Interview mit Freescales neuem CEO Gregg Lowe

“Auf einer Runde auf dem Golfplatz verliere ich 18 Bälle”

20. Juni 2012, 21:01 Uhr | Frank Riemenschneider
Freescales neuer CEO Gregg Lowe (rechts) mit Elektronik-Redakteur Frank Riemenschneider.
© Elektronik

Seit genau 14 Tagen ist der ehemalige TI-Manager Gregg Lowe jetzt CEO von Freescale. Die Elektronik hatte anlässlich des diesjährigen Technology Forums in San Antonio exklusiv Gelegenheit, mit Lowe, der für TI u.a. vier Jahre in Freising tätig war, über Freescales Zukunft, seine Zeit in Deutschland und den Golfplatz als Kontaktbörse im Geschäftsleben zu sprechen.

Diesen Artikel anhören

Elektronik: Herr Lowe, nach 28 Jahren TI war es nicht nur für mich etwas überraschend, Sie jetzt bei Freescale zu begrüßen. Gefällt es Ihrer Frau in Austin besser als in Dallas?

Gregg Lowe (lacht): Ich will einfach aus Freescale eine noch stärkere Firma machen, die Technologieführerschaft, die wir in vielen Bereichen haben, ausbauen und sie in anderen Bereichen erreichen. Austin ist unabhängig davon eine sehr, sehr schöne Stadt !

Elektronik: Ihr Vorgänger Rich Beyer war ja ein sehr zahlengetriebener Mensch, den Sie nachts um 2 Uhr alle Details aus der Unternehmensbilanz abfragen konnten. Stimmen Sie mir zu, dass Sie die Technik im Fokus haben?

Lowe: Mit Sicherheit habe ich einen stärkeren technischen Hintergrund. Freescale brauchte zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Leute. Als Rich an Bord kam, brauchte Freescale dringend jemanden, der sich mit Finanzen auskennt, denken Sie mal an den Schuldenberg seinerzeit. Jetzt stellt sich die Frage, wie können wir wachsen und das kann man am besten, wenn man Produkte herstellt, welche die Kunden lieben.

Elektronik: Bei TI haben Sie ja 10 Jahre lang den Analog-Bereich geleitet, Freescale ist stark bei Prozessoren. Wollen Sie Freescale jetzt auch mehr in Richtung Analogchips ausbauen?

Lowe: Ich schaue mir das Unternehmen gerade sehr genau an. Sie haben Recht, Freescales Sichtbarkeit im Analogbereich ist sehr limitiert, dafür haben wir in anderen Bereichen ganz tolle Technologien und Produkte. Mein Ziel ist es generell, stärker als der Markt zu wachsen und dabei die Kernkompetenzen von Freescale zu nutzen.

Elektronik: Wie wollen Sie denn das genau anstellen, stärker als der Markt zu wachsen?

Lowe: Sorry, ich bin jetzt 14 Tage im Amt – gehen Sie davon aus, dass ich meine ganze Energie gerade da reinstecke, dafür eine Strategie zu entwerfen.

Elektronik: Ich denke doch, dass Sie bevor Sie den CEO-Vertrag unterschrieben haben, sich schon lange Gedanken gemacht haben, was Sie verändern wollen?

Lowe: Was ich sehe ist, wir haben tolle Leute, ein tolles Image, tolle Produkte und tolle Technologien – einzig unsere Performance ist nicht toll. Ich will diese ganzen Elemente so zusammenführen, dass am Ende auch tolle Ergebnisse rauskommen. Ich weiß heute ehrlich gesagt nicht alle Details über die Firma.

Elektronik: Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen TI und Freescale?

Lowe: Lassen Sie mich auf Freescale konzentrieren. Das Team hier ist extrem stark aufgestellt, und was wir tun müssen, ist es wie gesagt, diese Stärken in Umsatz umzumünzen, damit wir stärker als der Markt wachsen können und Marktanteile zu gewinnen.

Elektronik: Analog-Chips erzielen aber in der Regel höhrere Margen als Digital-Chips…

Lowe: Viele Sachen wie Stromversorgung gehen gerade in die Richtung „Digital“. Das interessante dabei ist, dass nicht nur logischerweise damit der Markt für digitale Chips wächst, sondern auch der Analogmarkt, weil die Welt ja nun mal analog ist. Die Kernkompetenzen von Freescale liegt heute im digitalen Bereich und es macht immer Sinn, sich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren.

Elektronik: Und wie sieht es mit Mixed-Signal-Chips aus?

Lowe: Wir sind ja schon jetzt stark bei HF-Chips, Sensoren, DSPs, Mikrocontrollern und embedded-Prozessoren positioniert.

