Markt&Technik-Forum »Passive Bauelemente«

Eine Branche kämpft mit den Folgen der Dreifachkatastrophe

29. April 2011, 12:43 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Radioaktiv kontaminiert - was dann?

Im Gegensatz zu Lebensmitteln sollen passive Bauelemente ja auch nicht gegessen werden, aber in einer aufgeregten Atmosphäre, in der in Deutschland zwei Wochen nach der Katastrophe in Japan keine Jodtabletten mehr erhältlich sind, bleibt für Sachbezogene Argumentationen manchmal kein Raum mehr. Patrick Hofmann, Vertriebsleiter Bauelemente bei der Isabellenhütte, verweist in diesem Zusammenhang auf einen Umstand, dem bei aller Fixierung auf Japan bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. »Das meiste an Waren aus Japan erreicht uns ja nicht auf direkte, Wege, sondern auf dem Umweg über Drittländer. Lieferungen aus China oder Korea werden bislang nicht untersucht«, stellt er fest, »angesichts der nur stichprobenartigen Kontrollen wird sich der Markt wohl seinen Weg suchen«.

Dippel verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass es im Regelfall ja ein Endgerät sei, dass der Kunde in Europa, Deutschland erhalte. »Wer da seinen Geigerzähler dran hält, kann vielleicht eine Kontamination registrieren. Ob die von der Verpackung, oder den verbauten Komponenten und Baugruppen kommt, kann der Käufer nicht feststellen«, gibt Dippel zu Bedenken, »das kann gefährlich Effekte hinsichtlich Imageschäden nach sich ziehen«. Stünde ein Produkt erst mal im Ruf eventuell kontaminiert zu sein, ließe es sich wohl kaum noch verkaufen.

An dieser Stelle weist Dr. Arne Albertsen, Manager Sales & Marketing bei Jianghai Europe, auf feine, aber wichtige Unterschiede beim Thema Kontaminierung hin. Es ist eben ein großer Unterschied, ob eine Verpackung auf dem Transportweg kontaminiert wurde, oder ob es zu einer Kontamination der zur Bauelementeherstellung verwendeten Materialien gekommen ist. »Sollte eine Kontamination des Verpackungsmaterials erfolgt sein, lässt sich dieses reinigen, entfernen und die betreffenden Bauelemente umverpacken«, erläutert er, »dass die Bauelemente selbst, aufgrund der verwendeten Materialien zu strahlenden Komponenten werden, ist dagegen auszuschließen«. Er verweist dabei zum einen darauf, dass die dazu nötige Neutronenflussdichte in den Produktionsstätten außerhalb der Evakuierungszone zu niedrig sei. »Hinzu kommt, dass die verwendeten Substanzen im Regelfall in geschlossenen Systemen transportiert werden und auch die Produktion der Bauelemente unter kontrollierten klimatischen Bedingungen stattfindet«, erläutert Dr. Albertsen, »eine Kontamination der Bauteile an sich, so das diese als Strahlungsquelle dienen ist vergleichsweise unwahrscheinlich«!

Es ist wohl vor allem der diffusen Informationslage geschuldet, dass sich Kunden wie etwa das Mercedes Benz Werk Bremen, in den letzten Wochen verstärkt mit Schreiben (siehe Ausriss) an ihre Lieferanten gewandt haben, in denen diese eindringlich aufgefordert werden, die Konformität der gelieferten Ware mit den Anforderungen der DBL8585 (Radiation Protection) zu garantieren. Im Vordergrund steht dabei offenbar die berechtigte Sorge um das Wohl und die Gesundheit der mit der Ware in Berührung kommenden eigenen Mitarbeiter, doch auch die Angst vor möglichen Imageschäden dürfte einer der Beweggründe für diese Briefe sein.

