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Mehr Präzision durch EGNOS

11. Oktober 2011, 9:06 Uhr | Von Jean-Marie Zogg und Bruno Studer
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Die EGNOS-Nachricht

Die von den drei GEO-Satelliten empfangenen Daten bestehen aus verschiedenen Nachrichten-Typen (Message Types, MT). In Tabelle 4 ist eine kurze Erklärung zu den verschiedenen Nachrichten gegeben.

Message Type (MT)
 Offizielle Bezeichnung
Zweck der Nachricht
 0 Don´t Use (SBAS test mode)
Nicht für sicherheitskritische Anwendungen verwenden! Wird dieses Signal ausgesendet, ist der Inhalt identisch mit der Nachricht MT2.
1 PRN Mask Gibt an, welche GPS-Satelliten von EGNOS momentan überwacht werden.
2-5 Fast corrections Übermittelt kurzfristige Korrekturwerte (Entfernungskorrekturen) zu den GPS-Satelliten.
6 Integrity information Mitteilung über die Zuverlässigkeit und Genauigkeiten der GPS-Satelliten.
7 Fast correction degradation factor Informationen zum zeitlichen Verlauf der Korrekturwerte, übermittelt durch die Nachrichten 2 bis 5.
9 GEO ranging function parameters Informationen über die orbitale Position des empfangenen GEO-Satelliten (Ephemeriden-Werte). Zurzeit kann dieses Signal nicht für die Positionsbestimmung des GPS-Empfängers verwendet werden.
 10 Degradation parameters
Informationen zum zeitlichen Verlauf der Korrekturwerte, übermittelt durch die Nachricht 25.
 12 SBAS network Time/UTC offset parameters
Diese Nachricht erlaubt es, die EGNOS-Satelliten-Zeit in UTC-Zeit umzurechnen bzw. zu synchronisieren.
 17 GEO satellite almancs
Informationen über die Bahnen sämtlicher GEO-Satelliten (Almanach-Daten).
 18 lnospheric grid point masks
Gibt an, für welche geographischen Gebiete die Korrekturwerte zum Einfluss der lonosphäre gultig sind.
 24 Mixed fast/long-term satellite error corrections
Kurzfristige und langfristige Korrekturwerte für eine Auswahl von sechs GPS-Satelliten
 25 Long-term satellite error corrections
Übermittelt die langfristigen Veränderungen der Satellitenbahnenparameter und -Uhren.
 26 lonospheric delay corrections Korrekturwerte zum Einfluss der lonosphäre
 27 EGNOS service message
Definiert die geographische Region des EGNOS-Dienstes
 63 Null message
Wird übermittelt, wenn keine weiteren Nachrichten zur Verfügung stehen.

Tabelle 4. Die Nachrichten-Typen von EGNOS


Nachrichtentypen der EGNOS-Satelliten
Bild 2. Übermittelte Nachrichtentypen der EGNOS-Satelliten PRN 120 (a) und PRN 126 (b).

Auf dem ESA-Portal [1] kann in Echtzeit nachgeschaut werden, welche Nachrichten die EGNOS-Satelliten übermitteln (Bild 2a).

Aus den Graphiken ist ersichtlich, dass der Inmarsat-Satellit 3-F5 mit der PRN-Nummer 126 (Bild 2b) nicht für sicherheitsrelevante Anwendungen verwendet werden darf, da er den Nachrichten-Typ MT0 (SBAS-Test mode) überträgt. Auf dem gleichen Portal kann nachgeschaut werden, von welchen GPS-Satelliten Korrekturdaten übermittelt werden (Bild 3).

Die Verbesserung mit dem OS

Im offiziellen EGNOS-Dokument „Service Definition Document Open Service [2]“ wird auf Seite 27 eine minimale Genauigkeit in der Horizontalen von drei Metern und in der Vertikalen von vier Metern postuliert. 95 % aller Messungen sollten besser als diese Werte sein.

Von EGNOS PRN 120 übermittelte GPS-Daten
Bild 3. Von EGNOS PRN 120 übermittelte GPS-Daten. Ein schwarzer Balken bedeutet, dass vom entsprechenden Satelliten keine Daten übermittelt werden (not monitored). Nur wenn der Balken grün ist, sollten die Daten verwendet werden.

