Interview mit Atmel-CEO Steven Laub

„Sei immer bereit für Veränderungen und setze sie konsequent um“

26. November 2010, 10:02 Uhr | Frank Riemenschneider
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Atmel will schneller als der Markt wachsen

Atmel
Atmels Firmenzentrale im kalifornischen San Jose.
© Elektronik

Sie wollen immer schneller als der Markt wachsen, aber der wächst ja gerade mit extrem hoher Geschwindigkeit. Wie wollen Sie dieses Ziel dennoch erreichen?

Laub: Sie wollen ja auch schneller als der Markt wachsen, oder? (lacht) Sonst ist es ja auch schwierig, mehr Marktanteil zu bekommen. Wir haben das bei den MCUs geschafft, wir haben 30 % im Vergleich zum Vorquartal zugelegt und 95 % im Vergleich zum selben Zeitraum 2009. Wir glauben weiterhin, dass das dritte Quartal nochmals 15 bis 20 % Wachstum bringt, ich glaube, damit haben wir das höchste Wachstum aller MCU-Hersteller. Die Frage ist jetzt, wie kann man das erreichen, zumal der MCU-Markt insgesamt ja nur um eine einstellige Prozentzahl wächst. Als erstes muss man mal die Anwendungen identifizieren, die am schnellsten wachsen. Es geht um Energie, Wireless und Touch-Sensing. Wir haben sehr früh sehr viel Geld in diese Geschäftsbereiche investiert, um eine starke Position zu erreichen. Um zusätzliche Marktanteile zu erzielen, liegt unser erster Fokus dabei auf neuen Anwendungen, da die Kunden dort noch keine Auswahl ihrer Lösung getroffen haben und wir glauben, besser als der Wettbewerb positioniert zu sein. Schwieriger ist es, bei Kunden unserer Wettbewerber diese zu überzeugen, ihre derzeitigen Lösungen durch unsere zu ersetzen. Aber auch damit haben wir Erfolg.

Sie reden immer von Umsatzzuwächsen, wenn ich mir Ihre Bilanzen ansehe, erkenne ich aber bei der Rendite z.T. noch Optimierungspotential. Wie wollen Sie Ihre Renditen erhöhen?

Laub: Deswegen haben wir ja zahlreiche Geschäftsbereiche mit geringeren Margen verlassen. Desweiteren haben wir unsere Fertigungskosten massiv reduziert, indem wir Foundries nutzen. Unser Deckungsbeitrag im 2. Quartal betrug 46 %, was für diese Firma ein Rekordergebnis darstellt. Unsere Vorgabe betrug nur 43 bis 45 %. Ende 2012 wollen wir 50 % Deckungsbeitrag erreichen.

Sie haben ja in der Tat ein Fab-light-light-light-Modell, indem Sie die Anzahl Ihrer Fabs von 5 auf nur noch eine reduziert haben. Es gibt jedoch Wettbewerber wie Microchip oder Renesas, die behaupten, eine vollständige Kontrolle über die Fertigungskette sei unerlässlich. Was stimmt denn nun?

Laub: Um in den wirklichen 32-bit-High-End-Märkten partizipieren zu können, brauchen Sie auch Leading-Edge-Fertigungen. Da unsere Wettbewerber in diesen Märkten nicht so stark sind, stehen sie möglicherweise nicht vor dieser Herausforderung. Sehen Sie, eine derartige Fab kostet heute 1 Mrd. Dollar. Die einzige wirkliche Chance für uns und viele unserer Mitbewerber ist die Nutzung einer Foundry, wo diese Technologie geteilt werden kann. Eine andere historisch bedingte Sache war für Atmel die Speicher-Herstellung, für die Sie nicht wirklich eine Foundry nutzen konnten. Unsere letzte Fab in Colorado haben wir behalten, da wir dort eine Hochvolt-Prozesstechnik entwickelt haben, die Sie nicht von einer Foundry bekommen können, die für uns aber z.B. für unser Automobil-Geschäft wichtig ist. Abgesehen davon ist diese Fab vollständig abgeschrieben. Ein letztes Argument für Foundries ist das zyklische Geschäft in unserer Branche: In einem Abschwung geht die Auslastung Ihrer Fab runter und treibt die Kosten hoch. Bei Foundries spielt das keine Rolle.

