufen und in Australien, weltweit die Nr. 4 was die Samrtphone-Dichte pro Einwohner angeht, empfahl »The Australian« lieber HTCs Titan, Samsungs Galaxy oder das iPhone.

Das in Amerika gestartete Lumia 900 hatte Probleme beim Aufbau einer Datenverbindung. Nokia musste allen Kunden eine Gutschrift von 100 Dollar anbieten. Das gilt nicht nur für bisherige Kunden, sondern auch für potenzielle Käufer, die somit den subventionierten Kaufpreis von 99,99 Dollar erstattet bekommen.

Diese ganzen Probleme haben zu einer weit überdurchschnittlichen Rücklaufquote der Lumia-Geräte geführt – und zu Mehrarbeit und Frust bei den Verkäufern. Die Folge war, man empfiehlt heute lieber Geräte der Konkurrenz – was Elop seinen Aktionären mit »die Verkaufsläden unterstützen diese Geräte nicht« umschrieb.


  1. Mit Steve Ballmer und Windows frontal gegen die Wand
  2. Nicht das Gerät, sondern die Provider entscheiden
  3. Skype bedroht das Geschäftsmodell der Telekom-Provider
  4. Vier Ratschläge für Stephen Elop

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu NOKIA GmbH