Ein wichtiges Standbein für Infineon ist ja der Automotive-Bereich. Wir haben mal beim VDA angefragt, wie systemrelevant er eigentlich Infineon hält, und die überraschende Antwort war, dass der VDA sich darüber bislang wohl keine Gedanken gemacht hat. Interessanterweise sehen das ja die Elektronikentwickler bei den großen OEMs ganz anders, weil wir ja über proprietäre Architekturen reden, und wenn Infineon morgen seine 32-bit TriCore-Mikrocontroller für den Antriebsstrang nicht mehr liefert, dann kann man eben nicht irgendeinen Controller eines Wettbewerbers nehmen, sondern da fängt man von Null an. Haben Sie da ein Informationsdefizit?
Infineon ist kein Mitglied des VDA. Es ist in der Tat so, dass in einem Auto heutzutage mindestens 70 Mikrocontroller verbaut sind. Bei Spitzenmodellen liegt das deutlich im dreistelligen Bereich. Ein einfacher Austausch des Lieferanten A gegen Lieferanten B ist nicht ohne weiteres machbar. Unsere Lieferungen sorgen dafür, dass bei den Kunden die Bänder nicht still stehen.
In Berlin haben Sie neuerdings wieder ihr Lobbybüro eröffnet. Das gab es ja schon mal und wurde dann geschlossen. Warum wurde es seinerzeit geschlossen? Was war die Veranlassung, es gerade jetzt wieder zu eröffnen? Und: Was ist die primäre Aufgabe dieses Büros?
Die zuständige Kollegin vor Ort, Sibylle Rosendahl, leitete schon damals unser Berliner Büro. Der Grund für die Schließung war Infineons Streben, Kosten zu sparen. Wir haben aber feststellen müssen, dass wir hier zu viel gespart haben. Die Schließung wurde vor drei Jahren veranlasst und umgesetzt. Wir haben lernen müssen, dass wir hier eine Lücke ließen, die wir jetzt sinnvoller Weise wieder schließen.
Das Büro ist einerseits für die Betreuung der Sicherheitspartnerschaft mit dem Bundesinnenministerium und zum Zweiten für die Beobachtung der aktuellen Gesetzgebung zuständig. Das kann über ein Verbindungsbüro schneller und direkter erfolgen. Zum Dritten gehört zu den wichtigsten Aufgaben natürlich das Thema Forschungsförderung.
Infineon bekommt aus dem BMBF und im geringeren Umfang aus dem Wirtschaftsministerium Forschungsförderung, und das ist über ein Verbindungsbüro mit Sicherheit dann auch einfacher zu betreuen. Damit sind nicht die drei wesentlichen politischen Ziele adressiert, die wir in Berlin haben. Die würde ich dann schon anders fassen. Wenn es eine politische Fee gäbe, würde ich drei Wünsche äußern: Im Bereich der Steuergesetzgebung die vollständige Nutzbarkeit der Verlustvorträge bei Unternehmenssteuern und zweitens die steuerliche Förderung der Forschung. In Österreich und Frankreich bekommen Unternehmen, die forschen und entwickeln, steuerliche Nachlässe. Da entwickelt sich auch die Forschungslandschaft entsprechend gut. In Deutschland gibt es das nicht. Ich verstehe nicht so ganz warum. Es würde forschenden, innovativen Unternehmen ganz maßgeblich weiterhelfen.
Der dritte Punkt wäre das Thema Geldpolitik. Wir produzieren relativ viel in Europa, in Österreich, in Deutschland. Wir entwickeln sehr viel in Europa. Wir vermarkten weltweit und wir sehen einen teuren Euro, der uns im Wettbewerb zu Unternehmen aus anderen Regionen Schwierigkeiten bereitet. Wir hätten gerne einen etwas schwächeren Euro.
Jetzt vermisse ich noch einen Wunsch, nämlich das Thema Subventionen, wo ja Infineon, gerade im Vergleich mit asiatischen Wettbewerbern, deutliche Nachteile hat. Ich denke da nur mal an Korea, Taiwan, aber auch Japan. Wie betrachten Sie denn das Thema?