Von 2007 bis 2009 haben Sie Ihre Administrationskosten von 14,8 auf 18,2 % Ihres Umsatzes erhöht, Ihre F&E-Kosten aber nur von 16,6 auf 17,4 %. Wieso investieren Sie mehr Geld in Administration als in Forschung und Entwicklung?

Laub: Der Grund liegt einfach darin, dass wir so viele Geschäftsbereiche verlassen haben. In Absolutwerten liegen unsere F&E-Ausgaben höher als die unserer wichtigsten Wettbewerber, höher als die von Freescale, Microchip und Cypress. Unsere F&E-Ausgaben im Bereich MCUs wurde sogar verdoppelt, seitdem ich hier als CEO arbeite.

Im Jahr 2009 haben Sie die Zahl Ihrer Mitarbeiter von 6400 auf 5600 verringert. Gab es irgendwelche negativen Auswirkungen durch den Verlust von hochqualifizierten Ingenieuren und planen Sie 2010 einen weiteren Stellenbau?

Laub: Dieser Stellenabbau hängt primär mit der Schließung unserer Fabs zusammen, die Anzahl der Entwickler ist sogar gestiegen. Wir stellen nach wie vor in den Bereichen MCUs und Touch-Lösungen ein.

Wie sieht es denn mit Ihrem Deutschland-Geschäft aus?

Laub: Wir brechen die Zahlen nicht nach einzelnen Ländern, sondern nach Regionen auf. In Europa erzielen wir rund 28 % unseres Umsatzes, davon ist Deutschland der größte Markt. Besonders wichtig sind Industrie-Kunden wie Siemens und natürlich das Autogeschäft, wo wir eine Geschäftsbeziehung mit den wichtigsten OEMs pflegen. Ein Beispiel sind Mercedes, BMW und VW.

Eine letzte persönliche Frage: Ich weiß, dass eines Ihrer Lieblingsbücher „Only the paranoid survive“ vom Intel-Gründer und früheren CEO Andy Grove ist. Was haben Sie denn von ihm gelernt und arbeiten Sie auch wie Andy in einem Großraumbüro?

Laub: Zuerst, ja ich arbeite auch in einem Großraumbüro (lacht). Intel ist ja zum größten Chip-Hersteller der Welt aufgestiegen und da frage ich mich natürlich, was kann man von so einer Firma lernen, um noch erfolgreicher zu werden. Für mich der wichtigste Punkt in diesem Buch ist die Frage, wie man die sogenannten „strategic inflection points“, also massive Umbrüche, mit denen unsere Industrie regelmäßig konfrontiert wird, vorhersehen und auf sie reagieren kann. Es können Veränderungen in der Technologie, bei den Kunden, bei den politischen Rahmenbedingungen teilweise von einem Tag auf den anderen auftreten. In unserer Industrie gibt es unzählige Firmen mit tollen Produkten, für die sich neue Märkte eröffnen bzw. Märkte wieder verschwinden und man Gefahr läuft, durch einen anderen ersetzt zu werden. Andy Grove schrieb u.a. darüber, wie man sich auf diese Veränderungsprozesse vorbereiten kann und muß, und wie man selbst erfolgreicher werden kann, wenn man diese Veränderungen für sich nutzen kann und andere Wettbewerber eben nicht. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Atmel-Mitarbeiter diese enormen Veränderungsprozesse, die wir in den letzten vier Jahren eingeleitet und vollzogen haben, so gut adaptiert haben. Sie haben eingesehen, dass Veränderungen notwendig waren und jetzt bekommen sie die Belohnung dafür. Meine Schlussfolgerung für die Zukunft lautet daher, sei immer bereit für Veränderungen und setzte sie konsequent um.


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