Im Dokument „User guide for EGNOS application developers [3] “ wird auf Seite 49 aufgeschlüsselt, wo EGNOS im Vergleich zu GPS Verbesserungen bringt. Die aufgeführten Werte sollten als typische Größen betrachtet werden.

Fett eingezeichnet sind die von EGNOS beeinflussbaren Parameter (in Tabelle 5). Messungen des Längengrades, Breitengrades und der Höhe über eine Zeitdauer von neun Stunden ergaben einen sichtbaren Einfluss von EGNOS; z.B. betrug die Standardabweichung in der Höhenmessung ohne EGNOS 2,00 m und mit EGNOS 1,18 m.

Weitere Erweiterungssysteme (SBAS)

Neben EGNOS für Europa existieren weitere satellitengestützte Er-weiterungssysteme (Satellite Based Augmentation Systems, SBAS). Alle SBAS müssen interoperabel sein. Die Kompatibilität wird durch die Verwendung des Standards RTCA DO-229C gewährleistet.

Zurzeit befinden sich zusätzlich zu EGNOS folgende SBAS, welche zueinander kompatibel sind oder sein werden (Bild 4), für folgende Gebiete in Funktion bzw. Entwicklung:

 Fehlerart  Fehler (nur mit GPS)
Verbleibender Fehler (mit GPS und EGNOS)
Fehler, bedingt durch die Troposphäre 0,25 m 0,25 m

Fehler, bedingt durch die lonosphäre

2 m

0,3 m

Fehler, bedingt durch das Rauschen des Empfängers 0,5 m 0,5 m
Fehler, bedingt durch Mehrwegempfang 0,2 m 0,2 m
Horizontaler Positionsfehler des Empfängers (RMS-Wert) x Einfluss der Satellitengeometrie HDOP von 1,1 (1o.-Wert)
2,31 m x 1,1 = 2,54 m 0,83 m x 1,1= 0,92 m
 Horizontaler Positionsfehler (2o- oder 95-%-Wert)
 5,08 m
 1,84 m

Tabelle 5. Einfluss von EGNOS auf die Positionierungsgenauigkeit. In fetter Schrift: die von EGNOS beeinflussbaren Parameter.


Versorgungsgebiet der verschiedenen SBAS
Bild 4. Versorgungsgebiet der verschiedenen SBAS.
© BAZL
  • Nordamerika (WAAS, Wide Area Augmentation System): Die Bundesluftfahrtverwaltung (FAA) der Vereinigten Staaten leitete die Entwicklung des großräumigen Erweiterungssystems (WAAS), das die Vereinigten Staaten, inkl. Kanada und Mexico, mit zwei GEO-Satelliten abdeckt.
  • Japan (MSAS, Multifunctional Satellite based Augmentation System): MSAS verwendet zwei GEO-Satelliten.
  • Indien (GAGAN, GPS and GEO Augmentated Navigation): Die indische Luftfahrtorganisation ISRO (Indian Space Research Organization [4]) will ein System entwickeln, das kompatibel zu den anderen SBAS ist.
  • Russland (SDCM, System for Differential Correction and Monitoring): Russland plant für sein Gebiet ein System zur Überprüfung der GPS- und GLONASS-Signale durch verschiedene Monitorstationen. GEO-Satelliten werden über das russische Gebiet Korrektur- und Integritätssignale für GPS und GLONASS aussenden [5].
Ausleuchtzone mit Genauigkeit von EGNOS
Bild 5. Ausleuchtzone mit Genauigkeit von EGNOS.
© ESA

Der Dienst SoL für die Luftfahrt

Der Navigationsüberlagerungsdienst EGNOS steigert regional begrenzt auf Europa die Positionsgenauigkeit von GPS von 10 bis 20 m auf 1 bis 3 m (Bild 5). Zusammen mit der erhöhten Integrität und Sicherheit der Signale (time to alarm = 6 s) wird EGNOS mit dem SoL-Dienst (Safety of Life) sehr interessant für die Luftfahrt. Routennavigation und Landeanflüge können so von Flugzeugen, aber auch Heli-koptern mit GPS präziser durchgeführt werden.