Im Zusammenhang mit dem Thema Kontaminierung verweist Markus Zuehlke, Marketing Director Passive Components bei Rutronik Elektronische Bauelemente darauf, dass alle bisher angeführten Maßnahmen sich im wesentlichen auf Luftfracht beziehen. »Der Großteil der Ware erreicht uns immer noch per Schiff«, hebt er hervor, »wenn jetzt schon einige Häfen von einigen Reedern nicht mehr angefahren werden, dann wird interessant sein zu beobachten, wie sich das weiter entwickelt«. Allein in Hamburg landen im Jahr rund 10.000 Schiffe an, etwa 300 von ihnen kommen direkt aus Japan. Doch auch hier gilt das selbe wie bereits bei den Bauelementen – anders als bei Lebensmitteln, gibt es bislang keinen Grenzwert, ab dem ein Schiff als verstrahlt gilt. Angesichts der Tatsache, dass der Wind in den Tagen nach der Katastrophe auf den Pazifik hinaus bliess, dürfte eine stichprobenartige Kontrolle nur der direkt aus Japan ankommenden Schiffe wohl zu kurz gegriffen sein.

Auch wenn das Thema der japanischen Dreifach-Katastrophe naturgemäß die Diskussionsrunde bestimmte, gibt es auch noch andere Themen, die regelmäßig zu Diskussionen in der Branche führen. So geht auch bei den passiven Bauelementen seit Jahren der Trend zu höherer Performance bei immer kleineren Abmessungen. Seit einigen Jahren taucht in diesem Zusammenhang auch immer wieder die Frage auf, ob es so etwas wie eine physikalische Grenze für die weitere Verkleinerung der passiven Bauelemente gibt.

In diesem Zusammenhang kommentierte Sperlich mit Humor eine vor kurzem durch die Presse gegangene Meldung, nach der AVX seit kurzem die weltweit kleinsten MLCCs der Baugröße 01005 anbietet. »Wenn man berücksichtigt, dass Murata und Taiyo Yuden Bauteile dieser Größe seit Jahren in Milliardenstückzahlen herstellen, muss man schon schmunzeln, wenn in der Presse nun die Verfügbarkeit solcher Bauelemente angekündigt wird«.

Wie sein Kollege Sauer bestätigt aber auch Sperlich, dass es derzeit keine Bestrebungen gebe, noch kleiner als 01005 zu werden. »Ein Marktbedarf für ein solches Produkt ist derzeit nicht erkennbar«, stellt er fest, »und man darf ja auch nicht außer Acht lassen, dass das keine preiswerten Bauteile wären, nur weil sie besonders klein sind«. In diesem Zusammenhang weist Sperlich noch einmal darauf hin, das Kondensatoren der Baugröße 01005 teurer seien, als die nächstgrößere Variante der Bauform 0201.

»Wir sind inzwischen bei Schichtdicken von weniger als 1 µm angekommen«, pflichte ihm Sauer bei, »damit scheint nun so etwas wie die untere physikalische Grenze erreicht worden zu sein«. Für Keramiken unter einer Schichtdicke von 1 µm würden wohl eher Flüssigkeiten benötigt, als keramische Pulver. Dass die Zukunft deshalb Unternehmen wie IPDiA gehört, die passive Funktionen in Silizium gießen, glauben die Diskussionsteilnehmer jedoch nicht. Das Preis-Nutzen-Verhältnis dürfte dabei nur in wenigen Fällen für eine solche Lösung sprechen. Wahrscheinlicher erscheint ihnen die Möglichkeit, dass die Polymerelektronik in Zukunft einen Weg zu weiterer Miniaturisierung im Bereich passiver Bauelemente eröffnen könnte.

Die geringsten Probleme scheinen die Hersteller und Distributoren im Bereich passiver Bauelemente derzeit mit dem Thema RoHS 2.0 zu haben. Man verfolge die Entwicklung sehr genau und werde zu gegebener Zeit die notwendigen Schritte unternehmen, so das einhellige Statement. Beck hebt in dem Zusammenhang auch noch einmal hervor, dass es sich dabei wohl in erster Linie um eine Aufgabe für die Endgerätehersteller handle. Auf der Komponentenseite habe man durch die Einführung der RoHS die entsprechende Vorarbeit geleistet, so die Bauelementehersteller. Die Diskussionsteilnehmer sind sich aber auch darüber einig, dass es wohl auch bei RoHS 2.0 wieder Ausnahmen für bestimmte Anwendungen geben wird. Man darf gespannt sein, welche Lobbygruppen dabei am meisten für sich herausholen können.


  1. Eine Branche kämpft mit den Folgen der Dreifachkatastrophe
  2. Lieferkette droht auszutrocknen
  3. Radioaktiv kontaminiert - was dann?

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