Elektronik: Eine große Aufgabe eines CEOs besteht ja auch darin, eine Firmenkultur zu etablieren. Wie beschreiben Sie die Situation heute und was wollen Sie ändern?

Lowe: Was ich hier spüre, ist Offenheit und die Ehrlichkeit, Probleme zu adressieren und auf den Tisch zu bringen. Ich spüre auch den starken Willen der Mitarbeiter, Dinge voranzubringen und Design-Wins zu erzielen. Was ist mir wünsche ist, dass jeder einzelne Freescale-Mitarbeiter, der morgens zur Arbeit fährt, darüber nachdenkt, das dass, was er heute tut, den Unterschied ausmachen kann über Sieg oder Niederlage im Wettbewerb. Jeder einzelne soll realisieren, dass er und seine Arbeit persönlich Auswirkung auf unseren Erfolg hat.

Elektronik: Eine ihrer letzten großen Aktionen bei TI war ja der Kauf von National Semiconductor. Wie sieht es bei Freescale aus, gibt es da aus Ihrer Sicht auch Übernahmekandidaten?

Lowe: Sehen Sie, es wird immer so getan, als sei das so einfach mal kurz eine Firma zu übernehmen. Die Integration ist der Schlüssel, wie schaffen Sie es, Mitarbeiter und IP so zu integrieren, dass es am Ende einen Mehrwert gibt? Nicht nur die Produkte, auch die Kulturen müssen da passen.

Elektronik: Nicht nur Sie haben festgestellt, dass Datencenter ihren Energieverbrauch reduzieren müssen. Was können Sie dazu beitragen, energieeffiziente Netzwerke zu generieren?

Lowe: Sie können mir glauben, Kunden wollen weltweit energieeffiziente Lösungen und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Einige, damit ihre batteriebetriebenen Systeme möglichst lange mit einer Ladung arbeiten können und einige wegen der extrem hohen Energiekosten und sogar wegen Regulierungsbehörden, die Maximalwerte vorgeben. Und dann gibt es noch die, die ein Problem haben, wegen räumlicher Limitierungen die Hitze abzuführen. Deswegen haben wir uns total auf Energieeffizienz fokussiert in allen Produktbereichen.

Elektronik: Der größte Markt für Freescale ist ja nicht die USA oder Europa, sondern China. Wie wollen Sie da ein möglichst großes Stück vom Kuchen abschneiden?

Lowe: Was wir alle sehen ist das hohe Wachstum in China. Manche Leute übersehen dabei, dass dieser Markt sich gerade extrem wandelt und zwar vom Billigauftragsfertiger für das Exportgeschäft zum High-Tech-Fertiger für lokal designte Produkte eines extrem schnell wachsenden lokalen Marktes. Das bedeutet, es gibt mehr Design-Entscheidungen in China und damit müssen dafür sorgen, dass wir stark vor Ort repräsentiert sind z.B. mit Applikations-Ingenieuren.

Elektronik: Brauchen Sie nicht auch ein größeres Produktportfolio?

Lowe: Wie ich bereits sagte – wir brauchen überproportionales Wachstum, um Marktanteile vom Wettbewerb zu gewinnen, da müssen wir uns verbessern. Die Details dazu sind bitte haben Sie dafür Verständnis nach 14 Tagen noch nicht ausgearbeitet.

Elektronik: Wie wollen Sie die Notwendigkeit in Wachstum zu investieren mit der Notwendigkeit ihre Schulden, die immer noch 6,5 Mrd. Dollar betragen, abzutragen, verbinden? Ist das nicht unmöglich?

Lowe: Sie lesen doch immer so gerne Bilanzen! Dann werden Sie feststellen, dass wir 19 % unseres Umsatzes in F&E-Aktivitäten investieren, das ist weit mehr als die anderen Wettbewerber, die mit 4 Mrd. Dollar so viel Jahresumsatz machen wie wir. 19 Prozent sind ein starkes Committment zu F&E und Innovation. Glauben Sie mir, bevor ich hier für diesen Job zugesagt habe, habe ich mir das ganz genau angeschaut: Investiert diese Firma genug in sich selbst? Wir glauben an unsere Leute und die Technologie und an einen Return of Investment.

Elektronik: Wie lange werden Sie noch brauchen, um Ihre Strategie zu finalisieren?

Lowe: Aktuell sitze ich mit dem Team zusammen und arbeite das aus. Ich mache zeitlichen Druck, aber wir überstürzen sicher nichts.


  1. “Auf einer Runde auf dem Golfplatz verliere ich 18 Bälle”
  2. Interview mit Freescales neuem CEO Gregg Lowe - Teil 2

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!