Interview mit Atmel-CEO Steven Laub

„Sei immer bereit für Veränderungen und setze sie konsequent um“

26. November 2010, 10:02 Uhr | Frank Riemenschneider

Da ihm nach eigener Aussage „Kunden und Mitarbeiter wichtiger als Journalisten sind“, kann man Interviews mit Steven Laub, seit August 2006 CEO beim Chip-Hersteller Atmel, an einer Hand abzählen. Für die Elektronik machte er eine Ausnahme und gab uns Einblicke nicht nur in die Veränderungsprozesse, die Atmel in den letzten vier Jahren durchlaufen hat, sondern auch in eines seiner Lieblingsbücher, geschrieben vom Intel-Gründer Andy Grove.

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Atmel-CEO Steven Laub.
CEO Steven Laub baute Atmel von einer "Bauchladen-Firma" erfolgreich in Richtung MCUs und Touch-Lösungen um.
© Elektronik

Elektronik: Herr Laub, nur wenige Leute erinnern sich heute daran, dass Atmel vor 25 Jahren ein Speicher-Hersteller war. Nachdem Sie im August 2006 neuer CEO wurden, haben Sie die Strategie auf Mikrocontroller und Touch-Sensor-Lösungen ausgerichtet. Warum gerade diese beiden Bereiche?

Steven Laub: Atmel war eine Speicher-Firma und in vielen anderen Produkt- und Geschäftsbereichen tätig. Ich habe mir diese angesehen in Bezug auf ihre Zukunftsfähigkeit, das Wachstumspotential, die Profitabilität, wie wir in diesen Märkten positioniert waren und so weiter. Mikrocontroller hatten für Atmel die beste Perspektive wegen der Markt-Fragmentierung, vielen existierenden Anwendungen, tausenden Kunden und vielen Produktlinien, die uns ein höheres Wachstum als der Markt erlaubten. Das Touch-Geschäft war die logische Erweiterung des MCU-Geschäftes, weil dort heute die größten Wachstumsperspektiven liegen und heute ernten wir die Früchte unserer Investitionen.

Von 2007 bis heute haben Sie 15 Geschäfts- und Produktbereiche aufgegeben, irritiert das nicht Ihre Investoren und Mitarbeiter?

Laub: Wir machten Anfang 2007 jedem sehr klar, dass wir uns auf Mikrocontroller und die damit im Zusammenhang stehenden Technologien fokussieren werden, da sie uns höhere Rendite und höheres Wachstum versprachen. Wir haben sehr früh dazu Entscheidungen getroffen und damit Irritationen minimiert, die Aktionäre waren darüber sehr erfreut und unser Aktienkurs ist ja seitdem auch um 80 % gestiegen.

Sie sind ja immer sehr optimistisch, in ihrer Bilanz schreiben Sie jedoch, dass einige Ihrer Konkurrenten „signifikant besser ausgestattet sind bezüglich Finanzen, Technik, Marketing und Management“. Das klingt nicht sehr optimistisch…

Laub: Das ist realistisch (lacht). Nein, ich bin sehr optimistisch, weil gerade in der High-Tech-Industrie Größe nicht immer auch Erfolg heisst. Viele große Firmen, die vor 15 Jahren sehr erfolgreich waren, konnten diesen nicht bis heute bewahren. Der Schlüssel zum Erfolg besteht darin, frühzeitig zu erkennen, in welche Richtung sich Märkte bewegen, welche Lösungen der Kunde haben will und die Fähigkeit, die eigene Strategie auch umzusetzen, d.h. die richtigen Produkte zum richtigen Zeitpunkt zu haben. Unsere Mikrocontroller erzielen hohe Gewinnmargen und Touch-Lösungen haben das höchste Wachstum in der Industrie: 2013 werden über 1 Mrd. Chips benötigt. Da sind wir bestens platziert.

Auf der anderen Seite sind aber gerade die Kunden Ihrer Touch-Lösungen wie z.B. Samsung, HTC oder Motorola dafür bekannt, die Preise gnadenlos zu drücken. Sind Sie mit der Rendite trotzdem zufrieden?

