Einem Bericht der »Welt am Sonntag« zu Folge bereitet Infineon einen Antrag auf staatliche Finanzhilfe vor. Hierzu soll sich der Infineon-Vorstand bereits in Gesprächen mit dem Kanzleramt befinden. Bis Juli soll eine Entscheidung fallen.
Der Grund dürfte in den »schwierigen Gesprächen« mit Banken liegen, insbesondere im Hinblick auf die 2010 seitens Infineon zu zahlende Wandelanleihe in Höhe von 700 Mio. Euro, die ohne neue Finanzmittel kaum zu stemmen sein dürfte. Sollten Bauer und Schröter also die Banken nicht überzeugen können, dass Infineon »im Kern gesunde Geschäfte hat«, wie Bauer gegenüber der Elektronik kürzlich erklärte, dürfte das Geld spätestens Mitte 2010 knapp werden.
Laut dem Bericht soll weiterhin das Beratungsunternehmen McKinsey mit der Erstellung eines Geschäftsplanes und Roland Berger mit einem Finanzplan beauftragt worden sein. Dies rief bei den Infineon-Beschäftigten nach Aussagen eines Mitarbeiters gegenüber der Elektronik erwartungsgemäß keine Begeisterung hervor.
McKinsey hat nämlich in der Vergangenheit mehr als einmal versucht, den Marktwert eines Unternehmens zu erhöhen, indem umfangreiche Umstrukturierungen durchgeführt wurden, wobei Entlassungen die Regel waren. Desweiteren wurde oft kritisiert, dass sich die Unternehmensberatung nicht in die Situation des zu beratenden Unternehmens hineindenkt, sondern ihre stereotypen Beratungsmuster anwendet. Dass man besonderes Know-how hinsichtlich der Halbleiterbranche aufweist, wäre auf jeden Fall noch zu beweisen. Zwar gibt es ein sogenanntes »virtuelles Kompetenzzentrum« zur Informationstechnologie (genannt »Business Technology Office« (BTO)), dies beschäftigt sich aber mit Servern, PCs und Telekommunikation und weniger mit Chips.
Was also will Infineon mit McKinsey und Berger? Gerade den branchenerfahrenen Vorständen Bauer, Eul und Co. sollte man doch zutrauen können, alleine ein tragfähiges Konzept stricken zu können.
Neben dem Kostenproblem hat Infineon noch ein anderes: die mangelnde politische Vernetzung in Berlin und Brüssel dank vernachlässigter Lobbyarbeit in den letzten Jahren. Man hat zwar mittlerweile das zuvor geschlossene Büro in Berlin wiedereröffnet, kurzfristigen Erfolg verspricht diese Maßnahme jedoch nicht.
Es liegt daher nahe, dass der McKinsey/Berger-Schachzug primär dazu dient, Aufmerksamkeit auf allerhöchster politischer Ebene zu bekommen, die man zuvor offensichtlich nicht bekam. Während sich Minister und Kanzlerin bei Opel ein Stelldichein gaben, ging Qimonda unter – nach Gesprächen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten statt der Bundeskanzlerin. Dazu kommt, dass die »Systemrelevanz« Infineons speziell für die deutsche Autoindustrie nach Informationen der Elektronik laut Quellen aus Berlin ausgerechnet nicht von der bayerischen CSU erkannt wird, die angeblich Staatshilfen für Halbleiterfirmen bislang konsequent abgelehnt hat.
McKinsey und Berger dagegen könnten in Berlin Türen öffnen, die Infineon bislang verschlossen blieben. Laut der Berliner Zeitung hat »die Bedeutung großer Beratungs-Häuser wie McKinsey oder Roland Berger in den vergangenen Jahren in Deutschland stark zugenommen. Zunehmend beeinflussen sie auch die politische Debatte.«
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff erklärte einst in der Talkshow »Sabine Christiansen«, dass zwischen Politik und Beratern »Kartelle« und »Seilschaften« entstanden seien und »Freundschaften, die sich gegenseitig einen Dienst erweisen.«