Was der Großindustrie nutzt, könnte dem Mittelstand schaden

30. März 2009, 12:10 Uhr | Engelbert Hopf, Markt&Technik

Konzerne tendieren im Krisenfall zum Outsourcing. Staatliche Unterstützung in Form von Förderprogrammen könnte das verhindern. Statt sich nur auf die Rettung von Dinosauriern zu konzentrieren, plädiert der Mittelstand für eine Fokussierung auf zukunftsträchtige Bereiche. Die Krise bietet ihm die Chance, sich mit hoch qualifiziertem Personal zu verstärken. Zugleich wird die Forderung nach besserer Lobbyarbeit laut.

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Ein leidenschaftliches Bekenntnis zur Marktwirtschaft legten die Teilnehmer des Mittelstandsforums gleich zu Beginn der Diskussionsrunde ab. So wenig staatliche Eingriffe wie möglich forderten sie, gleichzeitig wurde Überstützung für die Bankenrettungsaktion der Bundesregierung signalisiert. »Das einzige, was derzeit sicher gestützt werden muss, sind die Banken«, versichert Bernhard Huber, Business Line Manager Standard Components bei ZMD, »nur so lässt sich sicherstellen, dass das von allen benötigte Geld weiter fließt, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.«

Hans Knürr, der nach der Beendigung seiner aktiven Unternehmertätigkeit heute als Advisor to Entrepreneurs aktiv ist, verfolgt die aktuelle Diskussion um staatliche Eingriffe in die Wirtschaft mit sehr gemischten Gefühlen: »Da kämpfen zwei Seelen in meiner Brust. Die ordnungspolitische, der vor jedem staatlichen Eingriff in die Wirtschaft graut und die mittelständische, die sagt, wenn du die angebotene staatliche Förderung nicht annimmst, schießt du dich selbst aus dem Wettbewerb.«

Als klarer Verfechter der Marktwirtschaft gibt sich auch Ulrich Gehrmann, CEO und Vorstandsvorsitzender von Kontron zu erkennen: »Der Staat sollte sich so weit wie möglich aus der Wirtschaft raushalten und nur sehr selektiv eingreifen. Die Vergangenheit, etwa der Fall Holzmann haben gezeigt, dass staatliche Maßnahmen eigentlich nie geklappt haben.«

Für Christof Zollitsch, Geschäftsführer der Stemmer Imaging, gibt es bei der Diskussion um staatliche Förderung ein klares Unterscheidungsmerkmal: Geht es darum einen Markt zu stützen, der eigentlich nur virtuell aufgebläht war und der nun wieder auf ein normales Produktionsniveau zurückgeführt werden muss? Unter diesem Aspekt macht es aus seiner Sicht keinen Sinn, eine Firma Opel zu unterstützen, schließlich gibt es genügend Autos und unterschiedliche Marken am Markt. Etwas anderes sei es hingegen, wenn es darum geht, Märkte aus einem spezifisch europäisch-nationalen Interesse heraus zu unterstützen.

Das größte Problem börsennotierter, mittelständischer Unternehmen sieht Lothar Lauterbach, General Manager der Lauterbach Datentechnik, in der politischen Entscheidung, in den letzten Jahren Eigenkapital gegenüber Fremdkapital zu benachteiligen: »Das ist ein grundlegendes ordnungspolitisches Problem. Das hat dazu geführt, dass alle stillen Reserven rausgekehrt wurden und Unternehmen heute, wenn zwei Wochen der Umsatz ausfällt, mit dem Rücken zur Wand stehen.«

Eventuell noch in diesem Jahr notwendig werdende Maßnahmen zur Krisenbewältigung, wie etwa die Einführung von Kurzarbeit, schrecken den versammelten Mittelstand nicht. »Wir haben 2002 äußerst positive Erfahrungen mit dem Thema Kurzarbeit gemacht«, berichtet etwa Michael Mitezki, Geschäftsführer der Phytec Messtechnik. Doch bevor es soweit kommt, hat man bei Phytec schon mit anderen Maßnahmen auf die Krise reagiert. »Wir haben in diesem Jahr zum ersten Mal nicht den Vertriebs-Forecast genommen, als es darum ging, den Geschäftsplan aufzustellen«, stellt Mitezki fest, »stattdessen haben wir das ganze Unternehmen auf Rohertragsberechnung umgestellt.«

Einigkeit herrscht unter den Diskussionsteilnehmern auch darüber, wie man sich am besten vor Shake-Outs im Gefolge der Wirtschaftskrise schütz: Durch IP. Knürr dazu: »Derjenige, der sich IP erarbeitet hat, ist widerstandsfähiger in der Krise, wer dagegen nur auf den Preis gesetzt hat, kann in dieser Situation das Opfer einer schnellen Make-it- or Buy-it-Entscheidung werden«. Für die unterschiedliche Durchschlagskraft des politischen Lobbyismus im Maschinenbau und in der Elektronikbranche, hat Zollitsch eine interessante Erklärung: »Vielleicht denken wir in der Elektrotechnik noch zu ingenieurmäßig und sagen uns, das kann ich selber«, gibt er zu bedenken, »ich bin jedoch der Überzeugung, wir müssen hier eine Organisation aufbauen, die uns diese Aufgabe abnimmt.«

In Krisen schlummern auch immer Chancen

Dass in Krisen auch immer Chancen schlummern, wird beim Thema Neueinstellungen deutlich. Mit Ausnahme von Kontron, wo nach Gehrmanns Worten derzeit ein Einstellungsstopp herrscht, haben alle an der Diskussion beteiligten Unternehmen die letzten Monate dazu genutzt, sich punktuell personell zu verstärken. »So gute Leute, wie sie derzeit bekommen können«, berichtet Huber, »werden sie kaum noch kriegen, wenn die Markterholung wieder einsetzt.«

Von der Politik wünscht sich Gehrmann, stellvertretend für die übrigen Diskussionsteilnehmer im Wahljahr 2009 vor allem das Rückgrat, es jetzt nicht jedem Recht machen zu wollen. Er plädiert aber auch dafür, sich vom Klein, Klein abzuwenden und sich wieder auf die wichtigen Themen zu fokussieren: »Wir hätten es eigentlich schaffen müssen, diese Bankenüberwachung so hinzubekommen, dass nichts passiert. Da liegen die Herausforderungen der Zukunft und nicht in der Verteilung von Subventionen und Fördermitteln nach dem Gießkannenprinzip.«


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