Laub: Ja wir sind zufrieden, auch wenn Sie natürlich Recht haben, dass die genannten Kunden schon auf Grund ihrer Größe daran interessiert sind, den besten Preis zu erzielen. Sie müssen aber bedenken, dass es ihnen primär darum geht, ihren Kunden, also den Handy-Nutzern, die bestmögliche Touch-Schnittstelle anbieten zu können. Je besser die Schnittstelle, desto mehr Produkte können sie verkaufen, und es geht ja nicht um Billigprodukte. Um diese Differenzierung zu bekommen, ist man auch bereit, Geld auszugeben.

Wieso ist Ihre maxTouch-Lösung so erfolgreich? Können Sie mir einen Hauptvorteil gegenüber den Konkurrenzprodukten von Synaptics oder Cypress nennen?

Laub: Dieses Produkt hat eine extrem schnelle Antwortzeit bei Berührungen. Desweiteren ist die Anzahl der parallel ausgeführten Berührungen, die wir verarbeiten können, technologisch gesehen unbegrenzt. Und schließlich haben wir unsere Mikrocontroller-Architektur auf die Verarbeitung von Touch-Applikationen hin optimiert. Weitere Stichpunkte sind Unempfindlichkeit gegen Rauschen und extrem geringe Leistungsaufnahme. Deswegen sind wir in führenden Smartphones wie Samsungs Galaxy, HTCs Incredible und Motorolas Droid eindesignt.

Was ist denn mit Apple?

Laub: Apple hat seine eigenen Lösungen, wir denken jedoch, dass maxTouch mindestens so gut ist wie die von iPad und iPhone. Das iPad eröffnet nebenbei bemerkt ja einen völlig neuen Markt, den der Tablets, an dem wir dann auch glauben partizipieren zu können.

Viele Kunden wünschen sich bei Mikrocontrollern Standard-Lösungen, was heute ARM heisst. Sie haben neben Ihren ARM-Produktlinien auch die proprietäre AVR-Architektur. Glauben Sie, dass diese langfristig überleben kann und können Sie es sich überhaupt noch leisten, ein eigenes Ecosystem für AVR zu unterhalten und weiterzuentwickeln?

Laub: Der MCU-Markt ist schon immer durch unterschiedliche Architekturen gekennzeichnet, denken Sie im 8-bit-Segment an 8051, PIC von Microchip und andere. Im 32-bit-Segment gibt es ebenso verschiedene Architekturen, wobei sich ARM definitiv als Standard herauskristallisiert hat. Wir glauben jedoch, dass in diesem fragmentierten und durch unterschiedlichste Anwendungen gekennzeichneten Markt diverse Architekturen ihre Existenzberechtigung haben und beide Linien von Atmel, ARM und AVR, sind sehr erfolgreich und deswegen werden wir auch weiterhin in beide investieren.

Mit dem Cortex-M4 haben Sie ja jetzt zusätzliche Konkurrenz zu AVR bekommen, denn Sie haben ja immer die DSP-Fähigkeiten wie Single-Cylcle-MAC-Befehle betont und genau das liefert jetzt auch der Cortex-M4. Werden Sie diesen Core lizensieren?

Laub: Sie haben Recht, die DSP-Fähigkeiten waren immer ein Differenzierungsmerkmal von AVR. Ich sehe das als Kompliment für unsere Entwickler, dass jetzt auch ARM offenbar erkannt hat, dass so ein Produkt Sinn macht. Wir sehen das als Ansporn, nach weiteren Differenzierungsmöglichkeiten zu suchen und es wird neue sehr innovative Produkte aus der AVR-Linie geben. Wir fokussieren uns jetzt auch auf extrem geringe Leistungsaufnahme und Sicherheit, es gibt genug Dinge, wo wir uns auch zukünftig von ARM abheben können.


  1. „Sei immer bereit für Veränderungen und setze sie konsequent um“
  2. Atmel will schneller als der Markt wachsen

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