Dieser Beitrag gibt einen technischen Überblick über die Funktionsweise des Europäischen Geostationären Navigations-Überlagerungsdiensts EGNOS (European Geostationary Navigation Overlay Service).
Am 2. März 2011 verkündete die ESA (European Space Agency, Europäische Weltraumorganisation), dass EGNOS ab sofort im Dienst der europäischen Luftfahrt stehe. Der sicherheitskritische EGNOS-Dienst (Safety of Life Service, SoL) kann demgemäß zur senkrechten Führung eines Flugzeuges bei Landeanflügen genutzt werden. Bereits im Oktober 2009 wurde der offene EGNOS-Dienst (Open Service, OS) freigegeben. Dieser Dienst steigert die Genauigkeit des amerikanischen Navigationssystems GPS, er darf aber nur für unkritische Anwendungen, d.h. wenn keine Gefährdung von Lebewesen auftreten kann, verwendet werden (z.B. zur Güterortung). EGNOS bedient sich dreier Satelliten; im Juli 2001 wurde einer der drei, der ESA-eigene Satellit Artemis, per Ariane-Rakete in Umlauf gebracht.
Was kann GPS und wo setzt EGNOS ein?
Das Globale Positionierungssystem GPS, entwickelt und betrieben von den USA, erlaubt eine weltweite Bestimmung von Koordinaten, Höhe, Geschwindigkeit und Zeit. 31 GPS-Satelliten umkreisen die Erde auf einer Umlaufbahn von ca. 20.000 km Bahnhöhe über der Erdoberfläche und senden ihre Informationen mit einer Datenrate von 50 bit/s auf der Frequenz L1 von 1575,42 MHz zur Erde. Diese Frequenz wird für den Standard Positioning Service SPS genutzt und ist frei zugänglich. Die Daten, die so genannte Navigationsnachricht, stellen Informationen über den Verlauf der Satellitenbahnen, die Zeit etc. dar.
Aus der Navigationsnachricht und aufgrund der bekannten momentanen Lage von mindestens vier Satelliten kann ein GPS-Empfänger seine Koordinaten mit einer Genauigkeit von 8 bis 12 m bestimmen. Dazu wird mittels der vorerst noch ungenau ermittelten Distanz des Empfängers zu den vier Satelliten (Pseudorange) der Standort ermittelt. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Genauigkeit der Distanzmessung: Die wichtigsten Beeinflussungsgrößen sind das Verhalten der Ionosphäre in Bezug auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Signale und die Ungenauigkeit der Satellitenbahnen. EGNOS kann diese negative Beeinflussung zum Teil kompensieren.
Fällt ein GPS-Satellit ganz oder teilweise aus, können mehrere Stunden vergehen, bis das terrestrische Kontrollsegment dies bemerkt und den Satelliten außer Betrieb setzt. Wird das Signal eines defekten Satelliten zur Navigation genutzt, kann dies eine katastrophale Folge haben, z.B. in der Luftfahrt. Diese hohe Latenzzeit von mehreren Stunden für eine Fehlererkennung verkürzt EGNOS auf maximal sechs Sekunden. Durch Kombination von GPS und EGNOS können somit sicherheitskritische Navigationsanwendungen, z.B. Landeanflüge, durchgeführt werden.
Wichtigste Funktionen von EGNOS und SBAS
EGNOS ist das Europäische Satellitengestützte Erweiterungssystem (satellite based augmentation system SBAS). Es stellt eine Verbesserung gegenüber GPS dar, weil es die Ortungsgenauigkeit und die Zuverlässigkeit der Ortungsinformationen durch das Aussenden zusätzlicher Signale erhöht. Diese Signale werden von drei geostationären Satelliten gesendet. Im Detail werden folgende Verbesserungen erreicht:
In EGNOS sind drei Dienste implementiert oder vorgesehen:
1.] Die wichtigste Funktion des Offenen Dienstes (Open Service, OS) ist das Aussenden von Korrekturdaten, um die Genauigkeit von GPS zu erhöhen. Dieser Dienst ist seit Oktober 2009 verfügbar.
2.] Der Sicherheitskritische Dienst (Safety of Life Service, SoL) ist seit März 2011 freigegeben und vor allem für die zivile Luftfahrt durch das Aussenden des Integritätssignals innerhalb von sechs Sekunden dienlich.
3.] Der Kommerzielle Datenverteilungsdienst (Commercial Data Distribution Service, CDDS) wird zusätzliche Informationen zum EGNOS und GPS verbreiten. Dieser Dienst ist noch nicht implementiert. Der Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme ist zur Zeit noch unbestimmt. Wahrscheinlich wird die Nutzung dieses Dienstes, im Gegensatz zu den zwei anderen (OS und SoL), kostenpflichtig sein.