Durchbruch in der dreidimensionalen Audio-Codierung

Viele Lautsprecher – ein Übertragungskanal

7. September 2010, 14:42 Uhr | Von Clemens Par
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Ein Kanal – mehrere Signale

Pyramix
Bild 1. Die erste VoiCode-Anwendung: Pyramix. In die Studio-Software von Merging Technologies ist das beschriebene 3D-Audio-Codierverfahren integriert. Die Software erhielt den Digital Audio Workstation Resolution Award 2009.
© swissaudec

Das neue System erhielt zu Ehren der Erfinder des kryptographischen Audio-Filters „Sigsaly“, Alan M. Turing und Homer W. Dudley, den international geschützten Namen „VoiCode“. Das erste darauf basierende Produkt, ein professioneller Mono-To-Stereo-Upmixer – der sich mit wenigen Handgriffen in einen Mono-To-Surround-Upmixer verwandeln lässt – entwickeln die Swissaudec GmbH in Kooperation mit Merging Technologies, einem international führenden Anbieter von professionellen Studio-Software- Lösungen; der Öffentlichkeit wird dieses System erstmals im September 2010 auf der International Broadcast (IBC) in Amsterdam präsentiert (Bild 1). Gemeinsam mit einem international führenden Hochschulpartner werden wir dann sämtliche weiteren industriellen VoiCode-Anwendungen implementieren.

Insgesamt zeichnen sich bei Einsatz dieser neuen Technik gegenüber den bisher genutzen Mehrkanaltechniken folgende Vorteile ab:

- Einerseits lassen sich mit dem System aufnahmeseitig 50 % bis 88 % an technischen Ressourcen einsparen. Dies bedeutet, dass mit VoiCode erstmals ein 1-Kanal-Surround-Aufnahmesystems praktisch vorliegt. Ganz im Sinne umfassender Postproduktion lassen sich darüber hinaus Audio-Signale hinsichtlich ihrer stereophonen Parameter professionell nachbearbeiten und etwa hinsichtlich ihres Korrelationsgrades beliebig verändern – ein wichtiges Merkmal etwa für öffentlich- rechtliche Rundfunkanstalten. Miniaturisiert vermag VoiCode Unterhaltungselektronik in professionelle kleine Aufnahmestudios zu verwandeln. Gemäß einer Schätzung unseres Hochschulpartners beansprucht das System auf einem handelsüblichen Mikrocontroller etwa 1 % der Oberfläche und lässt sich auch ohne Umstände auf dem Chip eines MEMS-Mikrofons unterbringen. Diese Winzlinge, die sich heute in den meisten Computern, Videokameras und Mobiltelefonen wiederfinden, weisen eine kugelförmige Richtcharakteristik mit nahezu idealem Frequenzgang auf und lassen demnach nur AB-Aufnahmeverfahren zu, die in der Praxis problematisch sind. VoiCode verwandelt solche MEMSMikrofone in professionelle Stereooder Surround-Mikrofone, indem es automatisch die optimale Wiedergabe errechnet.

- Andererseits lassen sich unter Zuhilfenahme der erwähnten patentierten stochastischen Methoden stereophone Informationen als nur wenige Bits große Zusatzinformation codieren und im Mono-Signal eingebettet speichern, übertragen oder abstrahlen. Etwa bei High-Definition-Formaten ergibt sich so eine Reduktion der Audio-Daten um mehr als 88 % ohne Qualitätsverlust. Sämtliche über Satelliten abgestrahlte Audio-Daten lassen sich auf die Hälfte bis auf ein Zehntel komprimieren. Satellitenbetreiber können so ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den bisher um die Hälfte billigeren Anbietern von terrestrischen Sendern erhöhen. Und wer sich über den zum großen Teil immer noch monophonen Fernsehton bzw. die Monophonie von Kurz-, Mittel- oder Langwelle mokierte – wie sie etwa in der amerikanischen Hemisphäre durchaus noch üblich ist –, dem bietet VoiCode ein effizientes Instrument für die stereophone Wiedergabe, das z.B. in den Chip eines hybriden Radioempfängers eingebettet werden kann – Surround, Dolbyund DTS-Formate (Digital Theatre Sound) sowie SDDS (Sony Dynamic Digital Sound) eingeschlossen.

- Für die Telefonie, die sich ausschließlich auf monophone Eingangssignale stützt, kommt die für professionelle Audio-Anwendungen konzipierte Technologie einer Revolution gleich: Sofern es nämlich gelingt, gewünschte und interferierende Schallquellen bei Telefonsignalen räumlich zu separieren, erhöht sich deren Verständlichkeit wesentlich – ein wichtiger Faktor für Freisprecheinrichtungen, insbesondere im Automobil. Gleiches gilt für den Sprechfunk. Tatsächlich hat diese Eigenschaft bereits das nachhaltige Interesse mehrerer Automobilhersteller an der von mir neugegründeten Gesellschaft Swissaudec GmbH geweckt.

VoiCode
Bild 2. Ein Testsignal, das von einem defekten Lautsprecher abgestrahlt wird, lässt beispielsweise Rückschlüsse auf die Lage des mechanischen Defekts zu. Der rote Pfeil kennzeichnet dessen Lokalisation.
© swissaudec

- Wichtig ist VoiCode in Bereichen, in der nur unvollständig übertragene M-S-Audio-Signale vorliegen: so etwa in der Satellitentechnik, bei der es wetterbedingt zu Auslöschungen, so genanntem „rain fade“, kommen kann, oder bei in Automobilen empfangenen FM-Signalen, bei denen die Empfangsbedingungen sich ständig so verändern, dass der Zuhörer einen andauernden Wechsel zwischen Stereo- und Mono-Signal wahrnimmt. Tatsächlich kann VoiCode ein solches Stereo-Signal anhand der noch vorhandenen Signalanteile rekonstruieren und somit zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung trotz schlechten Empfangs beitragen.

- Die Fähigkeit von VoiCode, die räumliche Verteilung von Schallquellen anhand eines einzigen Mikrofonsignals wiedergeben zu können – möglich aufgrund der optimierten Interpolation mehrerer virtueller Mikrofone –, ist wesentlich für die industrielle Messtechnik. Auf dem Stereo-Sichtgerät lassen sich so mit einem einzigen monophonen Testmikrofon aufgenommene Schallquellen oder Schallreflexionen präzise sichtbar machen (Bild 2). Denkbar sind außerdem die VoiCode-basierte Verfeinerung der medizinischen Live-3D-Ultraschalldiagnostik. Damit könnten nunmehr auch seitlich einfallende Reflexionen ausgewertet werden – wichtig auch für portable Ultraschallgeräte. Darüber hinaus lassen sich mit VoiCode Miniatur-Hörgeräte auf Basis eines einzigen Mikrofons entwickeln.


  1. Viele Lautsprecher – ein Übertragungskanal
  2. Ein Kanal – mehrere Signale
  3. Wie lässt sich das 3D-Audio-Codiersystem implementieren?

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