Der sicherheitskritische Dienst SoL von EGNOS bietet folgende Verbesserungen und Vorteile:

  • Erhöhte Sicherheit der Luftfahrt: EGNOS SoL ermöglicht präzise Anflüge, was die Sicherheit gerade bei schlechtem Wetter erheblich erhöht.
  • Niedrigere Betriebskosten: Das EGNOS-Signal wird unentgeltlich bereitgestellt und erfordert im Flugzeug lediglich einen Empfänger. Am Boden werden keine Einrichtungen benötigt.
  • Weniger Kohlendioxid-Emissionen: EGNOS ermöglicht eine effizientere Planung der Flugstrecken und Anflüge und damit die Verringerung der Emissionen.
  • Weniger Verspätungen, Umleitungen und Stornierungen: Mit EGNOS sind bei schlechtem Wetter geringere Mindestabstände zwischen den Flugzeugen möglich, und das heißt weniger Verspätungen, Umleitungen und Stornierungen von Flügen.
  • Weniger Lärmbelästigung: Durch die optimierten Flugstrecken und Verfahren mit gekurvtem Anflug brauchen die Flugzeuge erst in der Nähe der Piste mit dem Sinkflug zu beginnen und verringern so den Lärm in Flugplatznähe.
  • Höhere Kapazitäten für kleinere Flughäfen: Die vom System bereitgestellte Höhenleitfunktion ermöglicht Landungen bei schlechter Sicht und erhöht so die Kapazität von Flughäfen vor allem von kleinen und mittelgroßen, für die andere technische Lösungen (wie z.B. ILS, Instrumenten-Landesystem) zu teuer sind. Für größere Flughäfen mit bereits vorhandener Infrastruktur für Präzisionsanflüge dient EGNOS als Backup-System.
EGNOS-Darstellung der Empfängerinformationen
Bild 6. EGNOS-Darstellung der Empfängerinformationen auf herkömmlichen Luftfahrzeug-Displays.
© BAZL

Für die Nutzung des sicherheitskritischen SoL-Dienstes müssen Flugzeuge mit einem EGNOS-fähigen, zertifizierten Empfänger ausgestattet sein (Bild 6) und Flughäfen über besondere Anflugverfahren für ihre Pisten verfügen. Da in Europa EGNOS SoL erst seit dem 2. März 2011 freigegeben wurde, laufen die Planungen und Implementierungen mit Hochdruck. In der Schweiz wurde beispielsweise am 27. 7. 2011 das erste zivile GPS-basierte Anflugverfahren für Helikopter zum Berner Inselspital bewilligt. Somit können die Rettungshelikopter der REGA auch bei Schlechtwetter und Hochnebellagen sicher landen.

In den USA sind bereits über 3000 SBAS-Verfahren für Flugplätze realisiert worden (analog zu EGNOS mit WAAS, Stand Januar 2011). Ein interessantes, zweiminütiges Video „EGNOS Safety of Life Service - How does it work? befindet sich im Web unter [6].

EGNOS und GALILEO

Lange Zeit wurde EGNOS als Vorläufer des Europäischen Navigationssystems GALILEO angepriesen. EGNOS ist und bleibt aber eine Zusatzfunktion zu GPS. Da die künstliche Verschlechterung (selective availability, SA) bereits im Mai 2000 abgeschaltet wurde, ist die Genauigkeitsverbesserung mit EGNOS nicht so dramatisch wie erhofft. Den wichtigsten Dienst von EGNOS bildet SoL. Vor allem die erhöhte Genauigkeit und die Zuverlässigkeit der Signalinformation ermöglichen nun endlich auch in Europa den sicherheitskritischen Einsatz von GPS in der Luftfahrt. Die Entwicklungen in Europa werden vergleichbar wie in den USA sein. Dort hat sich WAAS in der Fliegerei schon etabliert. EGNOS wird mindestens 20 Jahre in Betrieb sein und somit auch noch verfügbar sein, wenn GALILEO in einigen Jahren (geplant ist 2014) betriebsfähig sein wird.


  1. Mehr Präzision durch EGNOS
  2. Infrastruktur von EGNOS
  3. Die EGNOS-Nachricht
  4. Literatur und Autoren

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