Von zwei Seiten, um ehrlich zu sein. Hier muss ich etwas differenzieren. Wir folgen einer Fab-Light-Strategie. Das heißt, Massenprodukte in kleinen Strukturgrößen werden in Foundries gefertigt. Wir investieren also nicht mehr vornehmlich in den Bau neuer Werke sondern in die Optimierung bestehender Fertigungen. Da könnte ich mir auch das eine oder andere mehr vorstellen von Europa. Nur wir investieren natürlich auch in Asien und insofern können wir uns das relativ entspannt anschauen, wenn es in anderen Regionen der Welt in dieser Hinsicht besser funktioniert als in Europa.
Ihr Aufsichtsratsvorsitzender Herr Kley betont ja immer wieder seine gute Vernetzung in die Politik und in die Finanzwirtschaft. Wo bleiben die Ergebnisse? Können Sie mir Beispiele geben, wo die aktive Wirkung des Herrn Kley Ihnen bei der Lösung Ihrer Probleme geholfen hat oder Sie weitergebracht hat?
Ich könnte das, aber ich bitte um Nachsicht. Es gibt viele Projekte, die wir voranbringen, mit der maßgeblichen Hilfe von Herrn Kley, aber die möchte ich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Presse sehen. Das würde den Projekten selbst schaden.
Also, das sind noch laufende Aktivitäten?
Ja.
Welche Ziele verfolgt Infineon mit der Bemühung der Unternehmensberater McKinsey und Berger? Zur Zeit bleibt leider nur die Spekulation. Da kann man versuchen, 1 und 1 zusammenzählen, um die Ziele mit der Situation des Unternehmens in Einklang zu bringen. Meine Hoffnung wäre ja, dass Sie mir sagen, was wirklich dahinter steckt…
Es tut mir leid, aber dazu werde ich Ihnen keinen Kommentar geben.
Machen wir mal kurz einen Abstecher von Berlin nach Brüssel auf die EU-Ebene. Gibt es da Verbindungen zu Ihren Wettbewerbern STM und NXP? Und gibt es da auch eine gemeinsame Interessenvertretung in Brüssel oder kocht da jeder sein eigenes Süppchen?
Ich hatte schon einmal den europäischen Halbleiterverband ESIA erwähnt, dessen Vorsitzender unser Vorstandssprecher Peter Bauer ist. Und diesem Verband sind in der Tat STM, NXP, aber auch Intel Europa, Globalfoundries und andere in Europa tätigen Halbleiterhersteller integriert. Das aus gutem Grund. Etwas 2/3 aller Gesetze, die im deutschen Bundestag erlassen werden, sind im Prinzip ja nur Sekundärgesetze. Aufgrund von Richtlinien und Direktiven, die vorher in Brüssel verabschiedet worden sind und letztlich innerhalb gewisser Fristen in nationales Recht umzusetzen sind. Und da ist es dann schon richtig und wichtig, dass es auch hier Verbandsmeinungen gibt.
Eine letzte persönliche Frage. Als Infineon-Urgestein sind Sie von Anfang an dabei und haben alle Vorstandsvorsitzende und Vorstände erlebt - von Schumacher über von Zitzewitz, Kley als Interims-CEO, Ziebart und jetzt Bauer. Von welchem Vorstand haben Sie sich denn persönlich am meisten wertgeschätzt gefühlt? Von Ihrer Arbeit und auch von Ihrer Priorität für das Unternehmen Infineon?
Es ist jetzt nicht mein Stil, meinen früheren Vorgesetzten über die Presse mitzuteilen, von wem ich mich am stärksten wertgeschätzt fühlte. Ich kann Ihnen aber gerne mitteilen, dass ich den aktuellen Vorstand als gelungene Mischung betrachte, und auch glaube, sehr intensiv eingebunden zu werden. Da ist eine Wertschätzung durchaus da.
Ich danke für das Gespräch, Herr Dr. Hoffmann.